Diskussion über Ukrainekrieg: Scharfe Kritik an Pazifistin
Ziviler Widerstand gegen Russland? Der Vorschlag der Friedensforscherin Dudouet sorgt für Kritik. Auch die Linke äußert sich kritisch, aber differenzierter.

taz | Friedensforscherin Véronique Dudouet ist mit ihrem Plädoyer für zivilen Widerstand gegen Russland in der Ukraine überwiegend auf Kritik gestoßen. Spiegel-Kolumnist Sascha Lobo schrieb unter dem Titel „Der deutsche Lumpen-Pazifismus“: „Wer sich die Bilder der zerbombten Städte und zivilen Einrichtungen, der Leichen in den Straßen und die Berichte von Massenvergewaltigungen angesehen hat, muss den Ansatz, mit vertauschten Straßenschildern Soldaten zu verwirren, nicht einmal mehr argumentativ widerlegen.“
Die von Dudouet in der taz empfohlenen Mittel wie Massendemonstrationen, Menschenketten oder Warenboykotte seien „eine Farce“. Ähnlich äußerten sich viele Nutzer von Internetnetzwerken wie Twitter oder Facebook.
Dass die französische Wissenschaftlerin der Berliner Berghof Foundation Waffenlieferungen ablehnte, weil „wir die weitere Militarisierung des Konflikts nicht verstärken sollten“, kommentierte Lobo mit den Worten: „Das wird die in zerbombten Kellern ausharrenden, verdurstenden Menschen in Mariupol sicher arg freuen, dass ihre Stadt nicht noch weiter militarisiert wird.“ Der Kolumnist kritisierte auch den Friedensbeauftragten der evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Friedrich Kramer, der ebenfalls Waffenlieferungen abgelehnt hatte. Mahatma Gandhi, Vorbild für viele Pazifisten, bezeichnete Lobo als „sagenhafte Knalltüte“.
Wulf Gallert, Vorstandsmitglied der Partei Die Linke, schrieb der taz: „Diese Form des zivilen Protestes ist ein effektives Mittel im Falle der Besetzung ukrainischer Gebiete durch russische Truppen.“ Er könne verhindern, dass sich eine russische Besatzung festsetzt. „Allerdings kommt diese Form des Widerstandes an seine Grenzen, wenn die russische Kriegsführung ausdrücklich auf die Zerstörung der Infrastruktur und Terror gegen zivile Ziele wie vorher in Aleppo ausgerichtet ist. Für eine solche Kriegsführung ist der zivile Widerstand keine ausreichende Antwort.“
Deshalb sei der Vergleich zwischen dem Krieg in der Ukraine und den besetzten Gebieten in Palästina auch unzutreffend und als Beispiel für eine Strategie in der Ukraine „indiskutabel“.
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