Virologische Bilanz der Sommerspiele: Schreckensszenario blieb aus
Die Olympischen Sommerspiele von Tokio waren vieles. Ein Superspreading-Event waren sie definitiv nicht, brachten auch keine neuen Varianten hervor.
In gut einem Monat beginnen die Olympischen Winterspiele in Peking. Die Hygieneauflagen sind noch strenger als bei den letzten Sommerspielen in Tokio. Aus Peking hörte man zuletzt, das müsse unter anderem so sein, damit nicht neue Virusvarianten nach China eingeschleppt würden. Die Angst vor fremden Mutationen aus Amerika oder Europa ging vor einigen Monaten auch in Japan um. Allerorten wurde prognostiziert, die Spiele würden zu einem Ansteckungs-Armageddon verkommen.
„Die Spiele von Tokio könnten ein dreiwöchiges Superspreader-Event werden, das in ganz Japan und weit darüber hinaus zu Tod und Krankheit führt“, orakelte ein Autor der New York Times. In die gleiche Kerbe schlug der Vorsitzende der japanischen Ärztegewerkschaft, Naoto Ueyama, im Vorfeld des weltgrößten Sportfestes. Er befürchtete das Auftreten eines „Olympiastrangs“, also einer neuen Mutation mit zusätzlichem Gefahrenpotenzial. Sollte das geschehen, dann wäre das eine „Riesentragödie“, man würde dann für „hundert Jahre Ziel der Kritik sein“, befürchtete der Mediziner.
Die Spiele sind sicher
Wie so oft in der Coronakrise ist auch dieses Schreckensszenario nicht eingetreten. Es gab keinen Olympiastrang, und schlimm verseucht wurde das japanische Volk von den Mitbringseln der Einreisenden auch nicht. Diesen Befund hat sich das Internationale Olympische Komitee in einer Studie jetzt noch einmal bestätigen lassen: „Genomsequenzierungsdaten der japanischen Regierung haben bestätigt, dass es zwischen den Teilnehmern der Olympischen und Paralympischen Spiele und der lokalen Bevölkerung keine Ausbreitung eines neuen Coronavirus gegeben hat“, schreibt das IOC, das auch den Wirkmechanismus zu kennen glaubt: die rigorosen Maßnahmen.
Laut Saito Tomoya, Direktor des Zentrums für Notfallvorsorge in Japans Institut für Infektionskrankheiten, stammt die dominante Sars-CoV-2-Variante in Japan, genannt AY.29, wohl aus dem ersten Delta-Stamm, der etwa im Mai, zwei Monate vor den Sommerspielen, erstmals ins Land kam. Diese Variante kommt bis auf ein paar Ausnahmen nur in Japan vor. Ergo: „Es gibt keine Beweise dafür, dass ein neuer Virusstamm von den Olympiateilnehmern auf den Rest der Welt übertragen wurde. Und jene AY.29-Epidemie in Japan bedeutet, dass sich Virusstämme, die von den Teilnehmern eingeschleppt wurden, in Japan nicht ausgebreitet haben“, bilanziert Tomoya.
Die Variante AY.29 erreichte in den vergangenen Wochen in Japan einen Verbreitungsgrad von etwa 80 Prozent innerhalb der sequenzierten Proben; im Gesamtverlauf der Pandemie liegt der AY.29-Anteil in Japan bei fast 60 Prozent. Während mit Beginn der Sommerspiele der R-Wert, der Auskunft gibt, wie viele Personen ein Kranker ansteckt, von 1,5 auf 0,5 abfiel, war auch die Positivrate der Tests während der Spiele niedrig. Mit nur 33 positiven Fällen bei 11.300 Athleten hätten sich die Spiele, wie das IOC schreibt, „als sicher“ erwiesen.
Bei nur 0,29 Prozent der Athleten fiel der Coronatest also positiv aus. Die Ergebnisse, die das IOC in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation WHO nun veröffentlicht hat, zeigen, „dass Tokio 2020 trotz der vor den Spielen geäußerten Kritik und Bedenken nicht zu einem Spreading-Event und schon gar nicht zu einem Superspreading-Event geführt hat“, so Brian McCloskey, Vorsitzender des Expertengremiums zur Covid-19-Bekämpfung bei den Spielen von Tokio.
Derzeit liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in Japan übrigens bei 1,9.
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