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Boris Johnson im PorträtPremier der Skandale

Großbritanniens Premier Johnson hat seinen Rückzug angekündigt. Doch wer ist er überhaupt? Porträt eines Mannes, dem es vor allem um sich geht.

Im Herbst soll jetzt wirklich Schluss sein: Großbritanniens Noch-Premier Johnson Foto: Henry Nicholls/reuters

DUBLIN taz | Boris Johnsons Wahl zum britischen Premierminister im Juli 2019 sei ein „geschmackloser Witz“, sagte sein früherer Chef beim Daily Telegraph, Max Hastings, einmal. Johnson interessiere sich für nichts außer für sich selbst. Er sei „moralisch bankrott und hat für die Wahrheit nur Verachtung übrig“.

Diese Einschätzung erwies sich schon bald als korrekt. Johnsons letzte Lüge war wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Im Februar hatte er mit Christopher Pincher einen Vizefraktionsvorsitzenden ernannt, gegen den seit Jahren Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe erhoben wurden. Als dieser vorige Woche zurücktreten musste, log Johnson zunächst, dass er von den Anschuldigungen nichts gewusst habe. Später räumte er ein, dass die Ernennung Pinchers ein Fehler gewesen sei.

Boris Johnson wurde 1964 in New York geboren. Sein Urgroßvater Ali Kemal war 1919 Innenminister des Osmanischen Reiches und wurde 1922 ermordet, woraufhin sein Sohn, Johnsons Opa, nach London floh und den Namen Wilfred Johnson annahm.

Boris Johnson besuchte das Eliteinternat Eton und studierte danach an der Oxford University. Nach seinem Abschluss begann er ein Praktikum bei der Times, wurde aber wegen Fälschung eines Zitats entlassen. Später arbeitete er als Brüsseler Korrespondent beim Daily Telegraph und schrieb Berichte über alberne EU-Regeln, die er frei erfunden hatte.

2008 wurde Johnson Londoner Bürgermeister, bis er 2015 ins Unterhaus gewählt wurde. Nachdem er sich anfänglich gegen den Brexit ausgesprochen hatte, wurde er im Februar 2016 zum Anführer der Kampagne für den Austritt aus der EU. David Cameron musste nach dem Brexit als Premier zurücktreten, Johnson wurde Außenminister im Kabinett von Camerons Nachfolgerin Theresa May. Nach ihrem Sturz 2019 war Johnson endlich am Ziel: Er wurde Premierminister.

Alsbald reihte er einen Skandal an den anderen – wie die aufwendige Renovierung seiner Wohnung auf Staatskosten oder „Partygate“, als er während des Coronalockdowns an Feiern in seinem Amtssitz teilnahm und sich deshalb im Juni einem Misstrauensvotum stellen musste, das er noch knapp überstand.

Sein Vermächtnis ist die Vollendung des Brexit. An Heiligabend 2020, viereinhalb Jahre nach der Brexit-Abstimmung, schloss er mit der EU ein Handelsabkommen. Doch selbst das ist noch nicht in trockenen Tüchern.

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