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Deutsche AußenpolitikDie EU zurück aufs Spielfeld holen

Die neue deutsche Außenministerin erbt mehrere Krisen. Die Abstimmung mit europäischen Partnern wird dabei kniffelig.

Europäisch antworten: Annalena Baerbock und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Foto: Kay Nietfeld/dpa

Brüssel taz | Annalena Baerbock hat keinen leichten Start erwischt. Ähnlich wie ihr grüner Amtsvorgänger Joschka Fischer wird auch die neue deutsche Außenministerin gleich zu Beginn ihrer Amtszeit mit Fragen um Leben und Tod konfrontiert.

1998 war es der Krieg ums Kosovo, der die deutsche Diplomatie (und die Grünen) heftig erschütterte. 23 Jahre später geht die Kriegsangst in der Ukraine und in Armenien um, auch auf dem Balkan rumort es wieder. Die Lage ist so ernst, dass sich die Nato auf alle Eventualitäten vorbereitet. Auch die EU ist alarmiert. Beim EU-Gipfel in der kommenden Woche steht die „Destabilisierung“ in Osteuropa ganz oben auf der Agenda.

Gemeint ist nicht nur der russische Truppenaufmarsch rund um die Ukraine und das Säbelrasseln am Schwarzen Meer. Auch die Krise im Grenzgebiet bei Belarus und der blutige Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan macht Brüssel Sorgen. Kanzler Olaf Scholz muss bei seinem ersten EU-Gipfel entscheiden, ob es neue Sanktionen gegen Russland geben soll – oder ob er auf einen Dialog mit Kremlchef Wladimir Putin setzt, wie seine Amtsvorgängerin Angela Merkel.

Auch Baerbock ist gefordert. „Dialog und Härte“ hatte sie im taz-Interview als Devise ausgegeben. Bereits am kommenden Montag muss sie sagen, was sie damit genau meint: Dann treffen sich die EU-Außenminister in Brüssel.

Im Fahrwasser der USA

Wird Baerbock den USA folgen, die schon während der Koalitionsverhandlungen in Berlin einen harten Kurs forderten und auf einen Stopp der Ostseepipeline Nord Stream 2 drängten? Oder wird sie versuchen, eine eigenständige europäische Position zu erarbeiten? Im Koalitionsvertrag ist viel von „europäischer Souveränität“ die Rede. Das gilt es nun mit Leben zu füllen. Das Außenministertreffen ist eine erste Gelegenheit, vielleicht auch die letzte.

Denn in der Ukraine-Krise haben die USA die EU immer mehr an den Rand gedrängt. Beim Videogipfel zwischen US-Präsident Joe Biden und Putin am Dienstag nahm kein EU-Vertreter teil, das von Deutschland und Frankreich entwickelte „Normandie-Format“ spielte keine Rolle. Baerbock und Scholz müssen versuchen, die EU zurück aufs Spielfeld zu holen. Schließlich geht es hier in erster Linie um europäische Interessen, nicht um US-amerikanische. Das gilt auch in der China-Politik. Auch dort sind die Europäer immer mehr ins Fahrwasser der USA geraten.

Zuletzt hat sich dies beim Streit über die Olympischen Winterspiele 2022 in China gezeigt. Die USA haben Anfang der Woche angekündigt, keine offiziellen Vertreter nach Peking zu schicken. Australien, Kanada und Großbritannien schlossen sich dem an. Die EU hüllte sich in Schweigen.

Baerbock will nun eine „europäische Antwort“ finden. Sie könnte noch härter ausfallen als die US-amerikanische: So wirbt die FDP-Europaabgeordnete Nicola Beer für einen Totalboykott der Spiele. Das wäre ein Paukenschlag – Baerbock muss sich gut überlegen, ob sie gleich zu Beginn ihrer Amtszeit einen Bruch mit China riskieren will.

Eine weitere Frage ist das Verhältnis zur Türkei. Solange Heiko Maas noch das Auswärtige Amt leitete, nahm er immer wieder Rücksicht auf Präsident Recep Tayyip Erdoğan und dessen imperiale Politik. Weder Gasbohrungen vor Zypern noch Militäreinsätze in Bergkarabach konnten die deutsch-türkische Freundschaft erschüttern. Dies führte zu erheblichen Verstimmungen in der EU; vor allem Frankreich und Griechenland forderten ein härteres Vorgehen.

Baerbock muss sich nun entscheiden, ob sie den deutschen Schmusekurs fortsetzen will oder mehr auf europäische Interessen und Werte setzt, wie im Koalitionsvertrag vereinbart.

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3 Kommentare

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  • Die Ukraine wird gerade von den USA verteidigt, die EU schaut zu. Das ist nicht nur beschämend, sondern auch gefährlich. Die EU muss sich endlich mal aufraffen zu Einigkeit und Stärke. Aber das ist ja das Schöne an den Aufgaben, die Baerbock vorfindet: die Antworten liegen alle auf der Hand. Natürlich kann man mal mit Putin plauschen, nur reagieren wird er nur auf Entschlossenheit. Ebenso muss man beim amerikanischen Olympia- Boykott mitmachen, einfach weil sonst das Verhältnis zu den USA noch mehr Schaden nehmen würde und selbstverständlich auch, weil China gerade glaubt mit Litauen Schlitten fahren zu können. Auch China respektiert nur Stärke und dazu muss die EU einig sein. Deutschland hat sich schon viel zu lange selber überschätzt, man meint hierzulange ja gerne, man sei so wirtschaftsstark und innovativ, dass man eigene Brötchen backen kann, das ist aber dumm. Beide Probleme sind aber eher aktuelle Petitessen. Wirklich schwierig ist eben, langfristig von nationaler Außenpolitik und Außenwirtschaftspolitik wegzukommen und eine gemeinsame EU- Außen- und Sicherheitspolitik zu entwickeln und auch selber durchzusetzen. Es eilt! China steht mit seiner neuen Seidenstraße und den so geschaffenen Machtstrukturen schon nicht mehr nur vor der Haustür, sondern nimmt längst auch Einfluss auf die einzelnen EU- Staaten. Und mit seiner neuen Kolonialpolitik in Afrika nimmt China längst auch Einfluss auf die globalen Rohstoffpreise. Es braucht eine Gegenstrategie.

  • Die Grünen waren z.T. vehement gegen Nordstream-2. Und jetzt?



    Wenn Boykott der Olympiade in China - gut begründbar - dann auch Boykott der Fussball-WM in Qatar!



    Konsequent Arbeiter- und Menschenrechte zuerst.

    • @nzuli sana:

      Wäre m.E. mehr dem Frieden und Harmonie förderlich... mehr Dialog ins Feld zu bringen! Und mit Isolation, Sanktionen und Boykott und harten Worten nicht so Macht bewusst um sich zu werfen! Wozu das zivile der EU im Namen von NATO und USA zu militarisi eren?