piwik no script img

Parade in Bosnien und HerzegowinaMarsch für die „serbische Welt“

Vor 30 Jahren wurde die sogenannte Republika Srpska ausgerufen. Und heute? Verbreitet die Führung der bosnischen Serben weiter Angst.

Aufmarsch mit nationalistischen Tönen: Militärparade in Banja Luka Foto: Antonio Bronic/rtr

Split taz | Stolz thronen Milorad Dodik, Führer der bosnischen Serben, und Željka Cvijanović, Präsidentin des serbischen Teilstaates in Bosnien und Herzegowina, nebeneinander auf den Emporen, als am Sonntag Hunderte von Menschen auf dem Boulevard der Stadt Banja Luka an ihnen vorbeiziehen. Am 30. Jahrestag der Gründung der sogenannten Republika Srpska sind bei diesen im Fernsehen übertragenen Feierlichkeiten alle Brücken des gemeinsamen Gesamtstaats Bosnien und Herzegowina eingerissen worden.

Wie in alten kommunistischen Zeiten defilierten zunächst die Staatsangestellten, danach die Einheiten der schwerbewaffneten Polizei aus allen Landesteilen und schließlich als Kern der Verteidigungskräfte die von russischen Instrukteuren ausgebildeten „Antiterroreinheiten“. Zwar vermieden die Organisatoren, von einer „Armee der Republika Srpska“ zu sprechen, die Absicht der politischen Führung jedoch, Einheit und Stärke zu zeigen, war deutlich zu erkennen. Den Rahmen des Programms bildeten serbische patriotische Lieder.

Die Republika Srpska sei Teil der „serbischen Welt“, des neuen Großserbien, lautete die Botschaft der Militärparade. In der serbischen Welt sollen nach dem Willen der serbischen Führung in Belgrad alle Serben aus Bosnien, Kroatien, Montenegro und Kosovo in einem Verbund zusammengefasst werden.

Nach all den nationalistischen Kampagnen der letzten Jahre haben Belgrad und das bosnische Banja Luka in der Tat eine serbische Gefühlswelt kreiert, vor der sich andere Bevölkerungsgruppen fürchten müssen. Die patriotischen Gefühle brachen sich in der Republika Srpska schon an den Vortagen, während der orthodoxen Weihnacht am 6. Januar, Bahn. In der Stadt Foča im Osten Bosnien und Herzegowinas wurde eine Hauswand mit dem Bild Ratko Mladićs versehen.

Der vom UN-Tribunal als Kriegsverbrecher verurteilte Ratko Mladić war der Kommandeur der serbischen Truppen, der 1992 während des Bosnienkriegs die multiethnische und mehrheitlich von Bosniaken bewohnte Stadt „ethnisch säubern“ ließ. Tausende Nicht-Serben in Foča und der Nachbarstadt Višegrad wurden damals ermordet, in Lagern festgehalten oder vertrieben. Hunderte Frauen wurden in Vergewaltigungslagern malträtiert. Die Republika Srpska umfasst heute ein Gebiet, das vor dem Krieg mehrheitlich von Nichtserben bewohnt wurde.

Angst unter Nicht-Serben

Der in seine Heimatstadt Foča zurückgekehrte Bosniak Izet Spahić sieht in diesem Akt eine klare Botschaft an die zurückgekehrten Bosniaken: Den Kriegsverbrecher zu glorifizieren bedeute, dass man das Massaker von damals wiederholen wolle.

Ähnliche Zwischenfälle, die den in ihre Heimat zurückgekehrten Nicht-Serben Angst machen sollen, kommen immer wieder vor. So sang ein serbischer Polizist in der Stadt Priboj ein Lied, in dem er Schüsse auf die dortige Moschee forderte. In den Städten Gacko, Janja und Projedor kam es zuletzt zu ähnlichen Provokationen, in Bijeljina wurden Muslime auch angegriffen. Gegenreaktionen blieben glücklicherweise aus.

Die serbische Führung in Bosnien wisse genau, dass die Republika Srpska auf den Verbrechen der ethnischen Säuberungen gebaut ist, „leugnet das aber“, sagt der ehemalige Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, Valentin Inzko. Im Juli 2021 stellte er die Verherrlichung von Kriegsverbrechen und die Leugnung des Genozids in Srebrenica unter Strafe.

Dodik aber ließ das Gesetz auf dem Boden der Republika Srpska vom Regionalparlament für ungültig erklären. Ana Brnabić, die Premieministerin Serbiens, entschuldigte die Kriegsverbrechen der Serben jetzt in Banja Luka damit, dass die serbische Bevölkerung im kroatischen Ustascha-Staat 1941–45 unterdrückt und viele Serben ermordet wurden. Sie erwähnte mit keinem Wort den von der serbischen Soldateska durchgeführten Massenmord ab 1992 an Bosniaken und Kroaten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Ich würde gerne mehr über die Leute auf dem Balkan, aber speziell in Serbien, lesen, die an Versöhnung arbeiten, aber insbesondere gegen den nationalistischen Irrsinn anarbeiten. Die gibt es, es mögen auch nicht viele sein, aber so sehr man den Fortgang der Ereignisse verfolgen soll - sollte man nicht diesen auch eine Stimme geben?

    Ich habe einen Großcousin, der wirklich ein Hardcore-Stalinist ist, den aber auch der Verlust des Amselfelds an die Shqiptari noch so sehr kränkt, als wär's erst vor zwei Wochen passiert. Diese Generation der über 70jährigen ist verloren - und oft auch deren Kinder. Wozu auch Vucic immer noch gehört, vermute ich...

    Aber die Enkel haben die Schnauze voll, die interessieren sich auch nicht mehr für Großserbien - das sind junge Europäer. Und die suchen ihren Weg unter zum Teil dramatisch schwierigen Umständen. Die müssen wir hören...

    Zum Beispiel gibt es eine reichlich lebendige Musikszene, die mit viel Energie eigene Musiktraditionen mit modernen Sounds und Styles verheiratet, viel Selbstironie; in den meisten Restrepubliken finden regelmäßig Festival mit internationalen Lineups, aber auch internationalem Publikum statt.

    www.youtube.com/watch?v=SHkytQ6m8zA

    Von Dubioza Kolektiv gibt's auch ein englischsprachiges Video: www.youtube.com/watch?v=jtgA0jvhp2A

    Es ist eine Schande, dass man davon so wenig, aber von den alten Kriegsverbrechern so viel liest.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Ich glaube sie verstehen nicht was da gerade abläuft. Wo sind denn die jungen Europäer von denen sie sprechen? Welcher Serbe erhebt denn öffentlich seine Stimme gegen die großserbischen Bestrebungen? Sich europäisch zu fühlen ist das Eine, europäische Werte zu vertreten das Andere.

      • @Muamer Meric:

        Welcher Kroate erhebt denn öffentlich seine Stimme gegen Großkroatien? Welcher Albaner erhebt denn seine Stimme gegen Großalbanien? Was sind europäische Werte?



        Auf dem Balkan weiß ich gar nicht wo ich hinsehen soll, wenn ich keinen Nationalismus sehen will. Mit Bosniaken sind nur Muslime in Bosnien gemeint. Wie soll denn so jemals eine Einheit in dem Land entstehen?