piwik no script img

Männer, die auf Handys starren

Eine neue Allensbach-Studie zeigt Missstände in der Politik auf – und sagt, wie das beseitigt werden kann

Von Simone Schmollack

81 Prozent der (weiblichen) Politikerinnen in Deutschland beklagen eine Diskrepanz von Familienleben und politischem Engagement: Das Privatleben leide, weil es zu viele Termine abends sowie am Wochenende gebe. Mit 87 Prozent empfinden sogar noch mehr (männliche) Politiker dieses politische Zeitmanagement als negativ. Und doch gelten seit Jahrzehnten diese Strukturen als gesetzt. Die Folge: zu wenige Frauen in der Politik. Das ist nur ein Ergebnis der am Donnerstag vorgestellten Studie des Demoskopieinstituts Allensbach und der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (eaf) in Berlin.

Die Umfrage unter 817 Po­li­ti­ke­r:in­nen ist für die Politik wichtig, weil Männer zwar Probleme bei der politischen Arbeit sähen, sagte eaf-Vorstandsvorsitzende Helga Lukoschat. „Das führt aber nicht dazu, dass sich ihr Verhalten ändert.“ Doch mit den jungen Menschen insbesondere in den linken Parteien, die kürzlich in den Bundestag eingezogen sind, ist die Hoffnung verbunden, dass sich die politische Kultur den Wünschen der Abgeordneten anpasst. Denn die Jungen sind laut Studie offener für Chancengleichheit und Diversity.

Derzeit sind 34,7 Prozent der Abgeordneten weiblich, etwas mehr als im vergangenen Bundestag, aber immer noch weniger als 2013 mit damals knapp über 37 Prozent. Die mangelnde Beteiligung von Frauen ist zugleich Ausdruck und Ergebnis einer politischen Kultur, in der es Frauen der Umfrage zufolge nach wie vor schwerer haben als Männer, erklärte Allensbach-Chefin Renate Köcher. So würden Themen, die Frauen bearbeiten, als weniger wichtig eingeschätzt. Im Gegensatz dazu würde von Frauen mehr Leistung erwartet. Weitere – allzu bekannte – Stichworte der in der Studie gemessenen Ungleichbehandlung: Respektlosigkeit (Männer schauen auf ihr Handy, sobald eine Frau im Parlament spricht; Frauen werden häufiger unterbrochen), kaum verbindliche Regeln wie Frauenquoten, Shitstorms in den sozialen Medien und sexuelle Übergriffe. Beschimpfungen in den sozialen Netzwerken erlitten zwar auch Männer, so Köcher: „Aber Frauen nehmen sich das stärker zu Herzen und ziehen sich daher schneller zurück.“

Um das zu ändern, haben die Au­to­r:in­nen „erfolgversprechende Maßnahmen“ erarbeitet: gezielte Ansprache von Frauen, mehr digitale Formate, bessere Sitzungszeiten, wichtige Themen am Anfang behandeln, Ombudsstellen gegen Alltagssexismus, mehr Hilfe bei Angriffen im Netz, mehr kritische Männlichkeitsforen. Und, so betont Lukoschat: „Wir müssen Männer als Bündnispartner gewinnen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen