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Debatte um Rassismus in der Clubkultur„Wir hatten Aufholbedarf“

Der Club Revier Südost reagierte auf Rassismusvorwürfe und machte dicht. Nun hat sich das Team antirassistisch weitergebildet und öffnet wieder.

Club Revier Südost in Berlin-Schöneweide Foto: Jürgen Ritter/imago
Interview von Andreas Hartmann

taz: Frau Krüger, Mitte August stand Ihr Club Revier Südost in der Kritik: Ein Gast gab an, vom Sicherheitspersonal ungerecht behandelt worden zu sein. Er sei wegen Corona-Vorgaben gemaßregelt und aus dem Club geworfen worden. Er empfand das als rassistisch. Danach meldeten sich weitere Gäste und sagten, ihnen sei Ähnliches in Ihrem Club passiert. Sie haben den Betrieb für drei Monate eingestellt, um das aufzuarbeiten. Ging es einfach nicht mehr anders?

Michaela Krüger: Wir wollen ein Club sein, in dem sich je­de:r willkommen fühlt und unabhängig von Hautfarbe, sexueller Orientierung, Geschlecht oder Herkunft feiern kann. Diesen Ansprüchen sind wir nicht gerecht geworden. Deshalb haben wir alle Veranstaltungen und die Kommunikation nach außen gestoppt und uns die Zeit genommen, zuzuhören, zu reflektieren und zu lernen – als Organisation und als Individuen.

Andere hätten sich entschuldigt – was ihr ja auch getan habt – und dann einfach weitergemacht.

Wir wollten uns ganz bewusst die Zeit nehmen, gemeinsam zu lernen und uns weiterzuentwickeln. Es war uns wichtig, erst dann wieder zu öffnen, wenn zentrale Veränderungen umgesetzt sind. Jetzt stehen wir uns an dem Punkt. Auch wenn wir weiter an uns arbeiten werden.

Nach dem Vorfall kündigte die sexpostive Partyreihe Cocktail d'Amore die Zusammenarbeit mit euch.

Ich möchte ungern für die “Cocktail“ sprechen.

Gab es bei euch personelle Konsequenzen?

Im Interview: Michaela Krüger

Michaela Krüger ist Pressesprecherin des Clubs Revier Südost in Schöneweide, dem Nachfolger der Griessmühle in Neukölln.

Die Crew ist die alte, und wir sind stolz darauf, wie wir gemeinsam in den letzten Monaten an uns gearbeitet haben. Bei der Security haben wir uns aber neu aufgestellt. Smiley Baldwin, einer der erfahrensten Türsteher Berlins, hat die Verantwortung und Leitung übernommen und wird mit seinem eigenen Team arbeiten. Sein Fokus auf einen wertschätzenden und achtsamen Umgang bietet eine bestmögliche Unterstützung für unsere Veranstaltungen.

Was ist in den vergangenen Monaten bei euch passiert?

Mithilfe eines vielfältigen Ex­per­t:in­nen­teams um eine DEI-Trainerin haben wir ein zweitägiges Training für unser gesamtes Team zum Thema Diversity, Awareness und Konfliktlösung durchgeführt. Im Expert:innen-Team waren People of Color, Frauen und Mitglieder der LGBTQ+-Community, sie haben alle ihre spezifischen Perspektiven auf Diskriminierung und Belästigung eingebracht. Mit ihnen haben wir uns insbesondere mit unbewussten Vorurteilen, struktureller Diskriminierung, weißem Privileg, Mikro-Aggressionen und Allyship beschäftigt. Das hat uns geholfen, ein stärkeres Bewusstsein für Rassismus, Sexismus und Homophobie zu entwickeln. Aus diesen Trainings heraus ist eine diverse Gruppe aus Mitarbeitenden entstanden, die den begonnenen Prozess fortsetzt und weitertreibt. Etwa weitere und regelmäßige Schulungen, Feedback von Gästen und Mitarbeitenden und Zusammenarbeit mit unseren Partner:innen.

Würdet ihr sagen, ihr hattet in Sachen Awareness Aufholbedarf im Vergleich zu anderen Berliner Clubs, die auf das Thema schon länger Wert legen, wie etwa das About Blank oder das Mensch Meier?

Wir hatten sicherlich Aufholbedarf. Deshalb sind wir diesen Weg gegangen. Und das, obwohl queere Veranstaltungen schon immer ein Eckpfeiler unseres Programms sind. Die intensive Auseinandersetzung hat uns aber auch noch mal deutlich gemacht, dass sich etwas in der Clubkultur verändert. Das ist gut so, und wir suchen aktiv den Austausch mit anderen Clubs, um zu lernen, was funktioniert und was nicht.

Was genau braucht es, um seinen Club zu einem echten Safe Space zu machen? Und werdet ihr das schaffen?

Selbst verordnete Pause

Vorwurf Mitte August kursierte ein Video, in dem sich ein Gast des Reviers Südost über rassistisches Verhalten des Sicherheitspersonals bei einer Party dort beschwerte. Weitere Gäste berichteten von ähnlichen Erfahrungen.

Reaktion Der Club schloss daraufhin und versprach, die Vorfälle aufzuarbeiten. Dafür hat er sich eine Awareness-Schulung verordnet. Nach drei Monaten Pause öffnet er am Samstag wieder. (aha)

Der Begriff „Safe Space“ wird sehr häufig verwendet, aber auch in unseren Trainings ist noch mal deutlich geworden, dass es so etwas wie einen absolut sicheren Ort nicht geben kann. Wir haben mit unserem Awareness-Konzept notwendige Voraussetzungen geschaffen, aber auch wir können nicht ausschließen, dass es nochmals zu Vorfällen kommt. Deshalb verwenden wir lieber den Begriff des „Safer space“. Das zeigt auch unser Awareness-Team, das nun an allen unseren Veranstaltungen teilnimmt. Es wird ein Kontaktpunkt für alle Gäste, die irgendeine Form von Fehlverhalten, Belästigung oder Diskriminierung erlebt haben. Es soll helfen, Erfahrungen zu verarbeiten, Konflikte zu lösen und eine sichere und angenehme Atmosphäre für alle zu schaffen, insbesondere für unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen.

Morgen feiert ihr eure Indoor-Opening-Party. Angesichts der vierten Coronawelle: Ist das wirklich der richtige Zeitpunkt dafür?

Wir beobachten die aktuelle Situation sehr genau und sind im engen Austausch mit der Clubcommission und den für uns zuständigen Behörden. Wir haben alle notwendigen Maßnahmen und Vorbereitungen getroffen. Dazu gehört auch unser eigenes System zur Kontaktnachverfolgung und ein Testzentrum auf unserem Gelände.

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