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„Da müssen wir uns richtig Sorgen machen“

DFB-Vizepräsidentin Silke Sinning über ihren Wahlsieg gegen Rainer Koch, ihre Aufgaben im neuen Präsidium und Probleme im Frauen- und Mädchenfußball

Interview Frank Hellmann

taz: Frau Sinning, Sie sind durch die Wahl ins neue DFB-Präsidium in aller Munde, weil Sie sich in einer Abstimmung gegen Rainer Koch durchgesetzt haben. Was hat Sie animiert, sich als eine der wenigen Frauen in den DFB-Gremien hochzuarbeiten?

Silke Sinning: Ich war selber Fußballspielerin, teilweise Spielführerin bei der SG Beisetal und später auch Spielertrainerin bei den Frauen des SC Schwarz-Weiß Zennern. Dann habe ich mich ehrenamtlich auf Kreisebene für den Frauen- und Mädchenfußball engagiert. Ich habe mich für ein Bezirksamt zur Verfügung gestellt und gegen eine Gegenkandidatin durchgesetzt. Vier Jahre später ist dasselbe beim Hessischen Fußballverband passiert. Man muss dafür viel Mut und Veränderungswillen aufbringen.

Sind Ihnen Steine in den Weg gelegt worden?

Mir wurde meist respektvoll begegnet. Vielleicht hat auch mein Professorinnentitel dafür gesorgt, dass sich der eine oder andere zurückgehalten hat … (lacht) Aber trotzdem hatte ich häufiger das Gefühl, dass unter den Männern viele Dinge einfach schon abgesprochen sind. Da habe ich mich schon häufiger gewundert, warum hat eigentlich mich keiner vorher mal angerufen.

Sie wirkten in Bonn nach Ihrer Wahl ins DFB-Präsidium sehr ergriffen. Sie haben damit wahrscheinlich nicht gerechnet.

An jenem Morgen hatte ich meiner Tochter zugesagt, dass ich den Mut aufbringen würde, tatsächlich anzutreten. Nach meiner Rede hatte ich gehofft, einen Achtungserfolg zu erhalten. Dass ich die Wahl so deutlich gewinnen würde, damit hatte ich nie gerechnet. Für mich ist es eine große Herausforderung, nun auch den Süddeutschen Verband zu vertreten und zu unterstützen. Aber dieses überwältigende Ergebnis verschafft mir Respekt und gibt mir Rückenwind. Wir sind nun vier Frauen im DFB-Präsidium, mit Heike Ullrich bald fünf. Das ist super, das finde ich ganz stark.

Warum hatten es Frauen denn bislang so schwer, in DFB-Führungspositionen zu kommen?

Zwei Aspekte sind hier erst einmal zu trennen: Es gibt hauptamtliche Mitarbeiter, bei denen sich Männer wie Frauen für ein bestimmtes Aufgabenfeld bewerben können. Da wird auch beim DFB darauf geschaut, dass kein Geschlecht benachteiligt wird. Dann gibt es aber die ehrenamtliche Ebene. Dort bewerben sich in der Regel nicht mehrere Personen auf eine Position. Da ist einfach das Beharrungssystem der Männer sehr groß. Außerdem stehen nur alle drei, vier Jahren Wahlen an, sodass es lange dauert, bis eine Person oben ankommt.

Braucht es eine Frauenquote, um dieses System aufzubrechen?

Erst einmal bin ich sicher, dass es genügend Frauen mit Expertise gibt, um sich in die Arbeit auf Kreis-, Verbands- oder Landesebene einzubringen. Trotzdem halte ich im Ehrenamt eine Quote für gut. Und gleichermaßen bin ich am Freitag auch eines Besseren belehrt worden, dass selbst im DFB-Präsidium nun gleich deutlich mehr Frauen auch ohne Quote gewählt wurden. Letztlich ist es wichtig, dass die Verantwortlichen Veränderungen wirklich wollen und dass sich auch die Frauen bereiterklären. Was mir aber auch am Herzen liegt, ist, dass vermehrt junge Menschen in den Ausschüssen sitzen sollten – das gehört für mich gleichermaßen zur Diversität, um den Fußball zukunftsfähig zu machen.

Was haben Sie für sich als Schwerpunkte der Arbeit ausgemacht?

Meine Themen Nachhaltigkeit und Diversität habe ich in den letzten Monaten durchgängig kenntlich gemacht. Die möchte ich natürlich auch weiterhin stützen.

Sie haben keine Berührungsängste mit dem Profilager. Sie haben im Team von Peter Peters deutlich gemacht, dass der deutsche Fußball nur gemeinsam vorankommt.

Es muss deutlich werden, dass die DFL genauso ein Mitglied des DFB ist wie alle anderen Regional- und Landesverbände auch. Natürlich verfügt die Liga über große Einnahmen, und mein Wunsch wäre, dass die DFL einen großen Betrag in einen Fonds einzahlt, aus dem sich die Landesverbände mit Projekten bedienen können, wobei die DFL mitbestimmen sollte, wofür diese Gelder verwendet werden; etwa für die Talentförderung oder den Frauenfußball. Ob eine solche Variante zielführend und umsetzbar wäre, müssen die Verantwortlichen gemeinsam klären. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass damit ein großer Imagegewinn für alle verbunden sein könnte.

Sie sind seit zehn Jahren Mitglied des Ausschusses für Frauen- und Mädchenfußball im DFB, daher wissen Sie, dass die Zahlen der aktiven Mädchen und Frauen dramatisch rückläufig sind. Zuletzt wies die Mitgliederstatistik nur noch 131.487 aktive Fußballerinnen aus. Fünf Jahre zuvor waren es noch doppelt so viele.

Da müssen wir uns richtig Sorgen machen. Wir können keinen Spielbetrieb, keine Förderung der Spitze betreiben, wenn immer weniger Frauen Fußball spielen. Alarmierend sind auch die Rückgänge bei den Mädchen. Wir konnten in Hessen die Rückgänge nur begrenzen, weil wir unseren Spielbetrieb extrem flexibilisiert haben. Viele Vereine bekommen nicht einmal ein Neuner-Team zusammen. Zum Glück gab es bei den letzten Schnuppertagen wieder Zulauf.

Fehlen die Vorbilder, weil die deutschen Fußballerinnen zuletzt nicht mehr erfolgreich waren?

Ich habe das nicht untersucht, deswegen kann ich keine klare Antwort geben. Aber wir haben bei Jungs und Mädchen den größten Schwund in den Altersklassen, bei denen die Pubertät eintritt: Da sind Training und Wettkampf oft einfach nicht mehr interessant genug. Uns haben B-Juniorinnen beispielsweise erzählt, dass ihnen Spieltermine am Sonntagmorgen nicht passen, weil sie am Samstagabend gerne ausgehen. Bei diesen Themen müssen wir das Ohr viel stärker an der Basis haben.

Wie kann es denn gelingen, mehr Mädchen mit Migrationshintergrund für den Fußball anzusprechen?

Grundsätzlich finde ich, dass es Frauen in typisch männlich geprägten Sportarten wie Boxen oder Fußball heutzutage leichter haben als Männer, die sich für weiblich zugeschriebene Sportarten wie Synchronschwimmen, Ballett oder Eistanzen interessieren. Für die Vereine ist es schwierig, in tradierte Familienstrukturen reinzukommen, wo noch der Mann die klassische Führungsposition inne hat. Deshalb sind für mich der Kindergarten und die Schule der erste Ansatz, hier Angebot zu erstellen.

Warum?

Wenn die Mädchen sich hier für den Fußball begeistern, dann schaffen sie es auch, ihren Vater zu überzeugen, dass sie Fußball im Verein spielen wollen.

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