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Medien-CEO sorgt für EmpörungswelleFragwürdiges Selbstverständnis

Kurz vor der Abstimmung über Mediensubventionen sorgt ein Video von Ringier-Chef Marc Walder für Wirbel. Er selbst will es nicht so gemeint haben.

„Missverständlich formuliert“: Ringier-CEO Marc Walder entschuldigt sich für seine Aussagen Foto: Frank Hörmann/imago images

Zürich taz | Ein geleaktes Video von Ringier-Chef Marc Walder sorgt in der Schweiz für Wirbel: „Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt –, auf meine Initiative hin gesagt: ‚Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen‘“, sagt Walder in dem Video mit Bezug auf die Coronapandemie. Dann weist er auf deutsche Medien hin, die „unglaublich hart“ die eigene Regierung kritisiert hätten, weil diese nicht genügend Impfdosen bestellt habe. „Die sind so hart mit der Regierung, insbesondere mit dem Gesundheitsminister Spahn und Merkel, wie ich sonst von der Bild-Zeitung nicht einmal im Fußballgeschäft kenne“, so Walder.

Die deutschen Medien macht er auch für die gewalttätigen Ausschreitungen auf Demonstra­tionen mitverantwortlich. Das Video wurde im Februar 2021 auf einer Onlinetagung der Schweizerischen Management-Gesellschaft aufgenommen. Veröffentlicht wurde der Ausschnitt Silvester auf der Website des rechtsbürgerlichen Satiremagazins Nebelspalter.

Walder selbst nannte in Interviews seine Aussage „missverständlich formuliert“. Seine zahlreichen Entschuldigungen und emsigen Erklärungen über das Zustandekommen der Äußerungen hinterlassen dennoch einen bitteren Beigeschmack über das journalistische Selbstverständnis eines der einflussreichsten Medienmanager des Landes. Ringier zählt zu den größten Medienhäusern, zu denen auch der Blick gehört, das auflagenstärkste Boulevardblatt in der deutschsprachigen Schweiz. Nun ist von Bestätigung für die „Verschwörungstheoretiker und ‚Lügenpresse!‘-Rufer“ (Tages-Anzeiger) und dem Blick als einer Außenstelle des Bundesamts für Gesundheit (NZZ) die Rede.

Die Empörungswelle seit dem Leak ist so enorm, dass weitere Ringier-Größen sich zu Wort meldeten. In einer Stellungnahme der Blick-Chefredaktion wird kritisiert: „Die Äußerungen unseres Chefs rücken uns in ein falsches Licht“, es habe nie einen Befehl gegeben. Sogar der sonst zurückhaltende Verleger Michael Ringier äußerte sich: Die Unterstellung, dass bei Ringier Journalismus nach Weisung betrieben werde, sei eine absolut böswillige Diffamierung, schreibt er und bemerkt: dass „die journalistischen Heckenschützen zum Teil handfeste politische Absichten haben, gehört zum Alltag in unserem Geschäft“.

Debatte um Mediensubventionierung

Tatsächlich sind Zeitpunkt und Plattform für den Leak kein Zufall, denn die Schweiz befindet sich im Abstimmungskampf. Am 13. Februar wird in einer Volksabstimmung über das „Maßnahmenpaket zugunsten der Medien“ entschieden. Mit dem Paket würden Schweizer Medien mit bis zu 150 Millionen Franken pro Jahr subventioniert, Onlinemedien sollen mit bis zu 30 Millionen Franken jährlich unterstützt werden.

Autor des auf Nebelspalter veröffentlichten Stücks ist Philipp Gut, einst Vizechefredakteur der rechten Weltwoche, er wurde schon wegen übler Nachrede verurteilt. Heute arbeitet er als PR-Berater, laut NZZ ist er Ghostwriter für die rechtspopulistische SVP – vor allem aber ist Gut Geschäftsführer der Kampagne gegen das neue Mediengesetz. Das Komitee „Staatsmedien Nein“ hat ein Referendum gegen die Vorlage eingereicht und will mit dem Slogan „Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre“ die Abstimmung gewinnen. Es gibt Bedenken, dass Medien dann nicht mehr unabhängig seien. „Der Anreiz, staatsunabhängigen und kritischen Journalismus zu machen, dürfte damit gegen Null tendieren“, schreibt Gut auf nebelspalter.ch. Walder weist in der NZZ solche Kritik zurück: „Wir würden zwischen fünf und acht Millionen Franken erhalten“, was für Ringier keine Bereicherung sei.

Im Parlament gehen die Meinungen weit auseinander. Während die Linke wie die SP und die Grünen sich für die Medienförderung aussprechen, ist die Mitte untereinander gespalten, die SVP und die bürgerliche FDP lehnen diese ab. Auch die Medienhäuser sind uneins: Die Weltwoche, der Nebelspalter und die Redaktion der NZZ lehnen das Medienpaket ab. „Wer von der öffentlichen Hand lebt, kann nicht als unabhängig gelten“, argumentiert die NZZ. Hingegen unterstützt das Unternehmen NZZ die Förderung, weil damit die Medienvielfalt gestärkt werde. Das Onlinemagazin Republik hat bisher keine geschlossene Haltung. Die Wochenzeitung WOZ und das Onlinemedium Watson hingegen begrüßen die Initiative.

Hinweis: Die Autorin ist Redakteurin bei der WOZ.

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4 Kommentare

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  • Herr Gut macht Wirbel und verfolgt sicher das neoliberale Ziel; der Staat als Akteur und alles Gemeinschaftliche in die Bedeutungslosigkeit zu drängen um so Meinungsfreiheit für die, die auf dem freien Medienmarkt die meisten Ressourcen besitzen, zu sichern. Ob er die Schweizer:innen dafür gewinnen kann?

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Ich werd' mir jetzt nicht sein ganzes Video reinziehen, aber die Zitate lesen sich für mich so, als muss man das auch missverstehen wollen.

    Karl Valentin wird das Zitat "Es ist doch erstaunlich, dass jeden Tag genau so viel passiert, wie in eine Zeitung passt." zugeschrieben. Jedes Medium fokussiert notwendigerweise - dass muss es auch deswegen, damit es unterscheidbar ist von anderen, ohne "alternative Fakten" in Stellung bringen zu müssen.

    Insofern könnte man den Walder schon auch so verstehen, dass er seine Angebote im Rahmen dieser Fokussierung für gesellschaftlichen Zusammenhalt optimieren möchte und nicht für eventuelle Spaltung. Man kann schreiben, der Spahn ist ein Idiot, man kann aber auch schreiben, es ist nicht nur seine erste Pandemie gewesen, sondern auch das Verfahren, dass alle Staaten gleichzeitig direkt Abnahmeverträge für die Gesamtbevölkerung schließen wollen, ist ein globales Novum. Der Spahn ist trozdem ein Idiot - aber eben wahrscheinlich nicht deswegen... ;)

    Das ist auch aus verlegerischer Sicht gar nicht so doof, weil die Leute durchaus auch positive Nachrichten oder wenigstens nicht-distopische Nachrichten eigentlich ganz gern haben.

    Ich glaube, dass der Journalismus ein riesiges Problem hat, das vor allem mit der sozialen Herkunft der Journalisten beziehungsweise der personellen Strukturen in Verlagen und Sendern zu tun, und da ist auch die taz nicht frei davon - aber über den Talk vom Walder kann ich mich jetzt nicht aufregen.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Ich verstehe die Aufregung auch nicht.

      Und: Der kritische Journalismus kann manchmal auch kiebig, klugscheißerisch und selbstgefällig sein.

      Das ist dann auch nicht schön anzusehen.