Hapag-Lloyd-Einstieg bei Jade-Weser-Port: Reederei wird Hafen
Die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd darf sich am Jade-Weser-Port beteiligten. Langfristig dürfte das zu Lasten der Häfen in Bremen und Hamburg gehen.
Mit dem Kauf von Anteilen am CTW fährt die größte deutsche Reederei weiter auf Expansionskurs. So hat Hapag-Lloyd vor wenigen Tagen angekündigt, seine gesamte Flotte mit „Echtzeit-Tracking“ auszustatten. Dazu werden neu entwickelte Geräte an drei Millionen Container installiert. „In Zukunft werden wir in der Lage sein, allen unseren Kunden Daten in Echtzeit zur Verfügung zu stellen und ihnen damit volle Transparenz über alle Containerbewegungen weltweit zu bieten“, erklärte Vorstand Maximilian Rothkopf.
Dabei schwimmt Hapag-Lloyd im Geld. Nach vielen Jahren mit kleinen Gewinnen und sogar Verlusten überraschte der niederländische Vorstandsvorsitzende Rolf Habben Jansen im März mit einem Rekordgewinn von 10,8 Milliarden US-Dollar (9,1 Milliarden Euro). Angesichts des Nach-Corona-Booms in der Weltwirtschaft, knappen Schiffraums und coronabedingten Staus vor Los Angeles oder Shanghai konnten Reedereien zuletzt ihre Frachtraten mindestens verdoppeln – infolge sehr starker Nachfrage nach Exportgütern aus Asien waren die Zuwächse noch deutlich höher.
Solche Gewinnexplosion ruft Kritiker auf den Plan. Wilhelm van der Schalk, Vize-Vorsitzender der Hamburger Spediteure, kritisierte, dass Reedereien Verträge kündigen würden. Sie würden mit ihren immensen Gewinnen Speditionen aufkaufen und Kunden mit Extra-Gebühren abstrafen. Hapag-Lloyd gilt in der Branche allerdings eher als „Weißer Ritter“, der bei seinem Haus-zu-Haus-Service auch auf kleine Speditionen in aller Welt angewiesen ist.
Allianzen der weltgrößten Reedereien
Politisch motiviert dürfte hingegen der Vorstoß des US-Kongresses sein. In Schreiben an europäische Reedereien – die den Weltmarkt zusammen mit Cosco dominieren – werden diese verdächtigt, „übermäßige Profite“ zulasten der amerikanischen Wirtschaft erzielt zu haben.
Ähnliche Untersuchungen sollen unter anderem von Kartellbehörden in Südkorea eingeleitet worden sein.
Die weltgrößten Reedereien haben sich in drei Allianzen organisiert, die an die 90 Prozent des weltweiten Containervolumens kontrollierten. Erst kürzlich hat die EU-Kommission die sogenannte Gruppenfreistellungsverordnung für die Konsortien um vier Jahre verlängert, sodass die Privilegien bestehen bleiben.
Der Hamburger Senat war 2008 und 2012 zusammen mit Partnern wie Logistikmilliardär Klaus-Michael Kühne (30 Prozent) bei Hapag-Lloyd eingestiegen, um das Unternehmen an der Binnenalster zu halten. Rund 1,2 Milliarden Euro hat die Stadt insgesamt für die Aktien bezahlt. Aktuell wird das Paket von 13,9 Prozent an der Börse mit 9,4 Milliarden Euro notiert. Die Oppositionsparteien FDP und CDU fordern Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) auf, nun Kasse zu machen.
Der lehnte einen Ausstieg bislang kategorisch ab und darf sich über eine Dividende von über 800 Millionen Euro freuen, die Hapag-Lloyd nicht direkt an die Staatskasse, sondern an die Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement (HGV) überweisen wird, der städtischen Firmenholding.
Volle Auslastung erwartet
Daher verpuffte die schriftliche Kleine Anfrage des CDU-Finanzexperten Thilo Kleibauer, was der Senat mit der üppigen Dividende vorhabe. „Der Senat sieht in ständiger Praxis grundsätzlich davon ab, hierzu Zwischenstände zu veröffentlichen, um der Arbeit der hierzu berufenen Organe nicht vorzugreifen“, lautete die Antwort. Tatsächlich wird die Hapag-Lloyd-Dividende dann erst kommendes Jahr im HGV-Jahresabschluss für das laufende Jahr auftauchen.
Für Wilhelmshaven ist die Hapag-Beteiligung eine gute Nachricht, zeigt sich der Bremer Ökonom Rudolf Hickel auf taz-Anfrage überzeugt. Mittelfristig erwartet der maritime Logistikexperte eine volle Auslastung dieses einzigen Tiefseewasserhafens in Deutschland. Wilhelmshaven stehe jetzt im regionalen Fahrplan des Reederkonsortiums „The Alliance“. Noch im Mai soll der „Sprinterservice“ aus Südchina den Jade-Weser-Hafen ansteuern. „Dieser Tiefseewasserhafen hat trotz der aktuellen Verschlickungsprobleme auch ökologisch eine Zukunft“, sagt Hickel. Allerdings zu Lasten von Bremerhaven und Hamburg.
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