Klimaprotest in Lützerath: Im Hotspot der Bewegung

In Glasgow wird geredet, in Lützerath versuchen Aktivist:innen, das Dorf vor RWE zu retten. Sie kämpfen auch für das 1,5-Grad-Ziel.

Mehrere Personen stehen vor einem Protest-Banner, dahinter brennt eine Linie aus Feuer

Greenpeace-Aktivist*innen markieren die 1,5-Grad-Grenze vor Lützerath mit einer Feuerlinie Foto: Bernd Lauter/dpa

Lützerath taz | Eigentlich sollten dieser Tage auf dem Hof des Bauern Eckhardt Heukamp Umzugskartons stehen. Von seinem Fenster in dem Dorf Lützerath bei Erkelenz kann er den riesigen Schaufelbagger des Braunkohletagebaus sehen, der ihm buchstäblich den Boden unter den Füßen wegbaggert. So jedenfalls will es der Betreiber dieses Riesenbaggers in dem Örtchen, der Energiekonzern RWE. Er lässt keinen juristischen Schritt unversucht, um den Hof des Bauern vorzeitig in Besitz zu nehmen, um dann den Tagebau auf dem Gebiet des Dorfes Lützerath und fünf weiteren Dörfern fortzuführen. Doch Heukamp will bleiben.

Sowohl die zuständige Bezirksregierung Arnsberg als auch das Verwaltungsgericht Aachen haben RWE grünes Licht gegeben, den Hof und das Land des Bauern in Besitz zu nehmen. Gleichwohl will man bei RWE erst einmal eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster abwarten, die spätestens am 7. Januar nächsten Jahres ergehen soll. Es geht um viel Kohle: 780 Millionen Tonnen Braunkohle will RWE bis 2038 aus Garzweiler I und II herausholen.

Doch Heukamp denkt nicht an einen Auszug. Längst ist sein Hof zum Hotspot der Klimaschutzbewegung geworden. Und so standen am Sonntag nicht Umzugs-Lkws, sondern fünftausend Demonstrierende vor dem Hof des widerspenstigen Bauern.

Das Dorf als Symbol für den Kampf ums Klima

Sie wollen ihn vor den Baggerschaufeln schützen und vor allem die Regierung auffordern, ihre Versprechungen in der Klimapolitik einzuhalten. Aufgerufen zu dieser Demonstration hatten unter anderem Fridays for Future, Greenpeace, der BUND, „Alle Dörfer bleiben“ und „Lützerath lebt“. Und vor seinem Hof stand Hauptredner Eckhardt Heukamp, umringt von Fernsehkameras und JournalistInnen.

Er werde nicht freiwillig einen Hof verlassen, der von seiner Familie schon in der vierten Generation betrieben werde, erklärte Heukamp unter dem Beifall der Anwesenden. Er hoffe auf die Ampel-Koalitionsgespräche in Berlin und werde den Rechtsweg weiterverfolgen, „damit mit dem Abbaggern vor Lützerath endlich Schluss ist“. Lützerath, so Heukamp, sei zum Symbol geworden für den Kampf um Klimagerechtigkeit.

Bauer Heukamp will seinen Hof verteidigen und hofft auf die neue Ampelkoalition

Sprecher war auch der Demonstrant Juan Pablo Gutierrez aus Kolumbien. Er kommt aus einem Gebiet, in dem sechzehnmal mehr Braunkohle abgebaut werde als in Garzweiler, und klagte den Kolonialismus und Kapitalismus an. Mit deren Ausbeutung der fossilen Energieträger bewegte sich die Menschheit auf ihren Abgrund zu.

„Es sind die zwei K, Kapitalismus und Kolonialismus, die die ökologischen Grundlagen zerstören“, rief die in Deutschland lebende Aktivistin, die Tamilin Lakshmi Thevasagayam, aus. Während man auf der Nordhalbkugel einen Temperaturanstieg von 1,5 Grad anstrebe, seien für die Menschen im Süden schon 1,2 Grad Erwärmung „die Hölle“. Es sei eine Schande, diese Bagger vor Lützerath sehen zu müssen, die den Feinstaub tausend Kilometer weitertragen.

Wo die 1,5-Grad-Grenze verläuft

Gegenüber der taz erklärte der russische Umweltschützer Wladimir Slivjak, der für seinen Einsatz für die Umwelt mit dem diesjährigen alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde, dass er sich sehr freue, auf der Lützerather Demonstration sprechen zu können. Leider seien derartige Demonstrationen derzeit in Russland nicht möglich, da viele Menschen Angst hätten, in die Öffentlichkeit zu gehen. Auch seine Organisation „Ecodefense“ sei vom russischen Justizministerium mit dem stigmatisierenden Begriff „ausländischer Agent“ eingestuft worden.

Sollte RWE tatsächlich Lützerath abbaggern, würde dies nach Auffassung der UmweltschützerInnen alle Versprechungen der Regierung, am 1,5-Grad-Ziel festzuhalten, Lügen strafen. Das bestätigte kürzlich eine Studie im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung erstellt hatte. „Wenn Lützerath verteidigt wird, bleiben 600.000 Millionen Tonnen CO2 im Boden. Wenn Lützerath fällt, ist das unvereinbar mit dem Ziel, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen“, so FFF auf seinem Portal.

Nachtrag der Redaktion: Tatsächlich sind es nur 600 Millionen Tonnen CO2, aber das ist immernoch eine ganz Menge.

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