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Neue Sanktionen gegen RusslandEU berät über Öl-Embargo

Deutschland spricht sich für ein Importverbot aus, Ungarn könnte eine Entscheidung hinauszögern. Auch die USA warnen vor vorschnellen Entscheidungen.

Für Deutschland sei ein Ölembargo „tragbar“, meint Wirtschaftsminister Robert Habeck Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Brüssel taz | Die EU bereitet neue Sanktionen gegen Russland vor. Bei einem Krisentreffen in Brüssel diskutierten die 27 EU-Energieminister am Montag über ein mögliches Embargo auf russisches Öl. Das Importverbot könnte noch in dieser Woche auf den Weg gebracht werden und bis zum Jahresende greifen. Allerdings sind noch wichtige Fragen offen.

Eine Einigung gebe es noch nicht, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Montag. Für Deutschland sei ein Ölembargo zwar „tragbar“, so der Grünen-Politiker, man habe „große Schritte nach vorne“ gemacht. Andere EU-Länder seien aber noch nicht so weit. Außerdem müsse man die Folgen eines Lieferstopps mitdenken und abfedern.

Nach Angaben der Bundesregierung ist der Anteil russischen Öls am deutschen Ölverbrauch seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine von 35 auf 12 Prozent gesunken. Dennoch könne es zu Problemen kommen, so Habeck. In einigen Regionen sei mit einem „zeitlichen Ausfall“ der Lieferungen zu rechnen, außerdem seien „Preissprünge“ zu erwarten.

Diese Preissprünge machen auch anderen EU-Ländern Sorgen. So haben Griechenland und Italien schon jetzt große Probleme mit den explodierenden Energiekosten. Ungarn und die Slowakei sind zudem von russischem Öl abhängig und können nicht von heute auf morgen auf Importe verzichten. Ungarn hat deshalb sogar ein Veto angekündigt.

Der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyás sagte am Sonntagabend im regierungsnahen Fernsehsender Hir TV: „Um es klar und deutlich zu sagen: Wir werden Sanktionen (bei Öl und Gas) niemals unterstützen.“ Für eine Umstellung bräuchte es fünf Jahre und „Unmengen von Geld“, so Gulyas. Dies wolle Brüssel aber nicht herausgeben.

Beim Öl könnte Putin empfindlich reagieren und Deutschland den Gashahn zudrehen

Die EU-Kommission hält hohe Millionenbeträge aus dem Corona-Aufbaufonds zurück, weil sie Ungarn mehrere Verstöße gegen den Rechtsstaat vorwirft. Die Brüsseler Behörde ist zugleich aber federführend bei der Ausarbeitung der Sanktionen. Sie arbeitet unter Hochdruck an einem Ölembargo, bis Mittwoch soll ein Entwurf stehen.

Ob es dann auch schnell zu einem Beschluss kommt, ist je-doch unklar. Denn nicht nur Ungarn steht auf der Bremse. Auch die USA, die sonst möglichst harte Sanktionen fordern, haben vor unüberlegten Schritten gewarnt. Ein schlecht gemachtes europäisches Embargo könne weltweite Auswirkungen haben, fürchtet Notenbankchefin Janet Yellen.

Sie sorgt sich nicht nur um hohe Spritpreise, die bei den Midterm-Wahlen im Herbst zum Problem werden könnten. Am Ende könnte sogar Kremlchef Wladimir Putin profitieren, heißt es in Washington. Höhere Ölpreise bedeuten nämlich auch höhere Einnahmen für Russland – jedenfalls dann, wenn es sein Öl außerhalb Europas losschlagen kann.

Die USA, aber auch die EU versuchen deshalb, Indien und andere Länder von einem Kauf russischen Öls abzuhalten. Zwischen der EU-Kommission in Brüssel und dem Weißen Haus in Washington laufen derweil die Drähte heiß. Björn Seibert, der Kabinettschef von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, wirbt für „klug ausgestaltete Sanktionen, die negative Auswirkungen auf globale Märkte vermeiden“.

Polen und Bulgarien sind schon abgeklemmt

Unklar ist auch, wie Putin auf ein Ölembargo antworten würde. Bisher haben ihn die fünf EU-Sanktionspakete nicht daran gehindert, seinen Angriffskrieg fortzuführen. Beim Öl könnte er jedoch empfindlich reagieren – und Deutschland den Gashahn zudrehen. In der vergangenen Woche hatte der russische Gasversorger Gazprom bereits Polen und Bulgarien von der Versorgung abgeklemmt.

Die Bundesregierung will sich davon aber nicht abschrecken lassen. Anders als bei früheren Strafmaßnahmen steht sie diesmal nicht auf der Bremse, im Gegenteil: „Wir werben auch innerhalb der EU dafür, jetzt den Ölausstieg als Europa gemeinsam zu gehen“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock in der ARD-Sendung „Anne Will“.

Ein solches Embargo soll so vorbereitet werden, dass dieses auch über mehrere Jahre durchgehalten werden könne, so Baerbock. Damit wolle man verhindern, dass Russland erneut einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führen könne. Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) zieht diesmal mit, wie er am Montag in Berlin verkündete. Ein Öl-Embargo halte er mittlerweile für „ökonomisch tragfähig“.

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7 Kommentare

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  • 8G
    83635 (Profil gelöscht)

    Beim Öl kann Deutschland also sollen alle folgen. Beim Gas kann Deutschland nicht also sollen alle warten! Ne, das ist kein Führungsstil! Da kann man nur allen EU Mitgliedsstaaten raten nicht mit u machen!

  • Mich hat ja schon gewundert, wie offensiv die Regierung Scholz plötzlich wurde. Jetzt lese ich, dass ein Ölembargo, falls es auf europäischer Ebene überhaupt durchkommt, noch reichlich dauern würde. Das Embargo macht aber natürlich hauptsächlich dann Sinn, wenn sich die EU einig ist. Andernfalls drohen Spaltung und Wirkungslosigkeit. Ohnehin braucht es bei der Energiesicherheit mehr europäische Solidarität, dass Deutschland erst bremst und jetzt beschleunigt, also erkennbar nach seinen eigenen Interessen und Fähigkeiten agiert, ist dabei mehr als schlechter Geschmack. Länder wie Ungarn ins Boot zu kriegen wird viel Geld kosten. Von daher sollte man an dieser Stelle eher langfristig denken. Natürlich aber darf Deutschland ruhig ein Zeichen setzen und schon mal ein eigenes Embargo aussprechen. Als politisches Signal wäre das eine Menge wert. Fraglich aber, ob ein Scholz sich das traut, sicher sogar, dass es in Autodeutschland dafür keine Mehrheit in der Bevölkerung geben würde. Hauptsache jedenfalls keine Lügen! Sich nicht hinter andwren Ländern verstecken, nicht so tun als wolle man ja, könne aber nicht. Das ist nur destruktive Trickserei.

  • "Nach Angaben der Bundesregierung ist der Anteil russischen Öls am deutschen Ölverbrauch seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine von 35 auf 12 Prozent gesunken."

    Und auch bei der hundertsten Wiederholung dieser "Erfolgsstory" hat es noch kein Journalist geschafft sich zu erkundigen, wo der Rest denn jetzt herkommen soll...



    Per Schiff transportiertes russisches Öl in Danzig in deiselbe Pipeine zu kippen, aus der man es vorher direkt bezog, verringert keine Abhängigkeit von Russland.



    Und solange sich weltweit Verbrauch und Förderung nicht ändern, ist die einzige Folge solcher, von weiten Teilen der Welt nicht mitgetragenen, Embargos, ein Ansteig überflüffig langer und ökologisch wie ökonomisch schwachsinniger Transportwege. Mehr russisches Öl nach Indien und Ostasien, mehr saudisches Menschenrechtsöl nach Europa (nein, von Norwegen gibt's nicht mehr, auch wenn das immer wieder gerne als politisch korrekte Alternative gebracht wird)...

  • Die EU schwächt sich durch solche Debatten nur selbst. Sie hat keinerlei Kompetenzen für die Energieversorgung. Daher sollte so ein Embargo auch nicht im Zusammenhang mit der EU diskutiert werden.

    • @DiMa:

      Unsinn. Selbstverständlich hat die EU Kompetenzen auf dem Gebiet der Energieversorgung. Es gibt eine Generaldirektion Energieund eine entsprechende Kommissarin für Energie mit Zuständigkeiten u.a. für Energiepolitik, für den Energiebinnenmarkt etc. Selbstverständlich geht es bei dem möglichen Embargo aber nicht nur um die Energieversorgung, sondern auch um Sicherheitpolitik und die ist natürlich als gemeinschaftliche Politik deutlich wirkungsvoller, als das uneinheitliche Handeln einzelner Staaten. Die EU schwächt sich so auch nicht, sondern wird stärker, jedenfalls dann, wenn sie zu einer gemeinsamen Politik kommt.

      • @Benedikt Bräutigam:

        Es mag zwar eine Kommissarin für diesen Bereich geben, das bedeutet jedoch nicht, dass die EU hierdurch auch zuständig wird. Die Zuständigkeiten regelt allein der Vertrag von Lissabon und bei dessen Unterzeichnung wollten sich vor allem Italien, Frankreich, Großbritannien, Niederland und Deutschland nicht die Versorgung vorschreiben lassen. Also blieb die Energieversorgung ausdrücklich außen vor.

        Im Übrigen fällt auch die Sicherheitspolitik nicht in die Zuständigkeit der EU.

        Die EU ist halt nur ein Wirtschaftsverein. Da können die vielen Kommissare (einer für jedes Land) mit ihren vielen schönen Titeln auch nicht darüber hinwegtäuschen.

        Auch was wirkungsvoller erscheinen mag und was nicht führt noch nicht zu einer Kompetenzverschiebung.

  • Bravo Herr Habeck; Hausaufgaben gemacht um endlich Handlungsfähig zu sein, Gratulation. Da könnte sich die Union, die FDP und die SPD ein Beispiel nehmen und endlich die jeweiligen Bremsen abstellen; Tempolimit; 10H-Regel, Gerhard Schröder.