Preis-Check zum Bundesliga-Start: Dann halt nicht
Mit der Familie spontan in ein Bundesligastadion? Klingt verlockend, ist aber verdammt teuer und oft unmöglich. Auch das Streaming hat seinen Preis.
Vor dieser anstrengenden Coronazeit, die den Stadionbesuch erst unter Hygienevorbehalte stellte und dann oft an die Impfung gegen das Virus knüpfte, sagte der Fußballtrainer Steffen Baumgart einen Satz, der ihm Zustimmung und Kritik einbrachte: „Für Normalsterbliche wird der Stadionbesuch langsamg einfach zu teuer. Ich weiß nicht, ob die Fans diese Entwicklung auf Dauer noch mitmachen.“ Für eine vierköpfige Familie komme da schon mal ein Betrag von 250 Euro zusammen, an einem einzigen Samstag. Die einen entgegneten, Baumgarts Beitrag sei polemisch, weil es ja durchaus billigere Billets gebe, die anderen pflichteten ihm bei: Eine Grenze sei erreicht.
Wie sieht es nun heute aus, kurz vor Beginn der neuen Bundesligasaison, die zumindest halbwegs normal verlaufen und jene Phase beenden könnte, die den Anteil der Ticketeinnahmen am Gesamterlös der Klubs laut Wirtschaftsreport der Deutschen Fußball-Liga von 12,9 Prozent auf 0,64 Prozent schrumpfen ließ? Können sich Fans Fußball noch leisten? Können es Familien? Die Lage ist disparat. Es gibt die Privilegierten: Das sind Dauerkartenbesitzer und Vereinsmitglieder. Die Dauerkarten sind vergleichsweise billig. Sie sind schon für 145 Euro in der günstigsten Version beim VfL Wolfsburg zu haben.
Borussia Dortmund möchte 240 Euro für die 17 Heimspiele haben. Die Dauerkarten werden gehütet wie ein seltenes Gut, nicht selten vererbt. Vereinsmitglieder ohne so ein goldenes Ticket dürfen bei der restlichen Kartenvergabe immerhin ganz vorn in der Schlange stehen. Wer kurzentschlossen ins Stadion will und an die sogenannte Tageskasse geht, die heute natürlich im Netz zu finden ist, der fühlt sich durchaus an die Baumgart'sche Zustandsbeschreibung aus dem Jahr 2019 erinnert, denn die Preise für vernünftige Plätze sind gepfeffert. Der Run auf Tickets hat eh wieder eingesetzt. Die Bundesliga steuert erneut darauf zu, die bestbesuchte Fußballliga der Welt zu werden mit etwa 46.000 Zuschauern im Schnitt.
Der Autor dieses Textes hat sich auf verschiedenen Ticketportalen von Bundesligisten umgeschaut. Wir nehmen einmal an, er möchte noch in diesem Monat einen Familienausflug in ein Stadion machen mit Frau und zwei Kindern im schulpflichtigen Alter, spontan und weil ja jetzt wieder alle so aufgeregt über Fußball reden. Wie wär’s mit der Partie RB Leipzig gegen den 1. FC Köln: Weil die Mischpoke etwas sehen und nicht unbedingt neben dem Fanblock sitzen möchte, werden vier Tickets im Sektor C, Unterrang, herausgesucht. Die kosten zusammen 210 Euro, für Erwachsene 55 Euro, für Schüler 50 Euro. Wenn wir noch Eis, Getränke oder eine Stadionwurst konsumierten, kämen locker 230 Euro zusammen. Immerhin: Wir könnten im Stadion zusammensitzen.
Spontanietät wird bestraft
Das wäre in Mönchengladbach (gegen Hoffenheim) anders. Wir schauen nach Tickets auf der Osttribüne, Block 9: vier Stück für 49 Euro. Macht 196 Euro. Eine Ermäßigung für Schüler ist nicht zu entdecken. Erfolglos bleiben wir beim SC Freiburg und beim 1.FC Köln. Anscheinend ist alles weg. Wer hier spontan erscheint, ist wohl naiv oder allzu hoffnungsfroh. Auch beim FC Bayern kommen wir nach aufwendiger Anmeldeprozedur nicht so richtig weiter. Dann doch: Zwei Tickets fürs Match gegen Wolfsburg könnten wir ergattern, eines fast unterm Dach, in Block 321, eines in Block 235, etwas weiter unten. Sie kosten 40 und 60 Euro. Die Kinder müssten also zu Hause bleiben.
Bei Hertha BSC (gegen Eintracht Frankfurt) könnten wir sie wieder mitnehmen. Im Block 0.5, Nord-Unterring, klicke ich auf vier Plätze. Von Erwachsenen wollen die Herthaner 55 Euro einbehalten, von „Kids“ 27,50 und von Schülern 44 Euro. Die Summe: 198 Euro. Was „Kids“ sind, lässt sich auf die Schnelle nicht herausbekommen, also ordere ich fiktiv zwei Karten für Schülerinnen und Schüler.
Halten wir also fest: Wer mit der Familie spontan in ein Bundesliga-Stadion will und etwas (ohne Fernglas) sehen möchte, der zahlt einmalig einen Preis, den die glücklichen Abonnenten für 16 Spiele zahlen. Ist das gerecht? Wohl kaum, aber es gibt ja noch das Fernsehen. Schauen wir die Spiele halt da. Bei der Inflation müssen wir eh Verzicht üben, gell.
Aber die Anbieter haben auch da kräftig an der Preisschraube gedreht: Wer alle Bundesligaspiele sehen möchte, kann dies als Neukunde mit einem Kombi-Abo von Sky und DAZN für 38,99 Euro tun, pro Monat. Mit beiden einzelnen Anbietern im Abo wird es teurer. DAZN hat seine Preise in diesem Sommer deutlich erhöht und verlangt im Monatsabonnement 29,99 Euro statt zuvor 14,99 Euro. Im Jahrestarif müssen Kunden 24,99 Euro pro Monat berappen. Sky bietet die Bundesliga aktuell für Neukunden für 20 Euro pro Monat im ersten Jahr an, danach wird es auch wieder teurer.
Und ohne Zuzahlung, wie ist es damit? Sat.1 zeigt frei empfangbar und parallel zu DAZN das Eröffnungsspiel am Freitag zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München (20.30 Uhr) sowie jeweils eine Partie am 15. und 16. Spieltag vor und nach der WM-Unterbrechung. Dazu kommt noch die Relegation zur 1. und 2. Bundesliga. Die Öffis sind Schnipselverwerter.
Fußball, der hochklassige, ist hierzulande teuer – und strukturell familienfeindlich. Wer günstig wegkommen und sich willkommen fühlen will, der geht zu einem Oberliga-Spiel oder schweift mal in die Ferne ab. Neulich haben wir uns Spiele in Skandinavien in einer ersten Liga angeschaut, 30 Euro für alle, Eintritt frei für Kinder und Jugendliche. Lächelnde Verkäuferinnen an der Tageskasse und Jugendliche, die den Laden schmissen. War wie früher. Toll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Greenpeace-Vorschlag
Milliardärssteuer für den Klimaschutz
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Proteste gegen LNG-Gipfel in Berlin
Partycrasher am Luxushotel
Abschiebungen syrischer Geflüchteter
Autokorsos und Abschiebefantasien