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Protest vor dem ReichstagHabeck besucht Hungerstreikende

Spontan hat der Grünen-Chef die Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen vor dem Reichstagsgebäude besucht. Diese stellen derweil eine neue Forderung.

Im Gespräch: Robert Habeck mit den Hungerstreikenden am Donnerstag Foto: Fritz Engel/Agentur Zenit

Berlin taz/dpa | Nach Ablauf eines Ultimatums an die Kanz­ler­kan­di­da­t:in­nen von Union, SPD und Grünen haben zwei Klimaaktivisten in Berlin einen verschärften Hungerstreik angekündigt. Lea Bonasera (24) und Henning Jeschke (21) wollen nach eigenen Angaben ab Samstag nicht nur Nahrung, sondern auch Flüssigkeit verweigern – es sei denn, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sage vorher öffentlich, dass Klimanotstand herrsche.

Nach der Ankündigung der beiden kam am Donnerstagabend Grünen-Chef Robert Habeck ins Camp der Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen in der Nähe des Reichstags und bat sie dringend, den Hungerstreik abzubrechen und nicht noch zu verschärfen. Das Ziel der Aufmerksamkeit sei erreicht. Es nütze niemandem, wenn sie zu Tode kämen, sagte Habeck im Gespräch mit den Aktivist:innen. Aus dem Umfeld des Streiks heißt es, der Austausch mit Habeck sei konstruktiv gelaufen. Er sei am Abend vom Hauptbahnhof angereist und habe sich spontan entschieden, zu den Streikenden zu gehen.

Eine Gruppe junger Erwachsener hatte am 30. August einen Hungerstreik für eine radikale Klimawende begonnen. Damit wollten sie unter anderem ein öffentliches Gespräch mit den Kandidaten Scholz (SPD), Armin Laschet (CDU/CSU), und Annalena Baerbock (Grüne) am Donnerstagabend erreichen.

Da es von den Politikern keine Zusage dafür gab, brachen fast alle Teil­neh­me­r:in­nen den Hungerstreik ab und protestierten am Donnerstagnachmittag in ihrem Lager am Spreebogen mit leeren Stühlen gegen die Abwesenheit der Kandidat:innen. Die „Ignoranz der Verantwortlichen (hat) ein Ausmaß angenommen, das nicht mehr zu übertreffen ist“, sagt der 27-jährige Jacob Heinze. Wichtig seien nun Widerstand und sozialer Ungehorsam. „Dass die Kan­di­da­t:in­nen es nicht geschafft haben, sich zwei Stunden mit uns ernsthaft über die Klimakrise zu unterhalten, zeigt, dass die Politik versagt hat“, sagt Sprecherin Carla Hinrichs.

Scholz soll Klimanotstand ausrufen

Henning Jeschke und Lea Bonasera wollen weiter hungern und stellten Scholz ein neues Ultimatum. Wenn der SPD-Politiker als möglicher nächster Kanzler nicht umgehend den Klimanotstand ausrufe, würden sie ab Samstag auch nicht mehr trinken. Ohne Flüssigkeit drohen binnen weniger Tage ernste gesundheitliche Folgen bis hin zum Tod.

Zur neuen Forderung haben sich die Streikenden entschieden, da Scholz aller Voraussicht nach eine neue Regierung anführe, sagt Sprecherin Hinrichs. Den Klimanotstand auszurufen sei dabei mehr als nur ein Symbolakt. Großstädte wie Paris und Köln, aber auch die EU sieht sie als Vorbilder.

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14 Kommentare

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  • Was macht das Gutsein einer Forderung aus? Der Nutzen für das Allgemeinwohl? Die Maximierung eines Gutes (Einfluss, Geld, Profit ...) oder (ja, die Aufzählung könnte noch lang werden) dadurch, dass man quasi den eigenen Körper einsetzt für den Fall, dass die Forderung abschlägig beschieden wird. Schwer zu entscheiden - der Diskurs dauert an.



    Offensichtlich ist der Preis fürs Scheitern hoch angesetzt, das lässt vermuten, dass das Geforderte ähnlich bedeutsam, unverwechselbar, einzigartig etc. ist: Ein Gespräch mit drei Leuten, die in den letzten Tagen mehrfach bewiesen haben, dass die ersten drei Plätze bei der Wahl eigentlich unbesetzt bleiben müssten und - vielleicht - eine von den Dreien den 4. trostgepflästert bekommt. Ich kenne aus dem Stand drei Menschen meinnes persönlichen Umfeldes, die einen spannenden Wettbewerb um die freien davor liegenden Plätze hinlegen könnten.



    So, und jetzt wird der Einsatz erhöht! Das Geforderte wird damit noch wertvoller: der abehalfterte Finanzminister mit Menschenleben auf dem Brechmittelgewissen, der einen G20-Einsatz bei der Monarchin als Gesellenstück ablieferte und der darüber hinaus Angst um sehr sehr reiche Straffällige hat - der also soll "Klimanotstand" rufen. Ja - und dann?



    Das dahinter vermutlich lauernde Verständnis darüber, wie Gesellschaften sich wandeln, erscheint mir ausbaufähig.



    Bitte geht zu Euren Arzt:innen und rüstet Euch für diesen Ausbau zu!



    Ein Tip vom Redenknecht

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Habeck hat halt Fingerspitzengefühl.

    Schon klar, dass die drei Kanzlerkandidaten sich nicht erpressen lassen.

  • Mal abgesehen davon, dass Scholz derzeit noch nicht Bundeskanzler ist und nur die Bundesregierung einen Notstand feststellen könnte, sollten sich die Hungerstreikenden mit den Notstandsgesetzen beschäftigen wenn sie die Festellung eines Notstands fordern. Weder der Durchgriff der Bundesregierung auf die Landespolizei noch der Einsatz der Bundeswehr im Inneren führen zu mehr Klimaschutz.

  • Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein Thema mehr Akzeptanz findet, wenn man immer lauter schreit oder gar mit Suizid droht. Sagt den Jungen menschen bitte, dass die bewegung sie noch braucht.

  • Man textet die Menschen zumindest derzeit täglich mit Angst zu, zB Massenarbeitslosigkeit (wenn R2G käme). Ich bin dafür, dass täglich die vergleichsweise tote Welt bzw tote Meere, tote Tiere, Waldbrände und Tiere in Tierversuchen gezeigt werden. Das wäre wenigstens die Wahrheit.

  • "Hungerstreik für eine radikale Klimawende"

    die Klimawende wird radikal... von ganz alleine.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Ich finde es gut das Robert Habeck dort war. Es zeigt seine Ernsthaftigkeit.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Der Mann, der mit Trump diniert hat, sich dabei von der Polizei beschützen ließ während die Schanze brannte - dieser Mann soll sich jetzt um zwei Hungerstreikende Sorgen machen? Ernsthaft?

  • Kann man die nicht einfach in ein Krankenhaus einweisen, wenn es ihnen gesundheitlich schlechter geht?

    Diese über die Medien kommunizierte Drohung, dass "ernste gesundheitliche Folgen bis hin zum Tod" zu erwarten sind (wenn Politiker nicht reagieren wie gewünscht), ist inakzeptabel.

    • @gyakusou:

      Daran hatte ich auch gedacht. Was passiert mit Menschen, die sich selbst schädigen bzw. mit ihrem eigenen Tode drohen? Lässt man sie einfach sterben? Natürlich nicht! Ich bin überzeugt, dass ohne permanente medizinische Überwachung die Behörden längst gehandelt hätten und einen Zwangseinweisung stattgefunden hätte.

      Dabei gibt es meiner Meinung nach zwei "worst cases" für die Streikenden:



      1) Die Zwangseinweisung ins Krankenhaus vor der Wahl. Damit hätte der Staat seine Verantwortung bewiesen, etwas was die Streikenden vermeinden wollen.



      2) Der "worst case" des eigenen Todes.



      Beides kann man (und wird auch) durch enges medizinisches Monitoring verhindern.

      Wichtig ist nur, dass die imaginäre Bedrohungssituation bis zum Zeitpunkt der Wahlentscheidung aufrecht erhalten wird.

      Nach der Wahl interessiert sich keiner mehr, dass der ganze Streik nur eine PR-Aktion war und die Drohung der Streikenden einen leere Drohung war. Nur, falls es einen weiteren Hungerstreik geben würde, wird man sich daran erinnern.

  • Wenn ich mir weltweit die Presse anschaue, dann fällt auf, dass es mal wieder die Deutschen sind, die eine „letzte Generation“ hervorbringen, die mit allen Mitteln ihre Endzeiterzählung als Politikgrundlage durchdrücken wollen. German Angst at it's best.

    • @sandoftime:

      Ihr Kommentar zeigt nur, dass Sie zwei Dinge nicht begriffen haben:

      1. Die Klima- und Umweltschutzbewegung ist weltweit auf der Barrikade - auch anderen Ortes wachen Menschen auf (haben zuweilen auch berechtigte Ängste)



      2. Endzeit lässt sich hautnah in Ahrweiler und Bad Münstereifel beobachten. Da gibt es durchaus auch Menschen, für welche die Endzeit gekommen ist, da sie das Ganze nicht überlebt haben.

      • @Axel Donning:

        Wenn ich mir anschaue, in welchen Ländern FFF die meisten Anhänger mobilisieren kann, dann ist da was dran, dass gerade die Deutschen "anfällig" für das Thema sind.

      • 9G
        90667 (Profil gelöscht)
        @Axel Donning:

        Ihr Kommentar zeigt nur, dass SandOfTime vollkommen richtig liegt mit seiner/ihrer Einschätzung.