Erdoğan in Riad: Nahöstliche Realpolitik
Mohammed bin Salman und Erdoğan sind nicht gerade beste Freunde. Außenpolitisches Scheitern zwingt den einen zum Handschlag, Geldnot den anderen.
A m Donnerstag ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nach Saudi-Arabien gereist, um seinem bisherigen Todfeind, dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS), die Hand zu reichen. Zwar kommt Erdogan als Bittsteller, er braucht dringend möglichst viele Milliarden Dollar von dem reichen Ölstaat, doch auch MbS ist mit den hochfliegenden Plänen, seine Macht in Saudi-Arabien auf die gesamte sunnitische Umma im Nahen Osten auszudehnen, gescheitert.
Während Erdogan vergeblich darauf gehofft hatte, im Anschluss an den arabischen Frühling mit Hilfe der islamistischen Muslimbrüderschaft eine führende Rolle im Nahen Osten einnehmen zu können, ist MbS schon daran gescheitert, die aufständischen Huthis im Jemen militärisch zu besiegen. Zwar war es Erdogan noch gelungen, MbS für den brutalen Mord an dem saudischen Journalisten und Regimekritiker Jamal Khashoggi politisch verantwortlich zu machen, doch letztlich siegten Pragmatismus und die schnöde Macht des Geldes.
Der durch den Mord an Khashoggi international ins Zwielicht geratene Mohammed bin Salman kann froh sein, wenn er die Macht in Saudi-Arabien behält. Und der vermeintliche Führer der Muslime aus der Türkei hat sein Land wirtschaftlich so an die Wand gefahren, dass er jetzt jede Möglichkeit, an Geld zu kommen, ausschöpfen muss.
Der Deal, der nun auf dem Tisch liegt, sieht vor, dass Erdogan aufhört, die dem saudischen Königshaus verhassten Muslimbrüder weiter zu unterstützen und dass er es vermeidet, den Khashoggi-Mord in den Mund zu nehmen. Dafür verspricht MbS, seine regionalen Ambitionen zurückzufahren. Die Blockade gegen das mit der Türkei befreundete Katar hat er bereits aufgehoben. Außerdem will er schnellstmöglichst viele Milliarden Dollar in der Türkei investieren.
Auf seine früheren Freude bei den Muslimbrüdern kann Erdogan keine Rücksicht mehr nehmen. Und die Mordermittlung im Fall Khashoggi hat inzwischen auch für ihn ausgedient. Das ist Realpolitik zweier Gescheiterter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt