SV Bremen verliert gegen Schalke 04: Kalte Duschen am Marschweg
Obwohl es eine DFB-Pokal-Begegnung war: Gegen den Erstligisten Schalke 04 verliert der Bremer SV mit 0:5 Toren.
Es wurde kein heißer Kampf; es war eine klare Angelegenheit für den Bundesligaaufsteiger Schalke. Mit 5:0 (4:0) gewannen die „Königsblauen“ beim Regionalligaaufsteiger Bremer SV, der vom altehrwürdigen Panzenberg im Bremer Westen nach Oldenburg umgezogen war.
Das mit der kalten Dusche indes war doch nicht nur ein Kalauer, sondern eiskalte Realität: Die Stadt Oldenburg hat aus Energiespargründen während der Sommerferien die zentrale Warmwasseranlage im Marschweg-Stadion abgestellt.
Gar nicht schlecht für die junge Generation sei so eine Abhärtung, meinte Schalkes neue Nummer eins, Alexander Schwolow – während Schalkes Trainer Frank Kramer noch überlegt hatte, den Mannschaftsbus mit Wasserkochern auszustatten und das so erzeugte Heißwasser mit dem Wasser aus den Eistonnen zu mischen.
Fußball entdeckt Klimaschutz
Das mit den kalten Duschen passte jedenfalls zu dem, was sich der DFB vor der ersten Runde des DFB-Pokals ausgedacht hatte, nämlich den sogenannten „Aktionstag Klimaschutz“. In allen Stadien wurden die Spiele eine Minute später angepfiffen. Die Zeit sollte genutzt werden, um die Zuschauer für das Thema zu sensibilisieren. Was zunächst mal keine schlechte Idee zu sein scheint, waren Fußballfans doch bislang nicht wirklich als Klimaschutzaktivisten auffällig geworden.
„Mit dem Potenzial, Millionen von Menschen zu erreichen“, so DFB-Präsident Bernd Neuendorf, biete sich „hier eine große Chance, die wir gemeinsam mit den Amateur- und Profivereinen in den kommenden Jahren nutzen wollen. Mit vielen kleinen und kreativen Ideen kann jeder Fußballverein Umwelt, Klima und oftmals auch die Vereinskasse schonen.“
Unter anderem die Eckfahnen und die Spielführerbinden waren während des Aktionstags nun in den sogenannten „Warming Stripes“ gestaltet worden: Diese blau-roten Streifen hatte sich der britische Klimaforscher Ed Hawkins im Jahr 2018 ausgedacht, um die globale Erderwärmung zu visualisieren.
So richtig gut an kam die Klimaschutzansprache des Stadionsprechers am Oldenburger Marschweg allerdings nicht. Die Fans pfiffen ihn gnadenlos aus, um schließlich „Fußballmafia DFB“ zu skandieren. Ob sie das Thema nun so gar nicht interessierte – oder ob sie vielmehr an der Glaubwürdigkeit des Verbandes zweifelten? Das große Banner, das dem DFB am Sonntag unterstellte, mit dem Thema Nachhaltigkeit nur noch mehr Geld scheffeln zu wollen, lässt dann eher auf Zweiteres schließen.
Erinnerungen ans Bayern-Debakel
Nach dem Anpfiff um 13.01 Uhr dauerte es dann keine drei Minuten, ehe durch Rodrigo Salazar das 1:0 für Schalke fiel und Erinnerungen an das Bremer 0:12-Debakel gegen den FC Bayern in der vergangenen Saison wach wurden. Aber sie kämpften und rackerten, die Amateure aus Bremen-Walle, stellten sich tapfer der Übermacht entgegen; nichtsdestotrotz stand es zur Halbzeit dann bereits 4:0.
Weil Schalke es nach der Pause etwas ruhiger angehen ließ, kamen die Bremer sogar zu einigen Torchancen. Das weitere Tor fiel dann aber doch noch für die Königsblauen aus Gelsenkirchen, wenn auch wirklich nur noch eins.
Torsten Gütschow, Trainer des Bremer SV, war dennoch stolz auf die zweite Halbzeit seiner Mannschaft. „Man kann sich vorstellen, wie es den Jungs nach dem 0:4 in der Halbzeitpause ging“, sagte er, „aber danach haben wir es viel besser gemacht. Wir wollten in diesem Spiel lernen und wir wollten keine zweistellige Niederlage kassieren, beides ist uns gelungen.“
Für den Bremer SV war die Partie gegen Schalke bereits die elfte Teilnahme am DFB-Pokal. Überstanden haben die Waller die erste Runde allerdings noch nie. Fußballerisch können sie mit den Profis erkennbar nicht mithalten. Aber sie sind lustig und erfrischend selbstironisch beim Bremer SV – und in der Stadt deutlich beliebter als der FC Oberneuland, der sich sportlich auf ähnlichem Terrain bewegt, aber als Retortenklub gilt.
Bremer Selbstironie
Als Sponsor auf der Brust hatte der Bremer SV in der Vergangenheit einen Bio-Bauernhof und die Freie Union Brauerei Bremen. Im Editorial des Panzenberg-Kurier, der SV-Stadionzeitung, äußert sich Kristina Vogt, Bremens Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa von den Linken, kritisch zur „skandalösen Vergabe“ der Fußball-WM 2022 nach Katar und bricht eine Lanze für den „ehrlichen Fußball ohne Schickimicki“. Eine Art Mantra des Klubs ist auf seiner Homepage zu lesen: „Seit 1962 nicht in der Bundesliga“.
Für die Journalisten an ihren Arbeitsplätzen gab es am Sonntag ein Passwort für den Internetzugang: „wirfahrennachberlin2023“. Sie werden wohl nie nach Berlin fahren, zum Pokalfinale, die Mannen des Bremer SV. Aber sie haben sich wacker geschlagen gegen einen weiteren übermächtigen Gegner.
Und sie haben nicht nur Energie beim Duschen gespart, sondern auch Geld: Für jedes in der ersten Pokalrunde erzielte Tor sollten die Klubs 100 Euro an Klimaschutzprojekte spenden, so die Idee des DFB. Da kam das Spiel also günstig für den Bremer SV – der aber sicher liebend gerne etwas gespendet hätte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung