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Die WahrheitWie alles begann

Meine erste Kolumne: Früher war tatsächlich alles besser. Da fanden noch Texte über Faxgeräte reißenden Absatz. Nicht.

M eine hammermäßige taz-Karriere begann vor circa 26 Jahren. Da krakeelte die Wahrheit-Seite zwar schon in der Kita herum, aber alle anderen tazler von Belang waren noch nicht einmal geboren. Wie jeder später wichtige Mensch begann ich als Aushilfe: Die Redakteurin Carola Rönneburg, die ich noch aus tip-Zeiten kannte, entdeckte eine klaffende Lücke dort, wo eine Kolumne hätte stehen müssen, und rief mich an. Schnell, schnell, schnell sollte es gehen, was mir nichts ausmachte – schließlich hatte ich mal vor dem Krieg in einer Lokalredaktion im Axel-Springer-Verlag ein sechswöchiges Praktikum absolviert. Das ist übrigens schon meine komplette journalistische Ausbildung, und bin ich nun ein Profi oder nicht?

Ja, dafür muss man nicht studiert haben, liebe Kinder, früher war alles besser und der Zucker süßt auch nicht mehr so und dieses Internetz da … Wo war ich stehen geblieben?

Beim Faxen meiner ersten Kolumne, ach ja. Sie handelte vom Faxen oder dem Kauf von Faxgeräten oder von Frauen, Faxgeräten und Faxgerätfachverkäufern und war ein Muster jener sinnlosen Selbstbezüglichkeit, die ich in den folgenden 26 Jahren ebenso perfektioniert zu haben glaube wie meine brillanten Verbkonstruktionen und meine Füllwörter-Streubüchse, mit der ich noch jeden Text sozusagen gleichsam wie von selbst unauffällig auf Länge gebracht habe.

Sehr aufgeregt stand ich schließlich da, gülledunstumweht in der Südheide im zur Wohnung umgebauten Schweinestall vor meinem Endgerät, das mich mit dem Berliner Weltgeist in Verbindung faxen sollte, und konnte es nicht fassen. Genauso fühlt es sich heute noch an, nur ohne Faxgerät.

Danke, Honorarabteilung

Damals hatte ich tatsächlich kurz überlegt, meinen Hauptjob zu verlassen und mich als brillante Kolumnistin durchs Leben zu schlagen. Der Honorarabteilung der taz bin ich ewig dankbar, dass sie mir die Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens seit 26 Jahren hinreichend deutlich macht, da ich Kolumnen inzwischen eher überschätzt finde. Ich kam darauf, weil ich auch für Spiegel Special geschrieben hatte. Die hatten mit echtem Geld bezahlt!

Aber wer schert sich schon um Geld, wenn er neue Freunde haben kann: Mit der legendären Fanny Müller legte ich gemeinsam los. Über sie lernte ich den Zeichner ©TOM kennen, den ich noch immer verehre. Die geduldigen Redakteure und Redakteurinnen, die mir meine eigenen Witze erklären müssen, weil ich mal wieder schlampig formuliert habe, möchte ich niemals missen; ich sehe sie nur zu selten, ebenso wie Pia F., den irischen Ralf und all die anderen Kollegen, die mir ans Herz gewachsen sind.

Irgendwann baue ich meine Dorfwohnung wieder zum Schweinestall zurück und ziehe nach Berlin. Falls mich die Wahrheit vorher in Rente schicken sollte, errichte ich aus Rache ein Museum mit den gesparten Getränkebons unserer Lesungen. Wahrscheinlich werden sie jedoch noch vor der Eröffnung von der Honorarabteilung wieder einkassiert.

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Susanne Fischer
Autorin
Susanne Fischer schreibt Romane und Kinderbücher und arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds e.V., letzteres ehrenamtlich. (FOTO: THOMAS MÜLLER)
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4 Kommentare

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  • .. dieses Internetz da...



    Wenn ich das so vor mir sehe. Schön!



    Wie bringe ich Gefühl in's Fax?



    Natürlich „Lost in Translation“, in dem sich Scarlett Johansson und Bill Murray aus der Entfremdung ihrer Tokioter Hotelzimmer Nachrichten zusenden.



    Blut, Tränen, Thermopapier geht auch.



    John McClane, der dem eigenhändig abgeballerten Terroristen am Airport schnell noch ein Stempelkissen auf die Schurkenhände presst und die Fingerabdrücke an seinen Bullenkumpel in der Zentrale faxt.



    Der Dichter darf beim Fax nicht fehlen.



    ....„Oh, vergib mir Wem die Stunde schlägt. Oh, vergib mir Mann, der auf dem Wasser lief...“ beginnt der getippte Text und endet mit den Zeilen „Dies ist mein erstes FAX GEDICHT. Zu spät: Ich bin völlig aufgeschmissen“. Keine drei Wochen später war der Absender tot. Es war das letzte Gedicht des amerikanischen Schriftstellers Charles Bukowski.....

  • Schön & Immer noch nich die Faxen dicke!



    Dat Susanna! Liggers. Chapeau.



    & thnx a lot for assist -



    “… und bin ich nun ein Profi oder nicht?“



    Diese Frage wurde unlängst gemäß dem steinalten:



    “ 🎷ophonist 🎻er 🎺r fahren 🚕 - Wer ist der Berufsmusiker?“



    Auf Sessionfahrt gen Verbotene Stadt D-doof - ausgiebig aber sinnlos erörtert!



    “Sind das denn Berufsmusiker?“ hatte die gewichtige Vorstandsdame des schwer alternativen Kulturzentrums auf Staatsknete pikiert gefragt!



    Als das Ansinnen für Sessiontermine mtl. lungo via icke an sie herangetragen worden war - nachdem diese unsere kölsche FreeMusikInstitution seit mehr als 30 Jahren - batz - dank städtischkölscher Bauinitiative seines Spielorts verlustig gegangen war! Uff.

    kurz - Lösung - “Das muß im Vorstand entschieden werden!“ Fein - 🙀😱 -



    &Däh! -



    “Wg Corona machen wir aber keine Vorstandssitzungen“ •



    Fazit: “Hoch lebe die - Alternative Kulturbürokratie!“ - 🤢🤮 -



    Da haste echt die Faxen dicke. Berufsmusiker? Koa Ahnung nich. Newahr.



    Normal.

    • @Lowandorder:

      Da fàllt mir doch nix anderes ein als -



      zuzustimmen. Susanne Fischer UND Lowando