Bilanz der Bahn: Unpünktlich, aber profitabel
Die Deutsche Bahn konnte die Coronakrise überwinden. Die Fahrgastzahlen sind hoch, doch die Ticketpreise könnten steigen.
Das liegt vor allem am hohen Gewinn der bei FDP und Grünen unbeliebten Logistiktochter Schenker, aber auch an der Rückkehr der Fahrgäste nach der Pandemie. Fast 60 Millionen Reisende fuhren bis Ende Juni im IC oder ICE, ein Plus von 117 Prozent. Im Regionalverkehr waren 725 Millionen Kunden unterwegs, ein Zuwachs um 60 Prozent. Dazu hat auch das 9-Euro-Ticket beigetragen, das seit Anfang Juni noch bis Ende August gilt.
Allmählich spürt die Bahn aber auch die steigenden Energiepreise. In diesem Jahr hat der größte Stromverbraucher Deutschlands seine Einkaufspreise noch absichern können. Finanzchef Levin Holle räumte aber ein, dass sich das Unternehmen dem Preistrend nicht auf Dauer entziehen könne. Die Kunden im Güterverkehr müssen sich schon bald auf höhere Preise einstellen.
Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember könnte es dann auch den Personenverkehr treffen. Die Entscheidung über die Ticketpreise fällt der Bahn-Aufsichtsrat regelmäßig im September.
„Pünktlichkeit nicht akzeptabel“
Die hohe Nachfrage bereitet der Bahn auch Probleme. „Qualität und Pünktlichkeit sind nicht akzeptabel“, räumte Bahnchef Lutz ein. Im ersten Halbjahr kamen nur sieben von zehn Zügen pünktlich ans Ziel, zur Zeit noch weniger. Schuld sei die überlastete Infrastruktur, betont Lutz.
Auf den rund 3.500 am stärksten belasteten Streckenkilometern liege die Auslastung bei 125 Prozent. Verspätungen sind die Folge. Erst 2024 wird die Bahn diese Korridore nach und nach sanieren und in dieser Zeit auch komplett sperren. Nach dem Ende der jahrelangen Arbeiten verspricht Lutz ein „Hochleistungsnetz“.
Einig sind sich Gewerkschaften und Vorstand in einer anderen Frage: Sie lehnen eine Fortführung des 9-Euro-Tickets trotz des Erfolges ab. Allein die Bahn hat 19 Millionen der Billigtickets verkauft. „Das Experiment ist geglückt“, sagte Lutz.
Das Angebot habe auch Kunden erreicht, die bislang nicht mit der Bahn gefahren sind. Auf der anderen Seite sei die Belastung von Mensch und Material durch die hohe Nachfrage sehr hoch. EVG-Vizechef Martin Burkert zufolge haben die Beschäftigten ihre Belastungsgrenze schon überschritten. Die Folge: ein hoher Krankenstand von teils 25 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Byebye Wissenschaftsfreiheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten