Berlin als Stimmungskiller bei EM: Balin is’ anders
Das deutsche Basketball-Nationalteam spielt sich nach einem Sieg über Montenegro ins EM-Viertelfinale. Aber nicht in die Herzen der Hauptstädter.
Die deutsche Basketballnationalmannschaft hat ihre ersten fünf Spiele nicht in Berlin, sondern in Köln gespielt. Dieses flirrende „Mir geht’s Köln“, wo das Befinden nach ziemlich guten Auftritten vor 18.000 Fans kaum besser hätte sein können, wollte das Ensemble um Trainer Gordie Herbert an die Stätte der Knock-out-Spiele bei dieser Europameisterschaft tragen, nach Berlin.
Aber daraus wurde nichts. Die Mannschaft des Deutschen Basketball-Bundes, DBB, hat zwar das Achtelfinale gegen Montenegro mit 85:79 gewonnen, aber der Transfer der guten Stimmung aus dem Rheinland in die Hauptstadt ist doch eher misslungen. Das Entscheidungsspiel am Samstagabend sahen nur etwa 11.000 Zuschauer. Die Arena am Ostbahnhof fasst 14.500. Die offizielle Zuschauerzahl wurde mit 12.938 „für die Session“ angegeben.
Ende der Festspiele
Der Ticketdeal funktionierte so: Ich kaufe ein Billett für zwei Spiele, also für Deutschland gegen Montenegro und Litauen gegen Spanien (94:102 nach Verlängerung), bin aber nicht verpflichtet, beide Partien anzuschauen. Als das Spiel begann, gab’s viele Lücken auf den Rängen, die Stimmung war trotz alberner Feuershow verhalten, und als die deutsche Mannschaft startete wie die Feuerwehr, zur Pause mit 48:24 führte, da schienen einige sanft entschlafen zu sein. Gähn, was für ein langweiliges Match! Ach, guck mal, der Dennis zieht zum Korb und schließt mit einem Dunk ab, yo!
Zwei Deutschlandfans hielten wacker ihr Plakat mit der Aufschrift „Franz Wagner Festspiele“ in die Höhe, aber als sich der 21-Jährige von den Orlando Magic nach einem Dreipunktwurfversuch am Knöchel verletzte und den Rest des Spiels mit einem Eisbeutel die Schwellung bekämpfte, konnten die beiden ihr Plakat nicht nur zum Altstoffhandel bringen, auch das Spiel des DBB-Teams kollabierte. Es wusste nicht mehr, wie umgehen mit der Raumverteidigung aus Montenegro, Zone genannt. Der Gegner vom Balkan kam näher, bis auf drei Punkte in der Schlussphase.
Dass es zu dieser völlig unnötigen Dramatik kam, hätte niemand in der Arena für möglich gehalten, aber vielleicht wollte die deutsche Auswahl so für Spannung, Aufregung – und Stimmung auf den Rängen sorgen. Das klappte dann auch leidlich. Das fast schon lethargische Berliner Publikum wachte auf, erhob sich sogar von den Sitzen und klatschte rhythmisch. Einige Spieler sprachen hernach von einer „komischen Stimmung“ in der Halle. Sie hatten anderes erwartet, schließlich ist Berlin Basketballmetropole. Viele Nationalspieler sind durch die Alba-Schule gegangen, Wagner etwa, aber auch Niels Giffey. Andere, wie Johannes Thiemann oder Maodo Lo oder Jonas Wohlfahrt-Bottermann, haben das gelbe Alba-Trikot in ihrer Karriere übergestreift.
„Hoffentlich sind beim nächsten Mal etwas mehr Fans da. Es wäre cool, wenn die Halle komplett voll wäre“, sagte Lo. „Köln war sehr stark, das hat uns sehr gepusht. Heute waren hier und da ein paar leere Plätze, es war in einigen Phasen etwas still“, sagte der Point Guard. Mit Blick auf das Viertelfinale am Dienstag, in dem es wahrscheinlich gegen Titelkandidat Griechenland mit NBA-Star Giannis Antetokounmpo gehen wird, richtete sich Lo direkt an die Basketballfans aus seiner Heimatstadt. „Ich appelliere als Berliner: Zeigt doch, woraus wir geschnitzt sind. Und unterstützt uns, damit wir eine gute Chance haben.“
Am Ende, sagte Teamkapitän Dennis Schröder, zähle nur der Sieg, nicht sein Zustandekommen: „Diszipliniert gespielt haben wir nicht.“ Mir geht’s Berlin, dieses Fazit stand nach dem Viertelfinale fest: irgendwie nicht so knorke, aber wird schon werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video