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Kino-Drama um zwei ukrainische FlüchtendeOhnmacht und Trauer

Der Film „Rivale“ macht das Schicksal einer alleinerziehenden ukrainischen Geflüchteten und ihres Sohnes zum packenden Kammerspiel.

Allein im deutschen Wald: Roman (Yelizar Nazarenko) Foto: Drop-Out Cinema

Worte sind Brücken. Aber der neunjährige Roman (Yelizar Nazarenko), der nach dem Tod seiner Oma aus einem ukrainischen Dorf nach Deutschland, zu seiner Mutter Oksana (Maria Bruni) geschickt wird, hat diese Brücken abgerissen. Und findet keine Worte mehr: Im fremden Land, wo die Mutter schwarz im Haushalt des Diabetikers Gert Schwarz (Udo Samel) arbeitet, kann Roman sich mit niemandem außer ihr verständigen, die beiden müssen sich – aus Angst vor Ausweisung – in der Öffentlichkeit unsichtbar machen.

Obwohl vor dem Krieg entstanden, thematisiert der Film akute Probleme

Die schwierige Kommunikation mit Gert gerät noch mehr ins Stocken, als der Junge begreift, dass der über 60-Jährige in Oksana mehr als eine Haushaltshilfe sieht: Nachdem sie seine vor Monaten verstorbene Frau gepflegt hatte, bemüht Gert sich nun um eine intime Beziehung mit der jungen Ukrainerin. Romans Eifersucht wächst in eine massive Angst, als seine Mutter ins Krankenhaus muss und Gert mit ihm in eine kleine Datsche fährt …

Kommunikation als Problem

„Rivale“ hat sich mehrere Themen aufgeladen: Eine Mutter-Kind-Beziehung, die durch eine vermeintliche Rivalität beschwert wird; monetäre Zwänge, Ohnmacht und Abhängigkeiten bei illegal Beschäftigen; und Isolation, die durch die Kommunikationslosigkeit verdeutlicht wird. Nah am hervorragenden kindlichen Hauptdarsteller erzählt Regisseur Marcus Lenz, der das Drehbuch zusammen mit Lars Hubrich schrieb, von der Einsamkeit, die man ohne Sprache empfindet, und von schnell entstehenden Missverständnissen in Bezug auf Bedeutungen und Rituale.

Der Film

„Rivale“. Regie: Marcus Lenz. Mit Maria Bruni, Yelizar Nazarenko u. a. Deutschland/Ukraine 2020, 96 Min.

Wenn Gert etwa seinen Nachnamen „Schwarz“ erklären möchte, und sein schwarzes Portemonnaie herausholt, speichert Roman das deutsche Wort „Schwarz“ für „Geldbörse“ ab. Und wenn Gert an Romans erstem Tag in Deutschland wie selbstverständlich nach dem Mittagessen den Teller sauberwischt, ihn umdreht und sich den Nachtisch auf der Unterseite kredenzen lässt, dann ist das die feine Beobachtung einer merkwürdigen Angewohnheit, die man bestimmt als niedlich abtun könnte – wenn man nur die gleiche Sprache hätte.

Die (deutschen) Zuschauenden haben somit gegenüber Roman den Vorteil, dass sie Gert verstehen, ihn schnell als zwar mit Kindern unerfahrenen, aber nicht grundlegend gemeinen Menschen erkennen – er scheint einfach ein penibler deutscher Knochen zu sein, dessen Behördenangst zuweilen groteske Züge annimmt und dessen altmodisches Erziehungsverständnis psychologisch fragwürdig, aber nicht böswillig ist.

Einzig verlässliche Figur

Auf der anderen Seite ist er fast die einzige verlässliche Figur in Romans immer kleiner werdendem Universum. Denn die Menschen, die ihn nach dem Tod der Großmutter auf die lange, beschwerliche und illegale Lkw-Schleusertour schickten, oder auch seine überforderte, zuweilen kindlich wirkende Mutter Oksana sind ebenfalls keine Anker für den schmalen Jungen.

Mithilfe einer sensiblen, konzentrierten Kamera (Frank Amann) übersetzt Lenz die Sprachlosigkeit des Jungen in luzide Bilder und scheut sich nicht vor Traumsequenzen, die Romans wilde Fantasie illustrieren. Und obwohl der Film bereits vor dem russischen Angriffskrieg entstanden ist, nimmt er die (schon lange akuten) Themen Flucht, Zwang und Fremdheit auf – auch in diesem Moment gibt es viele ukrainische Mütter mit Kindern, die sich in einer unverständlichen Umgebung zurechtfinden, überleben müssen.

Durch die traurige Aktualität des Settings treten zudem einige dramaturgische Schwächen des Films in den Hintergrund. Denn in seiner zweiten Hälfte dreht sich „Rivale“ etwas im Kreis und versteift sich auf ein leicht gekünstelt wirkendes psychologisches Datschen-Kammerspiel zwischen Roman und Gert, ohne wirklich an der Geschichte zu bleiben.

Der nachvollziehbare Wunsch, in Bildern zu erzählen, geht trotz Nazarenkos ausdrucksstarkem Gesicht nicht immer auf, in seiner Verstocktheit spiegelt sich manchmal zu stark das Drehbuch. Gerts Tollpatschigkeit und Unbeholfenheit in Bezug auf die Auseinandersetzung mit seinem möglichen Stiefsohn sind dagegen ab und an etwas zu deutlich inszeniert.

Würde ein erwachsener Mensch, der im Alltag ein Smartphone benutzt, tatsächlich nicht auf die Idee kommen, seine Worte mit digitaler Hilfe übersetzen zu lassen? Und geht die Angst vor einer Steueranzeige wegen Schwarzarbeit so weit, dass man einen kleinen Jungen einsperrt – obwohl man kein Psychopath ist?

Nichtsdestotrotz sind die Sujets, die „Rivale“ berührt, echt und dringlich: Das Problem illegal arbeitender Pflegekräfte, deren vermaledeite und abhängige Finanzsituation die Möglichkeiten raubt, soziale Gerechtigkeit zu fordern, ist genauso real wie die Schwierigkeiten eines isolierten, vorpubertären Jungen, einen komischen fremden Mann als Ersatzvaterfigur zu akzeptieren. „Rivale“ ist somit kein Kommentar zu einem konkreten, arbeitsrechtlichen Fall in den deutsch-ukrainischen Beziehungen. Doch er zeigt eindringlich, welche ­Tiefen es in Beziehungen noch geben könnte.

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