Soziale Initiativen in der Energiekrise: Keine Heilung von Gaspreisen

Das HeileHaus in Kreuzberg kämpft mit den stark steigenden Gaspreisen. Diese bedrohen Einrichtungen in allen sozialen Bereichen.

Zwei Menschen duschen in der Sonne

Insbesondere Bedürftige leiden darunter, dass Warmduschen sehr teuer wird Foto: Christoph Soeder / dpa

BERLIN taz | Der Hinterhof vom HeileHaus e. V. in der Waldemarstraße mitten in Kreuzberg ist eine kleine Oase. An den Backsteinwänden hangelt sich Efeu empor, weiter im Hinterhof liegt ein Café, das thailändische Küche anbietet. Bänke laden zum Verweilen ein. In dem Altbau, der 1981 von Menschen aus der Naturheilkundeszene besetzt, aber schon länger legalisiert wurde, wird unter anderem eine Badestube angeboten. Bedürftige können hier ihre Wäsche waschen, in einem Badezimmer gibt es mehrere Duschen und sogar Badewannen.

Die Zukunft des HeileHauses aber ist ungewiss. „Wir wissen nicht, ob wir die Badestube diesen Winter noch anbieten können“, sagt Mitarbeiter Andreas Borutta der taz.

Der Grund sind die enorm steigenden Gaspreise, die das HeileHaus – dessen Gasverbrauch wegen der Badestube naturgemäß hoch ist – besonders stark treffen. „Dabei fangen wir mit unserem Angebot doch bereits diejenigen auf, die es sich nicht mehr leisten können, sich zu Hause zu waschen und zu duschen“, sagt Borutta. „Wenn Einrichtungen wie unsere pleite gehen, weil wir uns das Gas nicht mehr leisten können, ist das eine soziale Katastrophe.“

Wie sehr gemeinnützige Einrichtungen von den explodierenden Gaspreisen betroffen sind, weiß auch Gabriele Schlimper, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin. „Bei uns rufen laufend besorgte Mitglieder an, die nicht wissen, wie sie die kommenden Energierechnungen bezahlen sollen“, so Schlimper.

Alle sozialen Bereiche bedroht

Das betreffe „alle sozialen Bereiche“, von Kitas über Einrichtungen für betreutes Wohnen bis zu Pflegeeinrichtungen. Von Steigerungen von bis zu 50 Prozent würden die Ver­bands­mit­glie­der:in­nen berichten. „Das können die sozialen Träger nicht allein stemmen.“ Doch auf politischer Ebene hat sich bisher wenig getan. Im Juni hat das Abgeordnetenhaus zwar einen Härtefallfonds von 380 Millionen Euro wegen der steigenden Energiepreise beschlossen.

Ein Waschraum mit Badewanne und Waschbecken in dem Verein HeileHaus in Berlin-Kreuzberg

Ein Blick in die Badestube des HeileHaus e.V. in Berlin-Kreuzberg Foto: HeileHaus e.V./Andreas Borutta

SPD-Landeschef Raed Saleh hatte sogar gefordert, diesen auf eine Milliarde Euro aufzustocken. An wen, wann und wie das Geld aber fließen soll, ist noch nicht geklärt. Die Landesregierung scheint zunächst abzuwarten, was der Bund so unternimmt. Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) hatte zuletzt gesagt, dieser solle beginnen, sein „enormes Umverteilungspotenzial“ zu nutzen.

Gut möglich ist, dass es zu Verteilungskämpfen zwischen Mieter:innen, Schulen, Behörden, Sozialhilfeempfangende und gemeinnützige Initiativen um das knappe Geld kommt. Stefan Strauß, Sprecher der Senats­sozialverwaltung, warnte gegenüber der taz vor „drohenden Reduzierungen der Angebote“ im sozialen Bereich. Dann sagte er aber lediglich, man sei „in Gesprächen“, um die sozialen Einrichtungen zu unterstützen. „Ihre Angebote sind jetzt besonders wichtig“, so Strauß. Das habe man „in Bezug auf unsere Förderprogramme“ im Blick.

Gaspreise wie für Industriebetriebe

Für das HeileHaus ist die Situation besonders dramatisch. Weil der vorherige Gasanbieter der Initiative im Oktober letzten Jahres pleite ging, ist das Haus auf die Ersatzversorgung des Berliner Energieunternehmens Gasag angewiesen. Das hat Folgen, denn in der Ersatzversorgung berechnet die Gasag sozialen Initiativen, die mehr als 10.000 Kilowattstunden im Jahr verbrauchen, nicht dieselben Preise wie Haushaltskunden. Stattdessen stuft die Gasag sie als „sonstige Letztverbraucher“ ein. Solche sind ansonsten etwa Industriebetriebe.

Seit Dezember 2021 gilt für diese Gruppe eine andere Preispolitik. Betrug der Brutto-Gasarbeitspreis in der Ersatzversorgung bis dahin 6 Cent pro Kilowattstunde, verdreifachte er sich am Stichtag plötzlich auf 18 Cent. Privathaushalte mussten dagegen nur etwa 8 Cent bezahlen. Seit Juni dieses Jahres bezahlen Privathaushalte 10 Cent brutto, für „sonstige Letztverbraucher“ blieb der Betrag gleich. Das HeileHaus muss also weiterhin etwa das 1,8-fache von Privathaushalten bezahlen.

Dass gemeinnützige Einrichtungen in dieselbe Gruppe wie die Industrie eingeordnet werden, kann Borutta nicht verstehen. „Wir machen keine Profite, wir haben kaum Geld“, sagt er. Seine Forderung: „Wir wollen, dass gemeinnützige Vereine so behandelt werden wie private Haushalte.“

Keine Angebote verfügbar

Gegenüber der taz rechtfertigt die Gasag diese Unterscheidung mit dem Energiewirtschaftsgesetz. Das erlaubt zwar gesonderte Preise für „sonstige Letztverbraucher“, gibt die Ausgestaltung der Preispolitik aber keineswegs vor. In einem der taz vorliegenden Schreiben der Gasag an das HeileHaus heißt es hierzu, diese seien wegen „Änderungen der Kosten für Energiebeschaffung und Vertrieb“ notwendig geworden.

Pressesprecher Rainer Knauber teilte der taz zudem mit, die Preisdifferenz gelte nur in der Ersatzversorgung. In die könne eine Organisation nur abrutschen, wenn sich diese nicht um einen anderen Vertrag kümmere. Man habe den betroffenen sozialen Einrichtungen bereits „andere Tarife angeboten“, so Knauber.

Tatsächlich habe es ein Angebot gegeben, sagt Borutta, doch inzwischen sei dieses nicht mehr abrufbar. „Wir sind seit Monaten auf der Suche nach einem neuen Vertrag, doch nun kann die Gasag uns nichts anbieten.“ Auch andere bezahlbare Anbieter seien auf dem Markt derzeit nicht zu finden.

Stefan Strauß von der Senatssozialverwaltung schrieb der taz, Berlin habe „keinen direkten gesetzgeberischen Einfluss“ auf die Tarifgestaltung der Gasag – und könne deshalb nicht regulierend eingreifen. Einen Weg, wie das wieder möglich werden könnte, hat allerdings Kultursenator Klaus Lederer (Linke) am Dienstag ins Gespräch gebracht. Während der Senatspressekonferenz schlug dieser vor, Energieunternehmen zu vergesellschaften. Wäre die Gasag in kommunaler Hand, könnte sie wohl auch Einfluss auf die Preispolitik nehmen.

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