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Protest gegen polnische EU-PolitikEin Machtkampf, kein Exit

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Wut in Polen auf die EU-Politik der Regierungspartei PiS ist verständlich. Doch ein Austritt Polens aus der EU ist nicht in Sicht.

Niemand hat die Absicht die EU zu verlassen, die PIS hat kein Interesse daran Foto: NurPhoto/imago

E s ist schön, wenn in Polen Hunderttausende gegen ein vermeintlich drohendes Ende der polnischen EU-Mitgliedschaft auf die Straße gehen. Allerdings protestierten sie gegen einen „PolExit“, der nicht wirklich droht und vor allem von der polnischen Opposition als mobilisierendes Schreckgespenst benutzt wird.

Polens nationalkonservative PiS-Regierung hat gar kein Interesse, die EU zu verlassen. Die Milliarden aus den EU-Töpfen erleichtern ihr die Finanzierung einer ambitionierten Sozialpolitik, mit der sie bisher Wahlen gewinnt. Auch braucht Polen die EU als Schutz gegen den aggresiven Nachbarn Russland.

Umgekehrt kann auch die EU Polen nicht aus dem Club werfen. Das ist rechtlich in den EU-Verträgen nicht vorgesehen. Ein EU-Mitgliedsstaat kann nur freiwillig gehen – wie Großbritannien. Auf Vertragsverletzungen kann die EU nur mit Sanktionen reagieren.

Was wir erleben, ist ein Machtkampf zwischen der EU und Polen. Die EU will zurecht ein Verbund demokratischer und rechtsstaatlicher Staaten bleiben. Polen dagegen verlangt, dass sich die EU aus seinen internen Angelegenheiten heraushält. Die PiS-geführte Regierung will ohne Störung von außen weiterhin die Justiz gleichschalten, um ohne richterliche Kontrolle regieren zu können.

Kein Grund zur Zurückhaltung

Die polnische Regierung hat Recht, wenn sie darauf hinweist, dass die EU eigentlich keine Kompetenz hatte, den Aufbau der Justiz in den EU-Staaten zu kontrollieren. Der Europäische Gerichtshof hat sich diese Macht durch ein strategisches Urteil 2018 selbst verschafft. Das aber war richtig und notwendig. Da die EU an vielen wichtigen Stellen immer noch per Einstimmigkeit entscheidet, muss sie sicherstellen, dass sie nicht durch halb-autoritäre Regime erpressbar wird.

Bisher waren der EuGH und die EU-Kommission eher zu vorsichtig. Doch nachdem das gelenkte polnische Verfassungsgericht vorige Woche die polnische Verfassung generell über EU-Recht stellte, besteht nun wirklich kein Grund zur Zurückhaltung mehr.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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8 Kommentare

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  • Nun mal bitte einmal die Kirche im Dorf lassen.

    Polen erhält jedes Jahr aus Brüssel einen zweistelligen Milliardenbetrag in Euro. Aus dem Corona-Programm gibt es obendrauf noch einmal 40-60 Milliarden Euro. Das sind doch mal richtig fette Zahlungen, die sich niemand in Polen entgehen lassen will. Kann man doch verstehen oder?

    Die Geldmengen bestimmen letztlich auch die EU-Stimmung in der Bevölkerung und die ist eindeutig: Wir wollen dieses Geld auch in Zukunft aus Brüssel überwiesen bekommen. Solange das so bleibt, sind wir Polen und Polinnen alle EU-Fans. Wenn sich das ändert und jemand in Berlin oder Luxembourg auf die Idee kommt, dass Polen auch einmal etwas zahlen sollte ist sofort Schluss mit EU.



    Übrigens wünschen sich fast alle Polinnen und Polen lieber ein engeres Verhältnis zu den USA, als zur EU. Die USA sind der eigentliche Wunschpartner und nicht Deutschland.

    • @V M:

      Das gilt nur für einen Teil der Polinnen und Polen. In Europa hat Polen eine echte Stimme, den USA hingegen kann Polen ziemlich egal sein und das wissen viele Pol*innen auch. Nicht nur die Milliardenbeträge sind den Pol*innen wichtig, auch die Freizügigkeit in der EU und das Gefühl, dazuzugehören, nicht mehr im Abseits zu stehen.

      • @LeandraM:

        HaHa. Das Traumziel von 90 Prozent der Menschen ist die USA und ohne UK hat die EU weiter an Attraktivität verloren.

        Was zählt sind die Milliarden aus Brüssel. Alles andere ist Wunschdenken.

        • @V M:

          Haben Sie die Pol*innen befragt? So dumm sind die nicht, wie Sie offenbar denken.

  • Auch wenn niemand den Polexit tatsächlich will, sind mit dem Urteil nun Fakten geschaffen die die polnische Regierung, egal ob von der PiS oder anderweitig geführt, nicht ignorieren kann. Ein dauerhafter Bruch polnischen Rechts durch eine polnische Regierung würde die europäischen Anforderungen an die Rechtsstaatlichkeit ebenso in Frage stellen wie eine Bereitschaft den polnischen Sonderweg in Brüssel zu akzeptieren. Die einzig greifbare Chance für Polen in der EU zu bleiben dürfte darin bestehen die Verfassung EU-kompatibel zu machen und es bleibt abzuwarten ob die PiS zu einem solchen Schritt bereit ist oder ob ihr ihr Nationalstolz im Weg steht.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @Ingo Bernable:

      In allen Kommentaren/Beurteilungen die mir bisher untergekommen sind, war stets das Hintergrundraunen, daß die PiS nur ein Projekt hat: an der Macht bleiben. Alle anderen Motive dienen einzig der Motivation der eigenen Wählerschaft - und die wird mit enormen Sozialleistungen gekauft - finanziert aus den EU-Töpfen. Und genau wegen dieser Zusammenhänge urteilen die meisten Beobachter der polnischen Politik: die PiS hat keinen Plan, sie agiert chaotisch, steht mit dem Gesicht vor der Wand und muß jetzt jetzt irgendwie zurückrudern.

      • @82286 (Profil gelöscht):

        nur war Betonkopf Kaczinski noch nie jemand der zurückrudert. Es sei denn man die EU gibt irgendwo nach, so dass er zu Hause behaupten kann, er hätte gewonnen. Ich befürchte, so wird es ausgehen.

        • 8G
          82286 (Profil gelöscht)
          @ingrid werner:

          Sie liebkosen Kaczinski als Betonkopf.



          Ironie aus.



          Ich wünsche der Zivilgesellschaft nichts sehnlicher, als daß dieses Ungeheuer endlich abtritt (politisch).