+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Putin droht mit schweren Angriffen

In Kiew fallen russische Raketen. Wladimir Putin droht mit Vergeltung im Fall von Raketenlieferungen des Westens. Russland meldet zerstörte Panzer.

Porträt Wladimir Putin

Wladimir Putin während einer Videokonferenz des Obersten Eurasischen Wirtschaftsrates Foto: dpa

Papst ruft zu „echten Verhandlungen“ auf

Angesichts der seit hundert Tagen anhaltenden Kämpfe in der Ukraine hat Papst Franziskus erneut zu „echten Verhandlungen“ aufgerufen. „Bitte stürzen Sie die Menschheit nicht ins Verderben“, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Sonntag vor 25.000 Gläubigen in Rom. Er appelliere „an die Verantwortlichen der Nationen“, in dem Konflikt „echte Verhandlungen über einen Waffenstillstand und eine nachhaltige Lösung“ aufzunehmen.

„Auf der Menschheit lastet der Albtraum des Krieges“, sagte Franziskus vom Fenster des Apostolischen Palastes aus. „Völker, die sich bekämpfen, die sich gegenseitig umbringen, Menschen, die … aus ihren Häusern vertrieben werden.“

Wie schon bei früheren Aussagen zum Krieg in der Ukraine benannte der Papst weder Russland noch Präsident Wladimir Putin als Aggressoren. Nach Angaben aus dem Vatikan will er sich damit Möglichkeiten für eine Vermittlerrolle offenhalten. (afp)

Putin warnt vor Lieferung von Raketen mit hoher Reichweite

Russlands Präsident Wladimir Putin hat für den Fall einer Lieferung westlicher Raketen mit hoher Reichweite an die Ukraine mit schweren Angriffen auf das Land gedroht. „Wenn sie liefern, dann werden wir daraus die entsprechenden Schlüsse ziehen und unsere Mittel der Vernichtung, von denen wir genug haben, einsetzen, um jenen Objekten Schläge zu versetzen, die wir bisher nicht angreifen“, sagte Putin in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des Staatsfernsehsenders Rossija 1. Ziel der westlichen Waffenlieferungen sei es, den Konflikt in der Ukraine möglichst in die Länge zu ziehen, meinte er.

Gelassen zeigte sich der Kremlchef allerdings mit Blick auf die von den USA angekündigte Lieferung hochmoderner Mehrfachraketenwerfer vom Typ „Himars“. Für die Ukraine ändere sich damit nichts Grundsätzliches an der Verteilung der Kräfte. „Hier gibt es nichts Neues“, sagte Putin. Schon jetzt hätten die ukrainischen Streitkräfte solche Systeme russischer Produktion im Einsatz, die US-Lieferungen würden vielmehr zerstörte Waffen ersetzen.

Gleichwohl sei hier entscheidend, welche Raketen eingesetzt würden. Nach allem, was zu hören sei, wollten die Amerikaner Raketen mit einer Reichweite zwischen 45 und 70 Kilometern liefern. Das sei in etwa das, was die bisherigen Raketen vom Typ „Uragan“, „Smertsch“ und „Grad“ leisteten, sagte Putin. Die Ukraine habe zu Beginn des Krieges, den Putin nur „Spezialoperation“ nennt, 515 solcher Systeme gehabt. Der Kremlchef geht davon aus, dass die Ukraine derzeit noch 360 von ihnen im Einsatz hat.

Das Bild sei ähnlich bei der von der Ukraine im Westen bestellten Artillerie. „Allem Anschein nach geht es hier auch darum, das Verlorene, das bei den Kampfhandlungen Vernichtete auszugleichen“, sagte der russische Staatschef. Zudem habe die russische Luftabwehr inzwischen den Großteil der Kampfdrohnen in der Ukraine zerstört. „Unsere Luftabwehrsysteme knacken sie wie Nüsse.“ (dpa)

Russland meldet Zerstörung vom Westen gelieferter Panzer

Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte am Sonntag auf Telegram, es seien hochpräzise Langstrecken-Luft-Boden-Raketen zum Einsatz gekommen. Mit den Angriffen am Rand von Kiew seien Panzer des Typs T-72 zerstört worden, die von osteuropäischen Ländern geliefert worden seien, sowie weitere gepanzerte Fahrzeuge. Sie hätten sich in Gebäuden einer Autoreparatur befunden, hieß es. (ap)

Ukraine geht in Sjewjerodonezk zum Gegenangriff über

Ukrainische Truppen sind nach britischen Erkenntnissen in der umkämpften Stadt Sjewjerodonezk zuletzt zum Gegenangriff übergegangen. Damit hätten sie vermutlich die operative Dynamik geschwächt, die die russischen Streitkräfte zuvor mit einer Konzentration ihrer Einheiten und Feuerkraft gewonnen hatten, teilte das Verteidigungsministerium in London am Sonntag mit.

Bei den eingesetzten russischen Kräften handele es sich auch um Reserven der selbst ernannten „Volksrepublik Luhansk“, hieß es. Diese Truppen seien schlecht ausgerüstet und trainiert, ihnen fehle im Vergleich zu regulären Einheiten schwere Ausrüstung.

Der Einsatz von Hilfstruppen, die Städte vom Gegner räumen sollen, sei eine Taktik, die Russland bereits in Syrien angewendet habe, hieß es vom Ministerium weiter. Dieser Ansatz entstehe vermutlich aus dem Wunsch heraus, die Verluste der regulären russischen Streitkräfte zu begrenzen. (dpa)

Russische Raketen schlagen in Kiew ein

Mehrere russische Raketen sind am frühen Sonntagmorgen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingeschlagen. Dabei seien Ziele der Infrastruktur getroffen worden, sagte Bürgermeister Vitali Klitschko. Nähere Einzelheiten nannte er nicht. Berichte über Todesopfer lagen nicht vor, ein Mensch wurde mit Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht.

Zuletzt war es seit dem Besuch von UN-Generalsekretär António Guterres am 28. April in Kiew vergleichsweise ruhig geblieben. Die Raketen trafen laut Klitschko die Bezirke Darnyzki und Dniprowski der Stadt. Einsatzkräfte seien vor Ort, erklärte Klitschko auf Telegram. Zum Zeitpunkt des Angriffs ertönte in Kiew Luftalarm.

Im Bezirk Darnyzki im Osten der Hauptstadt stieg Rauch aus den verkohlten Trümmern eines Lagerhausartigen Gebäudes auf, Soldaten und Polizisten sperrten eine dorthin führende Hauptstraße ab. Soldaten sperrten außerdem eine Straße ab, die zu einem Güterbahnhof führt. (ap)

🐾 Statistik der Zerstörung

Tausende Wohnungen, Krankenhäuser und Schulen sind dem Krieg bereits zum Opfer gefallen. Ein Wiederaufbau könnte zehn Jahre dauern, berichtet Anastasia Magasowa für die taz.

Russland soll Phosphormunition eingesetzt haben

Im Osten der Ukraine setzten russische Truppen ihre Offensive mit Raketen- und Luftangriffen in der Region Luhansk fort. Gouverneur Serhij Hajdaj erklärte auf Telegram, Hubschrauber hätten Luftangriffe in den Gegenden Girske und Myrna Dolyna geflogen, Flugzeuge hätten Ustyniwka angegriffen. Die Stadt Lyssytschansk sei von einer Rakete getroffen worden. Dort seien fünf Häuser beschädigt worden, in Girske 13.

Ein weiterer Luftangriff wurde aus der Stadt Kramatorsk gemeldet. Todesopfer gab es nach Angaben von Bürgermeister Oleksandr Gontscharenko nicht, zwei Unternehmen der Stadt seien aber stark beschädigt worden.

Der ukrainische Generalstab beschuldigte Russland am Sonntagmorgen, in der Region Charkiw im Bereich des Dorfs Tscherkaski Tyschky Phosphormunition eingesetzt zu haben. Die Angabe konnte nicht unabhängig überprüft werden. Bestätigt wurden außerdem Angriffe auf Kiew. Zudem setzten russische Truppen ihre Angriffe in Sjewjerodonezk in der Region Luhansk fort, hieß es. Die Russen kontrollierten demnach aktuell den östlichen Teil der Stadt und versuchten, die ukrainischen Truppen einzukreisen und die wichtigsten logistischen Routen zu blockieren. (ap)

Selenski will Moskaus Rauswurf aus Unesco

Angesichts der massenhaften Vernichtung von kulturellem Erbe durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat deren Präsident Wolodimir Selenski mit Nachdruck den Ausschluss Moskaus aus der Unesco gefordert. „Die Unesco ist kein Platz für Barbaren“, sagte Selenski in seiner Videoansprache am Samstag in Kiew. Die russischen Truppen würden massenhaft Kulturdenkmäler, Kirchen und andere religiöse Stätten zerstören. Das sei Grund genug, das Land aus der Kultur- und Bildungsorganisation der Vereinten Nationen auszuschließen, sagte er.

113 Kirchen seien bereits zerstört oder beschädigt worden. Russland sei ein „Terrorstaat“, der mit seiner Artillerie das historische Erbe zerstöre. Schon Ende Mai hatte er den Ausschluss Russlands aus der Unesco verlangt. (dpa)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.