piwik no script img

Das NSU-Urteil gegen André EmingerFür die Opfer unerträglich

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall des NSU-Helfers Eminger sendet ein fatales Signal. Wieder kann die rechte Szene jubilieren.

Menschen beteiligen sich am 06.11.2021 an einer Demonstration des Hamburger Bündnis gegen Rechts unter dem Motto „NSU-Morde aufklären – Rassismus bekämpfen – rechten Terror stoppen“ Foto: J. Große/Adora

E s ist ein bitteres Ende. André Eminger, der engste Helfer des NSU-Trios, bleibt auf freiem Fuß. Der BGH verwirft die Revision der Bundesanwaltschaft gegen dessen NSU-Urteil. Schon im Münchner Prozess war er milde davongekommen, mit 2,5 Jahren Haft – die Bundesanwaltschaft hatte 12 Jahre gefordert. Damals applaudierten Szenefreunde auf der Empore. Nun dürften sie wieder jubilieren.

Zehn Morde, drei Anschläge und fünfzehn Raubüberfalle verübte der Nationalsozialistische Untergrund – die bis heute schwerste Rechtsterrorserie der Republik. Dutzende Menschen wurden verletzt, sind bis heute traumatisiert, ihre Existenzen zerstört. Nur Beate Zschäpe muss lebenslänglich ins Gefängnis, ihre zwei Kumpane hatten sich erschossen. Vier Helfer kamen fast durchweg mit niedrigen Strafen davon – so nun auch Eminger.

Natürlich muss der Rechtsstaat Eminger eine Schuld nachweisen. Aber das Münchner Gericht zweifelte, dass er früh eingeweiht war. Und der BGH sieht dabei nun keine Rechtsfehler. Dabei spricht alles dagegen, dass Eminger nichts wusste. Ausgerechnet er, ein Mann mit „Die Jew Die“-Tätowierung, der den Terroristen einen Schrein errichtete und sich nie vom NSU-Terror distanzierte? Größer noch wird das Unbehagen, da man davon ausgehen muss, dass es weitere Helfer des NSU gibt, die bis heute nicht belangt sind.

Für ihre Existenz spricht viel: Die NSU-Taten erfolgten quer durch die Republik, teils penibel ausgespäht, mit Waffen, deren Herkunft weitgehend ungeklärt ist. Gegen neun mögliche Helfer hat die Bundesanwaltschaft noch Verfahren offen.

Wohl nicht mehr lange. Denn wenn schon der engste Helfer nicht drangekriegt wird, werden es die anderen noch weniger. Die Anhängerschaft rechten Terrors kann sich also entspannt zurücklehnen – und weitermachen. Und das in Zeiten, in denen diese Terrorgefahr keineswegs gebannt ist, sondern mit radikalisierten Coronaleugnern, Reichsbürgern oder Extremisten in den Sicherheitsbehörden ohnehin wächst. Der Fall Eminger sendet hier ein fatales Signal. Für die NSU-Opfer muss es unerträglich sein.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Ich habe in der Schule noch gelernt, die Qualität des Rechtsstaats bemisst sich daran, wie er mit seinen Feinden umgeht.

    Heute soll sich seine Qualität daran bemessen, welche "Signale er aussendet".

  • Thomas Walter:



    Jene „konkrete“ Tatbeteiligung ist nicht das, was das Gesetz verlangt. Ausdrücklich ist jede Unterstützung einer Haupttat eine „Beihilfe“. Diese Unterstützung kann auf unterschiedlichste Art und Weise geleistet werden. Die Entscheidung von 2016 bestätigt, was ich 2008 bereits in den Schlussbericht im Fall Demjanjuk ausgeführt hatte. Teil der Maschinerie zu sein, genügte bei allen anderen Delikten seit einer Ewigkeit, nur nicht bei NS-Verbrechen. Wer etwa Teil der Bankräuber-Bande ist und das Fluchtauto „tuned“ oder wer „pfeift, wenn die Bullen kommen“, unterstützt die Haupttat. Im Fall „Nine-Eleven“ – bei den Anschlägen am 11. September 2001 auf das New Yorker World Trade Center – hatte der BGH 2006 keinen Zweifel, die Verurteilung von Mounir al-Motassadeq zu bestätigen. Motassadeq war Teil der Maschinerie im fernen Hamburg, als er den Piloten Mohammed Atta mit einigen tausend Mark für die Flugschule unterstütze. Er bekam die Höchststrafe für Beihilfe zum Mord: 15 Jahre.

    www.migazin.de/202...ommt-nie-zu-spaet/

  • Warum genau soll er jetzt eine höhere Strafe verdient haben? Geht aus dem Artikel nicht hervor - sich nicht zu distanzieren ist offensichtlich kein Verbrechen…

  • Ich weiß nicht, ob er schuldig ist, und Männer und Frauen mit „Die Jew Die“- oder anderen White Power Tattoos, die den Terroristen Schreine errichten und sich nie vom NSU-Terror distanzierten, gibt es sicherlich hunderte in Deutschland. Das ist tatsächlich unerträglich. Jedoch lässt sich daraus in einem Rechtsstaat, anders als übrigens in der ddr, keine strafrechtliche Relevanz ableiten. Und das ist nicht nur für Opfer, deren Angehörige und alle Antifaschisten und Demokraten unerträglich.

  • Sind die Roben der Richter jetzt braun?