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Umsetzung der Verkehrswende in BerlinEs wird eng für Bus und Bahn

Kommentar von Claudius Prößer

In der Schönhauser Allee dürfen sich RadlerInnen freuen, ÖPNV-NutzerInnen eher weniger. Das ist kein Einzelfall. Ein Wochenkommentar.

Fährt souverän Rad, muss aber auch den ÖPNV mitdenken: Senatorin Bettina Jarasch (Grüne) Foto: dpa

M an will ja nicht immer den Spaßverderber spielen, wenn es um wichtige Projekte wie die Verkehrswende geht. Aber genau hinschauen muss man eben doch, und drohende Probleme einfach frisch wegzuschweigen, dient der Sache auf Dauer nicht.

Am Montag stellte Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) die abgeschlossene Vorplanung für die künftige Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg vor – um genau zu sein: für den eher überschaubaren, aber symbolträchtigen mittleren Abschnitt. Auf den dortigen Holperwegen stehen Pankows zahlreiche RadlerInnen oft im Stau, weshalb es für den Umbau nach Vorgaben des Berliner Mobilitätsgesetzes höchste Eisenbahn war.

Letztere freilich – nämlich die Tram mit ihren zahlreichen NutzerInnen – könnte nach der geplanten Fertigstellung im Frühjahr 2023 ein Problem bekommen. Denn die für Pedalierende ziemlich perfekte Neuaufteilung des Straßendurchschnitts räumt der Straßenbahn und dem Kfz-Verkehr zwar weiterhin zwei Fahrspuren ein, aber durch den Wegfall der Parkspur soll die rechte davon (die ohne Tramschienen) zu bestimmten Tageszeiten als Lieferzone dienen.

In einer idealen Welt funktioniert das ganz prima. In der Realität, wo unter anderem immer jemand viel länger als üblich braucht, um ein- oder auszuparken – dürfte es zu regelmäßigen Staus auf der verbleibenden Spur führen. In denen dann eben nicht nur die Pkws, sondern auch die Trams versauern.

Zu ähnlichen Situationen führen nicht zu Ende gedachte Verkehrsbeeinflussungen auch anderswo. Auf der Charlottenburger Kantstraße etwa sollen jetzt eigentlich die Probleme beseitigt werden, die durch die Pop-up-Radspur für den Busverkehr entstanden sind. Auch hier sollen zwischen Joachimsthaler und Wilmersdorfer Straße alle Parkplätze wegfallen, auch hier soll der Lieferverkehr temporär eine Fahrspur nutzen: die für den Bus. Der ebenfalls grüne Verkehrsstadtrat des Bezirks findet das blöd und will am liebsten den Durchgangsverkehr auf der Straße völlig unterbinden – es dürfte sich also noch ziehen bis zu einer Einigung.

Die Senatsverwaltung muss aufpassen, dass sie die Nachteile nicht innerhalb des Umweltverbunds umverteilt, also dem ÖPNV wegnimmt, was sie dem Radverkehr schenkt.

Die Decke ist immer zu kurz

Platt gesagt: Für irgendwen ist die Bettdecke eben immer zu kurz, und die Senatsverwaltung muss aufpassen, dass sie die Nachteile nicht auch noch innerhalb des Umweltverbunds umverteilt, also dem ÖPNV wegnimmt, was sie dem Radverkehr schenkt.

Dass man in Jaraschs Dienstsitz am Köllnischen Park durchaus mitdenkt, war aber bei einer weiteren Ankündigung in dieser Woche zu erleben: Die Radspur mitten auf der angeblichen Flaniermeile Friedrichstraße, die mit dem vermeintlichen Schlendergenuss für FußgängerInnen einfach nicht zusammenpasste, kommt wieder weg. Es ist halt leider so: Einzelne Verkehrswege, auf denen wirklich alle gleichzeitig sicher und zufrieden unterwegs sein können, sind selten wie vegane Wollmilchsauen.

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Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
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4 Kommentare

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  • Tatsächlich sind die Radwege auf der Schönhauser eines sich als fahrradfreundlich rühmenden Bezirks unwürdig.

    Zwischen kurzen glatten Abschnitten tauchen regelmäßig kopfsteingepflasterte Hauseinfahrten auf, falls nicht der ganze Radweg in einer krummen und schiefen Plattenbuckelpiste besteht, deren Löcher mit nicht sehr viel Liebe zugeschmiert wurden. -- Fahren Sie da mal mit einem hart aufgepumpten Rennrad entlang, und Ihr Fahrvergnügen wird sich in engen Grenzen halten.

    Zu schmal sind diese Radwege auch, angesichts der dortigen Fahrraddichte.

    Ob die Autos nach der Umwidmung einer Fahrspur in einen Radweg dort im Stau stehen, ist im Grunde unerheblich, denn das tun sie jetzt bereits. Die Maßnahme würde dem MIV also kaum noch schaden können (er ist dort eh kaputt), aber einen gewaltigen Nutzen für eins der umweltfreundlichsten Verkehrsmittel ever bringen können.

    Hilfreich wäre auch, wenn nicht bei gefühlt jeder Baumaßnahme die ganzen Container und Sandhaufen der Bauunternehmen zielsicher auf dem Radweg zu stehen kämen.

    • @Carcano:

      Es geht in diesem Artikel doch auch nicht darum, ob die Autos künftig im Stau stehen werden, sondern, dass es - wenn es die Autos tun - die Straßenbahn auf der einzig verbleibenden Spur leider auch wird. Dieses sehr leistungsfähige Verkehrsmittel wird dann entlang der GESAMTEN LINIE von Pankow Nord bis Mitte sehr unattraktiv, weil der Fahrplan schlicht zur Makulatur wird. Vielerorts schwimmt der ÖPNV leider im Autoverkehr mit. Wenn man dafür keine Lösungen anbietet und nicht bedenkt, dass der ÖPNV durch fahrradfreundliche Umgestaltungen ggf. massiv beeinträchtigt wird, dann hat man leider gar nichts gewonnen.

  • Die Radfahrerlobby hatte es lange Zeit geschafft zu suggerieren, was gut für Radfahrer sei, sei auch irgendwie gut für alle anderen Nichtautofahrer.

    Langsam kommt man auf dem Boden der Realität an.

  • Mittlerer Abschnitt, mit "Tramschienen", also Straßenbahngleisen.

    Das ist doch der Abschnitt nörldich der Danzige/Eberswalder Straße. Sollte man den nicht erst einmal von einer Bundesstraße (B96a) zur Gemeindestraße des Landes Berlin abstufen? Das wäre doch rechtlich einfacher.