Lübeck kauft Hafenanteile zurück: Das bessere Team
Lübecks Hafen ist defizitär. Nun hat die Stadt Hafenanteile von einem privaten Investor für wenig Geld zurückgekauft. Das ist ein guter Schachzug.
Dass das Geschäft so ausgeht, damit konnten die 80 HafenarbeiterInnen nicht rechnen, die 2008 mit Trillerpfeifen und Transparenten den Lübecker Bürgerschaftssaal stürmten. Sie demonstrierten gegen den Verkauf von 25,1 Prozent der städtischen Anteile. Trotzdem hat die Bürgerschaft damals den Verkauf beschlossen.
Die Lübecker Hafengesellschaft (LHG) betreibt das operative Geschäft, das sich auf den Kais abspielt. Dazu gehören vier Terminals, an denen direkt 700 und indirekt zehnmal so viele Menschen arbeiten. Der Lübecker Hafen ist neben den Häfen in Rostock und Kiel der wichtigste deutsche Ostseehafen und der größte mit Roll-on-Roll-off-Betrieb – sowohl für Fähren als auch für den Handel mit Fahrzeugen. Zweiter Schwerpunkt ist der Umschlag von Forstprodukten und Papier.
Die Beteiligung an dieser Logistikdrehscheibe hat sich für den Investor offenbar nicht gelohnt. „Nach zehn Jahren hatte er nun die Möglichkeit, seine Anteile wieder zu verkaufen“, sagt Michael Siemensen, Verantwortlicher für die strategische Hafenentwicklung bei der Lübeck Port Authority (LPA), der die städtischen Hafenanlagen gehören. Sie vermietet einen großen Teil ihrer Flächen an die LHG als Betreiber. Die Flächen selbst waren, bis auf die kleineren, privaten Lehmann-Terminals, stets in städtischer Hand.
Axel Flasbarth, für die Grünen im Wirtschaftsausschuss
In den 2000er-Jahren erschien eine Investition in Infrastruktur wie bei der LHG eine sichere Sache. „Doch dann kam 2008 die Wirtschaftskrise“, erinnert sich Siemensen. „Damals hatte der Hafen 32 Millionen Tonnen Rekordumschlag, wir sind jetzt bei 25 und schaffen es derzeit nicht grundsätzlich zuzulegen.“
Das reiche bei weitem nicht, um profitabel zu sein, sagt Axel Flasbarth, der für die Grünen im Wirtschaftsausschuss den Rückkauf beobachtet hat: „Der Hafen ist defizitär und schreibt nur deswegen eine schwarze Null, weil die Stadt auf Mieteinnahmen und die Mitarbeiter auf einen Teil ihrer Lohnsteigerung verzichten.“
Ein weiterer Grund für die Misere ist Kennern des Betriebs zufolge, dass 2015 ein großer Kunde abgesprungen ist. Trotzdem hat Rreef 2017 weitere 12,1 Prozent von der Stadt gekauft. Insgesamt hielt der Investor damit 35,7 Prozent der Anteile an der Hafengesellschaft. Der Nachkauf sei von Anfang an vereinbart gewesen – ebenso wie die Verkaufsoption. Im Rückblick sei es für Rreef ein schlechtes Geschäft gewesen, sich bei der LHG einzukaufen, sagt der Insider: „Die haben die Notbremse gezogen, um nicht noch mehr Miese zu machen.“
Aufgrund des laufenden Restrukturierungsprogramms sei das Jahresergebnis, „trotz der Coronadelle 2020 mit 430.000 Euro im Plus“, sagt die Pressespecherin der Stadt, Nicole Dorel. Das Programm sieht vor, dass die Beschäftigten noch bis Anfang 2022 auf insgesamt 17 Millionen Euro Gehalt und die Stadt auf ebenso viel an Pacht verzichtet.
Es heißt, die MitarbeiterInnen mit alten Verträgen hätten trotzdem noch teils deutlich höhere Löhne als ihre KollegInnen in Rostock oder Kiel. Der CDU-Vorsitzende Oliver Prieur forderte deshalb in den Lübecker Nachrichten eine neue Strategie für den Hafen. Vor der Teilprivatisierung habe die LHG als „Selbstbedienungsladen“ gegolten, dadurch sei der Hafen „nicht konkurrenzfähig“. Mit anderen Worten: Die Löhne müssten angeglichen werden.
Der Grünen-Abgeordnete Flasbarth sieht den Rückkauf als Teil eines Trends, dass Kommunen frühere Privatisierungen rückgängig machen. „Früher hat man geglaubt, Investoren könnten sehr viel besser wirtschaften als Kommunen“, sagt Flasbarth. Das habe sich aber nicht bestätigt. Jetzt kann die Stadt wieder selbst entscheiden, wie sie ihre Tochtergesellschaft entwickelt. Und: Als Eigentümer können Städte schneller handeln, etwa beim ökologischen Umbau ihrer Infrastruktur.
Die Konkurrenz wird härter
Gerade hat die Hafenbehörde LPA einen Hafenentwicklungsplan für die Jahre bis 2030 vorgestellt. Darin festgelegt sind vor allem der Ausbau für noch größere Schiffe, mehr Digitalisierung für den Güterverkehr und eine bessere Erreichbarkeit der Terminals, die teilweise am Rand der Innenstadt, teilweise am offenen Meer liegen.
Allerdings wird die Konkurrenzsituation nicht einfacher: Vor Kurzem haben in Dänemark die unterseeischen Arbeiten für die feste Fehmarnbeltquerung begonnen, also für den Tunnel zwischen Fehmarn und Dänemark, der als Alternative zu den Fährverbindungen nach Südschweden dienen soll. Ob er dem Hafen Aufträge wegschnappt, hänge „davon ab, was die Durchfahrt durch den Tunnel im Abgleich mit der Fährfahrt kosten wird“, sagt Michael Siemensen. Die Stadt gibt sich optimistisch, sie sieht „keine nachhaltige negative Entwicklung für den Standort“.
Teil des Hafenentwicklungsplans soll auch ein „Klima- und Naturraumkonzept“ sein. Die Betreiber denken dabei sicherlich an die Landstromanschlüsse für die Schiffe, die auf Anregung eines großen Kunden schon gelegt wurden. Aber hier ist noch viel Luft nach oben. Gerade hat die LHG eine riesige Halle gebaut – mit einer wie üblich blanken, gigantischen Dachfläche. Sie mit Photovoltaik zu belegen, scheint ihr bisher nicht in den Sinn gekommen zu sein.
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