Umsetzung der Verkehrswende in Berlin: Es wird eng für Bus und Bahn
In der Schönhauser Allee dürfen sich RadlerInnen freuen, ÖPNV-NutzerInnen eher weniger. Das ist kein Einzelfall. Ein Wochenkommentar.
M an will ja nicht immer den Spaßverderber spielen, wenn es um wichtige Projekte wie die Verkehrswende geht. Aber genau hinschauen muss man eben doch, und drohende Probleme einfach frisch wegzuschweigen, dient der Sache auf Dauer nicht.
Am Montag stellte Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) die abgeschlossene Vorplanung für die künftige Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg vor – um genau zu sein: für den eher überschaubaren, aber symbolträchtigen mittleren Abschnitt. Auf den dortigen Holperwegen stehen Pankows zahlreiche RadlerInnen oft im Stau, weshalb es für den Umbau nach Vorgaben des Berliner Mobilitätsgesetzes höchste Eisenbahn war.
Letztere freilich – nämlich die Tram mit ihren zahlreichen NutzerInnen – könnte nach der geplanten Fertigstellung im Frühjahr 2023 ein Problem bekommen. Denn die für Pedalierende ziemlich perfekte Neuaufteilung des Straßendurchschnitts räumt der Straßenbahn und dem Kfz-Verkehr zwar weiterhin zwei Fahrspuren ein, aber durch den Wegfall der Parkspur soll die rechte davon (die ohne Tramschienen) zu bestimmten Tageszeiten als Lieferzone dienen.
In einer idealen Welt funktioniert das ganz prima. In der Realität, wo unter anderem immer jemand viel länger als üblich braucht, um ein- oder auszuparken – dürfte es zu regelmäßigen Staus auf der verbleibenden Spur führen. In denen dann eben nicht nur die Pkws, sondern auch die Trams versauern.
Zu ähnlichen Situationen führen nicht zu Ende gedachte Verkehrsbeeinflussungen auch anderswo. Auf der Charlottenburger Kantstraße etwa sollen jetzt eigentlich die Probleme beseitigt werden, die durch die Pop-up-Radspur für den Busverkehr entstanden sind. Auch hier sollen zwischen Joachimsthaler und Wilmersdorfer Straße alle Parkplätze wegfallen, auch hier soll der Lieferverkehr temporär eine Fahrspur nutzen: die für den Bus. Der ebenfalls grüne Verkehrsstadtrat des Bezirks findet das blöd und will am liebsten den Durchgangsverkehr auf der Straße völlig unterbinden – es dürfte sich also noch ziehen bis zu einer Einigung.
Die Decke ist immer zu kurz
Platt gesagt: Für irgendwen ist die Bettdecke eben immer zu kurz, und die Senatsverwaltung muss aufpassen, dass sie die Nachteile nicht auch noch innerhalb des Umweltverbunds umverteilt, also dem ÖPNV wegnimmt, was sie dem Radverkehr schenkt.
Dass man in Jaraschs Dienstsitz am Köllnischen Park durchaus mitdenkt, war aber bei einer weiteren Ankündigung in dieser Woche zu erleben: Die Radspur mitten auf der angeblichen Flaniermeile Friedrichstraße, die mit dem vermeintlichen Schlendergenuss für FußgängerInnen einfach nicht zusammenpasste, kommt wieder weg. Es ist halt leider so: Einzelne Verkehrswege, auf denen wirklich alle gleichzeitig sicher und zufrieden unterwegs sein können, sind selten wie vegane Wollmilchsauen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Merz stellt Reform in Aussicht
Zarte Bewegung bei der Schuldenbremse
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“