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Neuseeland auf dem Weg zur Fußball-WMAus dem Niemandsland zum Hot Spot

Außenseiter Neuseeland könnte sich am Dienstag im Spiel gegen Costa Rica für die Fußball-WM in Katar qualifizieren. Gruppengegner wäre Deutschland.

Seltener Arbeitseinsatz: Oft konnte Danny Hay in der Pandemiezeit sein Team nicht betreuen

Der Lärm, sagte Danny Hay, es war vor allem der Lärm: „Wir konnten uns ja gar nicht austauschen!“. Hay ist Fußball-Nationaltrainer von Neuseeland, und er wirkte immer noch ziemlich geflasht. Hinter ihm lag ein Testspiel gegen Peru vor über 30.000 Lateinamerikanern in Barcelona. „Wir haben eine verdammte Menge gelernt“, sagte Hay. Lärm, Wettbewerb – der Fußball: Wie sehr hatte ihnen das alles gefehlt.

Nach dem Match gegen Peru ging es für die Neuseeländer weiter nach Katar, wo sie Dienstag gegen Costa Rica den letzten der 32 WM-Teilnehmer ausspielen. Konkret geht es um einen Platz in der Gruppe E mit Deutschland und Spanien. „Wer den Fußball liebt, kann da nur Vorfreude und Begeisterung fühlen“, so Hay über mögliche Duelle mit den Champions von 2014 und 2010. „Wir sind ja nicht gerade das größte Land der Erde und so weit weg von den Hotspots des Fußballs. Für uns wäre das eine Riesensache.“

Zumal eben angesichts des Zwangsentzugs, der hinter ihnen liegt. Ein strenger Corona-Lockdown machte das sowieso schon periphere Neuseeland zum wahren Fußball-Niemandsland. Zwischen November 2019 und Oktober 2021 habe er seine Nationalspieler nicht ein Mal beisammengehabt, berichtet Hay. Die Qualifikation der Ozeanien-Gruppe sollte 2020 beginnen, wurde aber mehrfach verschoben und erst im März 2022 als Kurzturnier in Katar ausgespielt. Wenn die „All Whites“ im September den Nachbarn Australien empfangen, werden sie zum ersten Mal überhaupt seit November 2017 vor eigenem Publikum auftreten.

Dann soll auch ihr Zuschauerrekord von 37.000 Menschen wackeln, derweil es nicht mal 100.000 registrierte Fußballer in Neuseeland gibt und die Nationalelf auf dem 101. Platz der Weltrangliste geführt wird – Gegner Costa Rica belegt Rang 31, alle bisher qualifizierten WM-Teams zumindest einen der ersten 60. Wer noch einen Beleg für die Underdog-Rolle braucht: Kapitän Winston Reid ist seit einem Jahr vereinslos.

Etablierter Premier-League-Stürmer

Und doch: Man kann sich in den Neuseeländern auch täuschen. Die Weltranglistenposition schuldet sich auch der langen Spielpause, und für jeden Reid gibt es einen Chris Wood, etablierter Premier-League-Stürmer, für den das neureiche Newcastle United stolze 30 Millionen Euro Ablöse an den FC Burnley zahlte.

Dazu kommen Talente, die Kenner schon von der vielleicht besten Generation in Neuseelands Geschichte schwärmen lassen. Linksverteidiger Liberato Cacace (21, Empoli) spielt regelmäßig in der Serie A. Und Mittelfeldstratege Joe Bell (23, Bröndby Kopenhagen) zeigte im Espanyol-Stadion gegen Peru ein so kluges Kurzpassspiel, als wäre er nebenan in der Akademie des FC Barcelona ausgebildet worden.

Wie viel Peripherie auch immer: Der Fußball wächst zusammen, und auch Neuseeland versucht es mit gepflegtem Spielaufbau von hinten raus statt simplem Kick and Rush. Gegen Peru kombinieren sich die „All Whites“ in ihren besten Szenen fast so elegant nach vorn wie die mythischen „All Blacks“, Neuseelands Rugby-Mannschaft und große Liebe.

Am Ende stand zwar eine 0:1-Niederlage gegen den Weltranglisten-22 nach einem Torwartfehler, aber auch Hays Erkenntnis, dass seine Mannschaft mithalten konnte. Heute in Katar dürfte die Kulisse nicht so einschüchternd werden, das ebenfalls kleine Costa Rica bewegt nicht solche Fanmassen wie Peru. Und an die Temperaturen von 40 Grad sollte man sich durch die zeitige Anreise auch gewöhnt haben.

Als die Neuseeländer letztmals das interkontinentale Playoff überstanden und es 2010 zur zweiten WM-Teilnahme ihrer Geschichte schafften, lösten sie nicht nur eine vorübergehende Fußball-Euphorie aus, die viele der heutigen Nationalspieler inspirierte – sondern verließen die Endrunde nach drei Remis gegen die Slowakei, Paraguay und Titelverteidiger Italien als einziger aller 32 Teilnehmer ungeschlagen.

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