Inflation bremst Kitaplatzausbau: Kitas dürfen nur ein bisschen wachsen

Für den Kitaplatzausbau stellt Rot-Grün-Rot 15 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Das sei angesichts der Inflation zu wenig, fürchten Ex­per­t*in­nen.

Volles Haus: In Berliner Kitas bleibt selten ein Haken an der Kita-Garderobe frei Foto: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

BERLIN taz | In letzter Minute gibt es nun doch noch mehr Geld für den Kitaplatzausbau in den kommenden Jahren. Im Abgeordnetenhaus hat man dennoch weitere Fragen an den rot-grün-roten Senat: „Was wird benötigt?“ für eine sinnvolle Kita-Planung, wollen die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen wissen; am Donnerstag ist dazu eine Anhörung im Bildungsausschuss geplant.

15 Millionen Euro zusätzlich für den Kita-Ausbau in 2022/23 hatten die Fraktionsspitzen von Rot-Grün-Rot nachverhandelt – 5 Millionen Euro sollen in 2022 fließen, 10 Millionen in 2023. Insgesamt stünden dann 71 Millionen Euro für den Kitaplatzausbau bereit.

Das klingt erst mal viel. Doch Ex­per­t*in­nen bezweifeln, ob das Geld mehr ist als eine Art Inflationsausgleich bei den derzeit – auch dem Ukraine-Krieg geschuldeten – stark steigenden Kosten für Baumaterial. „Mit dem zusätzlichen Geld können wir vielleicht das Ausbauniveau halten“, sagt Martin Hoyer, stellvertretender Geschäftsführer beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin, einem der großen Trägerverbände in der Berliner Kita-Landschaft. „Aber das Niveau nur zu halten, das reicht ja nicht.“

Tatsächlich schiebt Berlin schon jetzt ein – je nach Region unterschiedlich ausgeprägtes – Versorgungsdefizit vor sich her. Zwar standen laut Bildungsverwaltung 172.100 abgeschlossenen Kita-Verträgen am Stichtag 31. Dezember 2021 ein rein rechnerisches Angebot von 182.400 Plätzen, inklusive Tagespflege, entgegen. Doch dieser vermeintliche Platzpuffer existiert für viele Familien nur auf dem Papier: Ein freier Kita-Platz in Treptow-Köpenick nutze der Familie in Spandau ja nichts, sagt Hoyer.

Am 23. Mai hatten die Spitzen der rot-grün-roten Koalition den endgültigen Haushaltsentwurf für die Jahre 2022/23 vorgestellt. Dank unerwartet positiver Steuerschätzungen gab es noch mal mehr Budget – unter anderem 15 Millionen Euro für den U-Bahn-Ausbau, 3,5 Millionen Euro für die umstrittene Kotti-Polizeiwache und 200 Millionen für die Schulbauoffensive. 380 Millionen fließen in eine Energierücklage wegen des Ukrainekriegs. Zuvor war in den Fachausschüssen wochenlang um Details gerungen worden. Am 23. Juni soll das Parlament den Haushalt beschließen. (taz)

Der jüngste Kita-Förderatlas der Bildungsverwaltung weist insbesondere für Regionen außerhalb des S-Bahnrings, in Spandau und Marzahn-Hellersdorf, eine angespannte Versorgungslage aus: Keine Platzreserven bei perspektivisch steigendem Bedarf, heißt es da. Zugleich ist in Spandau, wie etwa auch in Reinickendorf, der Versorgungsgrad an Kitaplätzen mit unter 70 Prozent – jeweils gerechnet auf die Ein­woh­ne­r*in­nen­zahl im Kitaalter –unterdurchschnittlich. Zum Vergleich: In Pankow liegt der Versorgungsgrad bei knapp 90 Prozent.

Für Hoyer ist das nicht überraschend. Die Ausbau-Priorität habe in den letzten Jahren eher auf Gebieten wie Mitte und Prenzlauer Berg gelegen. Zudem werde die Verdrängung von einkommensschwächeren Familien in die Außenstädte sichtbar – und nicht zuletzt seien eben dort in den letzten Jahren große Neubauquartiere entstanden.

„Ich bin erstmal froh, dass es mehr Geld gibt“, sagt Marianne Burkert-Eulitz, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Allerdings relativiere sich die Summe – weil man angesichts der Inflationsrate von knapp 8 Prozent kaum sagen könne, ob das Geld überhaupt für die ursprünglich einmal festgesetzten Ausbaubedarfe reicht. Laut Bildungsverwaltung müssen 8.000 Plätze bis 2026 geschaffen werden.

Die geflüchteten Kinder aus der Ukraine sind da aber noch nicht mit einberechnet. Offiziell geht die Bildungsverwaltung von rund 2.000 geflüchteten Kindern aus, die Kita-Plätze brauchen. Senatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) hatte versprochen, kurzfristig Plätze „im Bestand“ zur aktivieren, die aus unterschiedlichen Gründen (oft Personal- oder bauliche Mängel) nicht angeboten werden. Hoyer vom Paritätischen fürchtet, dass die Kitas mittelfristig schlicht voller werden – also ein Minus bei der Betreuungsqualität in Kauf genommen wird. Zumal laut einer Antwort der Bildungsverwaltung ans Abgeordnetenhaus schon der Ausbau in den letzten zwei Jahren hinterherhinkte: Statt der anvisierten 7.300 Plätze wurden nur rund 5.700 Plätze über das Landesprogramm gefördert.

Den größte Hemmschuh für den dringend nötigen Platzausbau sehen Trägerverbände vor allem hier: Die Landeszuschüsse für einen neu geschaffenen Kitaplatz sind bei 30.000 Euro gedeckelt. Das sei nicht mehr realistisch, wenn man sich den aktuellen Baupreisindex angucke, sagt Hoyer. Tatsächlich weiß das auch die Bildungsverwaltung: Bereits 2021 lagen die durchschnittlichen Kosten für einen neu geschaffenen Kitaplatz bei 35.000 Euro. Das geht aus einer Antwort der Verwaltung an den Bildungsausschuss hervor.

Hoyer fürchtet, dass der Ausbau-Elan der Träger so eher noch abnehmen dürfte: „Wenn die Fördergrenzen nicht deutlich erhöht werden oder zumindest eine Öffnung bei der Preisentwicklung besteht, werden Träger kaum das Risiko eingehen können.“ Allerdings müsste man, setzte man die Fördergrenzen hoch, auch die Zahl der Kitaplätze reduzieren, die geschaffen werden können. Und das kann man sich angesichts des Ausbaubedarfs wohl schlicht nicht leisten.

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