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Nein zu Klima-VolksbegehrenSenat gegen Berliner Alleingang

Umweltsenatorin Jarasch (Grüne) begründet Ablehnung des Klima­volksbegehrens mit hohen Kosten und fehlendem Einfluss des landes.

Ab Juli 2021 hatte „Berlin 2030 Klimaneutral“ Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt Foto: Fritz Engel

Berlin taz | Der rot-grün-rote Senat lehnt das Volksbegehren „Berlin 2030 klimaneutral“ als „nicht zielführend“ ab. Man unterstütze zwar das Ziel – mehr Klimaschutz –, sagte Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) am Dienstag nach der Senatssitzung vor Journalisten, „aber eine Verschärfung der Zielzahl allein wird uns nicht klimaneutral machen“. Der Senat sehe nicht, dass es Berlin als Bundesland in der Hand habe, 15 Jahre schneller als von der Bundesregierung vorgesehen und 20 Jahre vor der EU klimaneutral zu werden. Das hinter dem Volksbegehren stehende Bündnis zeigte sich davon enttäuscht. Sollte das Abgeordnetenhaus ebenfalls ablehnen, werde man in die zweite Sammelphase Richtung Volksentscheid einsteigen, sagte Sprecherin Jessamine Davis der taz.

Das Bündnis „Klimaneustart Berlin“ hatte das Volksbegehren 2021 auf den Weg gebracht, weil aus seiner Sicht die Maßnahmen des Landes nicht ausreichen, um das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommen – maximal 1,5 Grad Erderwärmung – tatsächlich einzuhalten. Auf dieses Ziel hat sich auch der nach Start des Begehrens im Dezember neu gebildete rot-grün-rote Senat in seinem Koalitionsvertrag verpflichtet. Aus Sicht des Bündnisses, das sich dabei auf neueste Forschung stützt, ist dafür aber Klimaneutralität spätestens ab 2030 nötig.

Rechtlich formal ist das Volksbegehren nach Senatsangaben zulässig. Die nötige Zahl von 20.000 gültigen Unterstützungsunterschriften hatte das Bündnis bei seiner Sammlung von Juli bis Oktober mit über 27.000 weit übertroffen. Nach der ablehnenden Stellungnahme des Senats vom Dienstag hat nun das Abgeordnetenhaus vier Monate Zeit, das Anliegen zu übernehmen oder abzulehnen. In letzterem Fall können die Träger des Volksbegehrens – wie nun angekündigt – einen Volksentscheid anstreben. Dafür müssen rund 170.000 Wahlberechtigte unterschreiben, nämlich mindestens sieben Prozent

Senatorin Jarasch begründete die Ablehnung zum einen mit den beschränkten Einflussmöglichkeiten Berlins, zum anderen mit den Kosten von Klimaneutralität. „Wir können uns nicht komplett von der bundesweiten und europäischen Entwicklung abkoppeln“, sagte sie und erinnerte an das, was Berlin bereits beschlossen habe: die CO2-Emissionen bis 2030 um 70 Prozent zu verringern, bis 2040 um 90 Prozent und schließlich Klimaneutralität bis 2045. Nun allein eine neue Jahreszahl zu beschließen, hilft aus ihrer Sicht nicht: „Wir brauchen vor allem eine Debatte über konkrete Maßnahmen.“

Nach fünf Tagen aus der Corona-Isolation

Corona-Infizierte können künftig die grundsätzlich weiter geltende zehntägige Isolation schon nach fünf Tagen beenden, wenn sie zuvor mindestens 48 Stunden symptomfrei waren und ein Test in einer zertifizierten Teststelle ein negatives Ergebnis ergibt. Bislang war das erst frühestens nach sieben Tagen möglich. Das hat der Senat am Dienstag beschlossen. Die Landesregierung hatte die Entscheidung vor einer Woche noch aufgeschoben, um das Verhalten anderer Bundesländer beobachten zu können. Berlin legt dabei nun strengere Kriterien an: Laut Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) ist in manchen anderen Bundesländern kein negativer Test nötig. (sta)

Hinsichtlich der Kosten, zu denen der Senat bei jedem Volksbegehren eine Schätzung abgeben muss, sagte Jarasch, dass Klimaneutralität Berlin einen hohen zweistelligen, möglicherweise angesichts von Preissteigerungen auch dreistelligen Milliardenbetrag kosten würde. Umgelegt auf die noch bis 2030 verbleibenden acht Jahre wären das nach taz-Berechnung im günstigsten Fall jährlich 12,5 Milliarden Euro – ein Drittel des gesamten Landeshaushalts. Mit Jaraschs Schätzung konfrontiert, sagte Bündnis-Sprecherin Davis, dass die Kosten weit höher seien, wenn das Pariser Klimaziel nicht eingehalten werde.

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2 Kommentare

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  • Der Gesetzentwurf der Intiative ist in Teilen ja schon realtiv konkret. Leider enthält er eine wesentliche Schwachstelle: Der Senat soll Erhöhungen der



    Nettowarmmieten für Wohnraum ausgleichen. Da fast jede Maßnahme im Gebäudebestand zu Erhöhungen der Warmmieten führt, und übrigens auch der Kosten selbstnutzender Wohneigentümer, fesselt die Initiative das Land damit unnötig. Die Motivation der Betroffenen würde deutlich erlahmen, wenn Mehrkosten bei Energieverbrauch und energiesparenden Modernisierungen weitgehend vom Senat übernommen werden (müssen).

    Selbst die Umstellung auf CO2-freie Brennstoffe wie grünen Wasserstoff wird damit deutlich erschwert.

  • Zur Diskussion über Handlungsmöglichkeiten des Senats nur zwei Beispiel:

    "Laut Paragraf 3 des Elektromobilitätsgesetzes (EmoG) können mit den Fahrzeugnummern für E-Autos unter anderem folgende Vorteile wahrgenommen werden: Wer ein E-Auto fährt, darf in manchen Städten und Kommunen Parkplätze und Parkbuchten kostenlos nutzen. Erlaubt ist mit E-Kennzeichen außerdem das Fahren auf der Busspur." (google)

    In Berlin gibt es 1675 km Buslinien. Bei den paar existierenden Busspuren soll sich natürlich nichts ändern. Es gibt sehr viele Buslinien ohne Busspur, in Straßen mit einer Fahrspur gibt es fast nirgendwo Busspuren.



    Würde man dort weiträumig Busspuren mit Elektro-Freigabe einrichten, gern mit zwei Jahren Vorlaufzeit, hätte man schon mal sehr viele Autos mit Verbrennungsmotor von der Straße weg.

    Im Rahmen der Öffnungsklausel der Grundsteuer könnte das Land Berlin diese z.B. an die energetische Situation der Gebäude knüpfen, oder auf Grundsteuer verzichten oder sie zu senken, wenn das Gebäude ausschließlich mit erneuerbaren Energien (mit gewissen Zusatzforderungen oder auch Erleichterungen) beheizt wird. Für die anderen Gebäude müsste dann ein höherer Hebesatz der Grundsteuer greifen.

    Damit gibt es schon mal für zwei sehr große Posten der CO2-Emissionen sehr starke Einflussmöglichkeiten des Landesgesetzgebers bzw. des Senats.

    Alle Vorwände bedeuten nur: "Wir wollen nicht".