piwik no script img

Klimapläne der AmpelEin Stück Revolution

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Mit den Vorhaben von Rot-Grün-Gelb wird das 1,5-Grad-Ziel nicht zu erreichen sein. Aber die neue Regierung nimmt das Thema ernst – anders als die Groko.

Die Ampelblume im Innenhof der Stadtwerke München leuchtet in allen Phasen Rot, Gelb und Grün Foto: Peter Kneffel/dpa

K limaschutz ist ein zentraler Begriff im Koalitionsvertrag der Ampel. Reichen die Vorschläge für den deutschen Anteil daran, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen? Die Antwort lautet: „Nein.“ Aber: Ist das für die neue Regierung in den nächsten Jahren die entscheidende Frage? Die Antwort heißt wieder: „Nein.“

Ob sich die Ampel „auf den 1,5-Grad-Pfad begibt“, wie es immer heißt, ist heftig umstritten. Zu unscharf und zu unterschiedlich sind die Kriterien dafür. Mit guten Argumenten fordern etwa die Fridays for Future einen harten CO2-Sparkurs. Eine Bundesregierung kann aber nicht einfach 2027 den Laden zumachen, wenn das weltweite Pro-Kopf-Budget für Deutschland erschöpft sein sollte. Deshalb lautet die entscheidende Frage: Macht das viertgrößte Industrieland der Welt endlich ernst mit dem Umbau der Industriegesellschaft zur klimaneutralen „grünen Null“?

Die Ampel will es zumindest versuchen. Das ist keine Evolution mehr, sondern schon eine ordentliche Revolution: Drei- bis viermal so viele Wind- und Solaranlagen pro Jahr wie derzeit, frühere Verfallsdaten für die Kohle, den Verbrennungsmotor und fossile Heizungen, Wasserstoff, Industriehilfen, schnellere Verfahren – und all das ist nur der Anfang. Was in den Merkel-Jahren an dringend nötigem Strukturwandel verzögert wurde, soll nun alles auf einmal angepackt werden.

Das klingt ziemlich verrückt. Noch verrückter wäre es allerdings, das nicht zu tun. Denn die einzige Chance, die Klimakrise noch einigermaßen zu beherrschen, ist dieser Crashkurs: Hier und weltweit eine bislang einmalige Dynamik loszutreten, die Erneuerbare unglaublich schnell unglaublich groß macht und fossile Techniken in wenigen Jahrzehnten abschaltet. Kapital, Willen und Können müssen zusammengebracht werden, um die Komfortzone zu verlassen und mit Lust den Umbau eines ganzen Gesellschaftsmodells zu beginnen. Und dabei ist die große Mehrheit der Bevölkerung mitzunehmen, die nicht grün gewählt hat.

Neue Klima-Außenpoliitk

Das wird in den ersten Jahren nicht nach einem 1,5-Grad-Pfad aussehen. Und damit es gelingt, muss die Ampel mit einer völlig neuen „Klima-Außenpolitik“ andere Länder mitnehmen. Dafür wird Deutschland ebenso wie die anderen Industriestaaten das Mehrfache der heutigen Klimafinanzierung an Schwellen- und Entwicklungsländer überweisen müssen.

Und da kommen wieder Gelb und Rot in der Ampel ins Spiel: Finanzminister Christian Lindner muss national und international viele Milliarden Euro lockermachen. Und Olaf Scholz muss das Thema wie versprochen als Chefsache behandeln. Sonst bleibt der Koalitionsvertrag nur schöne Prosa. Und der 1,5-Grad-Pfad ein leeres Versprechen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Zumindest in der Verkehrspolitik geht man jetzt schon in die falsche Richtung. Die "Ampel" will den "Führerschein ab 16" einführen, also — unter begeistertem Applaus der ADAC-Autolobby — Jugendliche noch früher ans Auto gewöhnen. Richtig wäre der gegenteilige Weg gewesen, also der Führerschein ab 21 oder 25 Jahren. So geht Verkehrswende jedenfalls nicht und Klimarettung auch nicht.

  • Ich sach nur: gelbe Null

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Der neue Verkehrsminister Wissing, im Amt, weil die Grünen das Ministerium nicht haben wollten; dieser neue Verkehrsminister also sieht sich als Schutzpatron der Autofahrer und will offenbar die KFZ Steuer für Dieselfahrzeugen SENKEN.

    Soviel zu der hier beschriebenen "Revolution"

    Noch eine Bitte an die grüne Basis: Bitte, bitte stimmt gegen die Annahme des Koalitionsvertrages.



    Wenn Eure Parteiführung schon nicht den Mut hat, hier "Nein" zu sagen (so wie übrigens damals die FDP!!), dann könnt ihr es noch verhindern.



    Tut es, sonst ist Eure Partei bald Geschichte.

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Ne, Verweigerung ist nicht die Lösung. Sonst gibt es wieder eine GroKo und die hatten wir jetzt 16 lange Jahre. Da passiert dann gar nichts!

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Die Grünen sollten von Lindner lernen: "Lieber nicht regieren als falsch regieren."