piwik no script img

Kinotipp der WocheJenseits schöner Landschaften

Das Greek Film Festival im Babylon Mitte präsentiert das Beste aus der aktuellen griechischen Filmproduktion. Es gibt viele Kleinode zu entdecken.

„.dog“, 2021, Regie: Yianna Americanou Foto: Greek Film Festival

Dimitris trägt ein rotes Kleid und tanzt mitten auf der Straße zu griechischen Schnulzen. Immer an seiner Seite ist Dimitroula, eine streunende Katze, hier haben zwei Außenseiter zueinander gefunden. Dimitris lädt nach seiner Tanzeinlage Tzeli Hadjidimitriou, die Regisseurin des dokumentarischen Kurzfilms “Mr. Dimitris & Mrs. Dimitroula“, und damit auch den Betrachter, ein in seine kleine Wohnung in dem Fischerdorf Skala Sikamineas auf der Insel Lesbos.

Und erzählt einfach nur aus ihrem Leben. Davon, wie sie schon als kleiner Junge damit anfing, in Mädchenkleider zu schlüpfen. Und von all den Schwierigkeiten, die dieses von ihrem Umfeld als unnormal betrachtete Verhalten mit sich brachte. Sie brach den Kontakt zu ihren Geschwistern ab und das Verhältnis zu ihren Eltern wurde zunehmend schwieriger.

Man spürt, wie sie ihnen bis zu ihrem Tod in Liebe zugetan war, auch wenn diese sie zum Psychologen schleppten und Medikamente verabreichen ließen. Damit der Junge doch endlich wieder normal werde. Und in dem Fischerdorf blieb Dimitris sowieso immer ein Freak, von dem man sich besser fern hält.

Die Geschichte von Dimitris, der sich im falschen Körper geboren fühlt und damit in einem kleinen Kaff zur Skurrilität wird, hat sich inzwischen herumgesprochen in Griechenland. Als 2015 massenhaft Bootsflüchtlinge auf Lesbos angespült wurden, war sie stets als erste dabei, um zu helfen.

Das Festival

The Greek Film Festival in Berlin: 30. 3. bis 3. 4., Babylon Mitte, thegreekfilmfestivalinberlin.com

Und immer mehr Medien wollten wissen, wer diese Frau in einem Männerkörper ist. Dimitris wurde so zum Star, aber nur für eine Weile. Geflüchtete vor Lesbos gibt es inzwischen kaum noch und so tanzt Dimitris nun wieder alleine vor sich hin, begleitet von Dimitroula.

Der Film, der beim Greek Film Festival in Berlin zu sehen ist, das vom 30. März bis zum 3. April im Babylon Mitte über die Bühne geht, ist nicht besonders lang und macht eigentlich nicht viel mehr, als eine Person aus ihrem Leben erzählen zu lassen.

Schonungslos offen

Doch weil sie so offen und schonungslos berichtet, kommt man ihr ungemein nahe, spürt förmlich ihre Zerrissenheit, unausgelebte Sehnsüchte und den Wunsch nach einem besseren Leben. So entstand ein kleiner Film aus Griechenland, der groß ankommt.

Um solche Kleinode entdecken zu können, dafür sind Filmfestivals da. Wobei man bei einem Film wie “.dog“ von Yianna Americanou sagen muss: der ist so gut, der sollte gefälligst auch einen regulären Kinostart bekommen. Er erzählt von – schon wieder – Dimitris, der in einem Waisenhaus im griechischen Teil Zyperns untergebracht ist.

Seine Mutter ist tot, der Vater sitzt im Gefängnis. Dimitris versucht, sein Leben geregelt zu bekommen, arbeitet in einer Autowerkstatt, hat Spaß mit seinen Freunden. Doch dann wird sein Vater aus dem Gefängnis entlassen. Dimitris sehnt sich nach dessen Liebe, doch dieser hat nichts anderes im Sinn, als seinen Sohn für seine verkommenen Machenschaften auszunutzen.

Schmugglergeschäfte, Diebstahl, für all das spannt er den Jungen mit ein. Es tut richtig weh, mit ansehen zu müssen, wie Dimitris von seinem Vater manipuliert und wie mit seinen Gefühlen herzlos gespielt wird. Aber zum Glück erkennt er irgendwann, wer ihm wirklich gut tut und wer nicht. Und er trifft eine Entscheidung, die zwar äußerst schmerzhaft, aber doch die richtige ist.

tazplan

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

“.dog“ ist ein kraftvolles Coming-of-age-Drama mit einem wirkich umwerfenden Hauptdarsteller. Und ein Film, der Zypern auch mal anders zeigt, als man es von den Darstellungen der Tourismusindustrie gewöhnt ist. Keine bunte Ferieninsel erwartet einen hier, sondern ein trostloses und auch brutales Land, in dem herrenlose Hunde einfach erschossen werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!