Verfahren gegen Bayern-Spieler Hernández: Ohne Ansehen der Person
Spaniens Justiz will den Fußballprofi im Gefängnis sehen. Der Fall offenbart den Gegensatz von Profitinteressen im Fußball und Rechtsstaat.
D as staatlich gefällte Urteil gegen Lucas Hernández wird gelten, völlig unabhängig, was hiesige Fußballexperten oder Hernández’ Arbeitgeber, der FC Bayern München, dazu sagen. Bislang, vor der Verhandlung der Berufung, die der 25-jährige Fußballprofi bei einem Gericht in Madrid eingelegt hat, lautet dieses Urteil: sechs Monate Haft.
Der Mann, der mit Frankreich Weltmeister wurde, hatte sich 2017 einen, wie es meist formuliert wird, „handgreiflichen Streit“ mit seiner damaligen Freundin geliefert. Es geht also um häusliche Gewalt, um keine Lappalie. Beide wurden 2019 zu gemeinnütziger Arbeit und zu einem sechsmonatigen Kontaktverbot verurteilt. Vom zweiten glaubten sie, es gelte nicht mehr, weil sie sich doch bald versöhnten und heirateten. Ein Verstoß gegen das Kontaktverbot liegt dennoch vor.
Es gibt gewiss Argumente gegen eine derart rigide Handhabung des Kontaktverbots – „Lieben sie sich nicht?“. Aber die Gründe, die die spanische Justiz anführt, sind nicht von der Hand zu weisen: Sie möchte verhindern, dass etwa ein Mann, der das Gefängnis vermeiden will, faktisch von der Frau eine Versöhnung erzwingt: „Willst du, dass ich wegen dir in den Knast muss?“
Egal, zu welcher Betrachtung man neigt: Ob Hernández wirklich seine Haft antreten muss, ist offen. Für das Champions-League-Spiel der Bayern, das am Mittwoch bei Benfica Lissabon stattfindet, steht er jedenfalls zur Verfügung. Für den zu verhandelnden Fall hat das keine Bedeutung. Und es ist sehr gut, dass hier nicht die Fußballöffentlichkeit zuständig ist. Hernández’ Trainer Julian Nagelsmann etwa spricht von einem „privaten Thema“, und er hofft, dass er spielen darf.
Dafür nämlich dürfte bereits jetzt der Fall Hernández stehen: Dem mitunter sehr dreist vorgetragenen ökonomischen Interesse, den 80-Millionen-Euro-Profi in der Champions League einsetzen zu wollen, steht ein Rechtssystem gegenüber, das ohne Ansehen der Person und ihrer fußballerischen Meriten urteilt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“