Jungpolitikerin Diana Kinnert: „Deshalb bin ich in der CDU“
Diana Kinnert ist 30, Unternehmerin und mischt in der CDU-Bundespolitik mit. Ein Gespräch über ihren Weg und warum sich Jugend nicht anpassen muss.
taz: Diana, bist du noch jung?
Diana Kinnert: Ich bin relativ jung, aber nicht absolut. Auf Tiktok habe ich Generationen entdeckt, die vom Alter und Mindset ein ganzes Stück jünger sind als ich. Für mich ist Harry Potter ein Gleichaltriger; dort wird er als alter, weißer Mann verschmäht. Dazu gehöre ich scheinbar auch.
Zum ersten Mal konnte die taz für diese Bundestagswahl ein Wahlcamp einrichten, bestehend aus fünf Journalistinnen und Journalisten zwischen 19 und 27. Der Arbeitsauftrag: Themen, Leute, Perspektiven, Benachteiligungen einbringen, die in der regulären Berichterstattung möglicherweise sogar der taz entgehen, speziell die Sicht von unter 30-Jährigen auf Politik und Gesellschaft und ihre Ansprüche und Bedürfnisse. Möglich gemacht haben dieses Wahlcamp die taz Panter Stiftung und die Spenden von Menschen, denen die Förderung von unabhängigem Journalismus wichtig ist.
Welche Eckdaten beschreiben Jugend?
Es kommt auf die Rolle des Lebensalters im Kontext an. Bei Klimapolitik sind die Perspektiven Ungeborener relevant. Bei Abgabenlast und Steuerpolitik erlebe ich, dass junge Menschen, die noch kein eigenes Einkommen generieren, uninteressierter sind.
Für welche Themen und Thesen steht die Jugend?
Partizipation und Gerechtigkeit. Wahlen ab 16 oder die Frage, wie man Aktivisten einbindet. Unser Politiksystem ist 60 Jahre alt. In allen politischen Streitfeldern sind radikale Reformen notwendig. Meine Elterngeneration kannte Linearität und Verlässlichkeit. Meine Generation kennt nur die Disruption. Wir arbeiten projektbasiert und befristet, was zu einer Art Selbstausbeutung führt. Dazu kommt ein Trend von Vereinzelung. In der pervertierten Falle sitzt jeder im Homeoffice und kennt seine Kolleginnen und Kollegen nicht. Viele junge Menschen fühlen sich ausgeliefert und wissen keinen Weg, sich zur Wehr zu setzen.
Warum nicht?
Sie sind überindividualisiert und voneinander isoliert. Da kommt kein kollektives Gefühl auf. Ihre Solidarität wird zerschlagen. Jeder kämpft für sich.
Bist du für Wählen ab 16?
Wissenschaftler sagen, ein junger Mensch ist mit 12, 13 Jahren ausgebildet genug, um Dinge ins Verhältnis setzen zu können. Ich kenne Hochaltrige, die stolz Extremisten wählen. Naive, unverantwortliche Entscheidungen können alle treffen. Vor Jahrzehnten haben Jugendliche nur Klassen- und Kinderzimmer gesehen. Heute spielen Kinder Fortnite, streamen, chatten um die Welt. Diese Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt führt dazu, dass sie sich viel früher positionieren können.
Wo können sich junge Menschen am besten organisieren?
Das geht heutzutage sehr individuell. Der eine tritt mit 14 Jahren einer Partei bei, der andere betreibt Aktivismus auf Instagram. Manche rufen zu Spenden auf, teilen auf Tiktok Ausschnitte aus Talkshows. Wieder andere sitzen im Gemeinderat.
Kinnert ist Unternehmerin, Publizistin und Politikerin (CDU). Zuletzt erschien (mit Marc Bielefeld) ihr Buch „Die neue Einsamkeit“ (Hoffmann und Campe, 2021).
Wie war das bei dir?
Mit 15 Jahren habe ich mich bei Amnesty International engagiert, dann für Greenpeace Tierkostüme getragen und Spenden gegen Tierleid gesammelt. Ein Jahr später habe ich entschieden, dass eine Mitgliedschaft in den Parteien sinnvoll sein könnte. Da kannst du über den Kurs deiner Partei mitentscheiden. Dieser Einfluss war attraktiv für mich. Und ich habe begonnen, mich in der CDU zu engagieren.
Rechts oder links, progressiv oder konservativ – nach welchen Maßstäben orientiert man sich in dieser Phase?
Das ist individuell und verändert sich stetig. Aktuell ist zentral: Weiter so oder Aufbruch? Sind wir mutig genug für Reformen? Die Wahlergebnisse zeigen: Grüne und FDP als Oppositionsparteien haben hinzugewonnen. Obwohl beide viel trennt, die Grünen eine linke Partei, die FDP eine bürgerliche Partei sind, eint sie der Reformgedanke. Der Modus zu Veränderung interessiert junge Menschen. Die Relevanz von links gegen rechts hat abgenommen. Dennoch sind Haltungen zu Verteilungsfragen entscheidend. Ich wollte damals ganz bewusst in eine Partei eintreten, die Engagement und Verantwortung befördert, nicht hemmt, die ermuntert, unternehmerisch aktiv zu werden, und den Staat als ordnungspolitischen Regler versteht. Die keinen Fürsorgeapparat erschaffen will. Deshalb bin ich in der CDU.
Junge Menschen haben grundsätzlich weniger Erfahrung. Warum sollte man ihnen trotzdem zuhören?
Die Währung einer Demokratie heißt Vertrauen und das ist individuell. Der eine schätzt die Promotion des Kandidaten, der andere, dass er Familie hat. Einige Extremisten bei der AfD führen Doktortitel. Friedrich Merz traue ich nicht so viel zu; für viele in meiner Partei ist er eine große Hoffnung. Und junge Menschen verstehen Digitalisierung und Technologie besser, reflektieren Defizite in der Bildungspolitik, denken Klima und Industrie nachhaltiger. Sie bringen liberalere und tolerantere Wertvorstellungen mit, haben Lust auf und den Glauben an Veränderung.
Zeigt diese Wahl, dass Junge und Alte sehr unterschiedliche Interessen haben?
Dass Grüne und FDP bei der Jugend hinzugewonnen haben, obwohl sie in vielen Fragen konträr eingestellt sind, zeigt auch, dass das Alter allein nicht ausschlaggebend für politische Positionen ist. Ich persönlich arbeite mit alten Bürgerlichen lieber zusammen als mit jungen Linken. Man organisiert sich nicht auf Basis des Alters, sondern wegen gemeinsamer Wertvorstellungen.
Wie muss man sich anstellen, dass Leute, die sich nicht auf diese Argumentation einlassen, junge Menschen wirklich ernst nehmen?
Zu Beginn meines Engagements habe ich oft politische Texte geschrieben. Gastbeiträge für Blogs oder Tageszeitungen. Das Feedback war nur auf meine Argumente im Text bezogen. Das war wohltuend, denn mein Alter, mein Geschlecht, mein Hintergrund haben keine Rolle gespielt. Bis heute kritisieren Leute allerdings, dass ich mich manchmal zu kompliziert ausdrücke.
Ist die Kritik richtig?
Ja. Das hat bestimmt etwas damit zu tun, dass ich mit hochgestochener Sprache überkompensiert habe. Wenn mir keiner etwas zutraut, dann rede ich eben so, dass sie wissen, ich kenne mich aus. Irgendwann ist dieses Substantivieren bei mir zum Stil geworden. Für mich war wichtig, beharrlich zu sein. Wenn dich Kritik einschüchtert und du aufgibst, ist das der Nachweis, dass du für die politische Arena nicht bereit bist. Politik bedeutet, Widerspruch auszulösen und Kritik auszuhalten. Ich habe Menschen, die mich ablehnen, niemals als Entmutigung verstanden, sondern als das Gegenteil.
Muss Jugend frech sein, oder macht sie das angreifbar?
Wer Kindlichkeit ausstrahlt, und zwar durch Fröhlichkeit und Enthusiasmus, dem kann man das als Unernst auslegen. Zu Beginn meines Engagements bin ich als Paradiesvogel bezeichnet worden, dabei habe ich immer nur schwarze Kleidung getragen. Ich habe keine Witze, keine wilden Formate auf Youtube gemacht. Ich war ernst. Dennoch ist mir Unernst vorgeworfen worden. Authentizität ist wichtig, und so divers die Jugend ist, sollten ihre Stimmen sein. Der Auftritt ist nebensächlich. Darum habe ich die Reaktion der CDU auf Rezos „Zerstörung der CDU“ als falsch empfunden. Junge Menschen hatten etwas zu Nachhaltigkeit, Lobbyismus, Generationengerechtigkeit zu sagen. Und die CDU hat nur über Youtube und blaue Haare geredet.
Die Jungen wurden in der CDU nicht ernst genommen?
In allen Runden, in denen ich war, hat man die Sachargumente und inhaltlichen Vorwürfe komplett ausgeblendet. Es wäre ehrlich gewesen zu sagen, dass man ihnen gar nicht zutraut, es könne um Inhalte gehen. Eine totale Erniedrigung.
Also muss man einen mittelmäßig geschnittenen Anzug tragen, um früh ernst genommen zu werden. Das kann doch nicht die Lösung sein.
Jugend steht nicht in einer Rechenschaftspflicht der alten Politik gegenüber, sondern umgekehrt. Es ist überhaupt nicht nötig, sich alter Politik anzubiedern.
Junge Menschen können sich entweder gegen etwas stellen, am besten das System. Oder versuchen, es von innen zu verbessern. Wie siehst du das?
In Debatten zu unterliegen, gehört zum demokratischen Akt. Ich kenne viele, die chancenlos für den Bundestag kandidiert haben, trotzdem zur Verfügung standen. Davor habe ich großen Respekt. Ich mag konstruktives Engagement und habe Achtung vor demokratischer Kultur, auch mit Widersachern Kompromisse auszuhandeln.
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