Wege für Koaltionsverhandlungen: Innovation systemisch denken
Noch ist ein Konzept für die zukünftige Innovationspolitik einer neuen Bundesregierung nicht erkennbar. Neue Wege sind gefragt.
Berlin taz | Das Thema „Innovation“ war zwar nicht der große Knaller im Bundestagswahlkampf, aber es kam immerhin am Rande vor. In einer aktuellen Untersuchung hat Volker M. Banholzer, Professor am Forschungsschwerpunkt Innovationskommunikation der Technischen Hochschule Nürnberg, die unterschiedlichen Konzepte der Parteien verglichen, die auch in den anstehenden Koalitionsverhandlungen für die Bereiche Wissenschaft und Technik eine Rolle spielen werden. Für optimal hält Banholzer eine Lösung in Politikkonzept und Ministeriumszuschnitt, die über einzelne Zukunftstechnologien hinaus eine neue Form der „Innovationssouveränität“ eröffnen würde.
Wie in anderen Bereichen auch, lassen sich in der Innovationspolitik zwei große alternative Ausrichtungen feststellen, ergab Banholzers Analyse der Parteiprogramme zur Bundestagswahl: „CDU/CSU und FDP orientieren sich vor allem am Narrativ der Industrienation und definieren den Innovationsstaat als Wettbewerbsstaat.“ Demgegenüber wollten SPD und die Grünen das bisherige Konzept der „Industrienation“ um den Nachhaltigkeits-Horizont der „Sustainable Development Goals“) der UN und „ein holistisches Verständnis“ von Innovation erweitern.
Diese Unterschiede kamen in der Wahlkampfphase jedoch kaum zum Ausdruck, sondern dort wurde nur über die Bildung neuer Institutionen debattiert. Die Union setzte sich für ein eigenständiges Digitalministerium ein, während die Grünen eine ressortübergreifenden „Technologie Task Force“ und eine Innovationsagentur „D.Innova“ forderten.
Die Digital-Diskussion war einseitig technologielastig und „erschöpfte sich im Fokus auf Breitbandanbindung, Funklöcher und digitale Endgeräte“, so Banholzer. Dagegen wurden „elementare Fragen nach Konzepten, Verwendung und Einbettungen außen vor gelassen“.
Welcher Innovationsweg von der neuen Bundesregierung beschritten wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Auch wenn es zur Grünen-Variante einer externen Innovationsagentur kommen sollte, müsste sie laut Banholzer einem breiteren Verständnis von Innovation und Fortschritt folgen, wofür er den Begriff „Innovationssouveränität“ benutzt.
Erfüllung gesellschaftlicher Bedürfnisse
Darunter versteht er, dass die Agentur „zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der hoheitlichen Aufgaben eines Staates, zur Erfüllung gesellschaftlicher Bedürfnisse sowie zur Herstellung und Sicherung wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit beiträgt“.
Dies setze einen „holistischen Ansatz“ voraus, der „die Analyse von (Zukunfts-)Technologien ebenso berücksichtige wie auch die kulturellen Kontexte und gesellschaftlichen Wertvorstellungen sowie die formellen und informellen Institutionen in Bildung, Medien oder Zivilgesellschaft“. Es ist ein großes Rad, das die Polit-Innovateure zu drehen haben. Ausgang offen.
Leser*innenkommentare
Required
Wenn man Innovation wollte, würde man mehr für kleine Firmen machen. Der Staat braucht eine Förderkultur, die junge Unternehmen nicht in die Abhängigkeit großer Player zwingt. Auch müssen die kaputten Märkte zu Lasten der großen Player stärker reguliert werden.
Wir brauchen mehr kleine geile Firmen. Mehr Raum fürs Probieren außerhalb einer akademischen Fetternwirtschaft, die sich gegenseitig die Fördertöpfe zuschustert.
J_CGN
Eine Bündelung der diversen Innovationsprogramme von Bund (BMWi/BMBF) und Ländern sowie der unterschiedlichsten Fördermaßnahmen wäre sicher sinnvoll.
Dazu gehört auch eine Einbettung der nationalen Förderprogramme in die EU-Programme und ein Abgleich der Strategischen Innovations- und Forschungsagenden.
Was es jedoch definitiv nicht braucht ist eine neue Agentur , die im Dschungel der Programme noch ein weiteres Fass aufmacht.