Kritik an staatlichen Bürgschaften: Deutsche Hilfe für arktisches Gas
Bundesregierung sichert Miliardenkredite für fossile Infrastruktur im Ausland ab. Umweltgruppen sehen darin eine Verletzung des Paris-Abkommens.
Berlin taz | Während die Bundesregierung sich offiziell zur Klimaneutralität bis 2045 verpflichtet hat, unterstützt sie gleichzeitig fossile Infrastruktur im Ausland, die noch weit über diesen Zeitpunkt hinaus genutzt werden dürfte und somit dem Klimaziel entgegensteht. Das geht aus einer Recherche der Organisationen Urgewald und Deutsche Umwelthilfe hervor, deren Ergebnisse der taz vorliegen.
Eine Anfrage auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes ergab demnach, dass die Bundesregierung seit 2015, dem Jahr des Pariser Klimaabkommens, Exportkreditgarantien in Höhe von 11,75 Milliarden bewilligt hat; im Jahr 2021 waren es bis Mai rund 200 Millionen Euro. Exportkreditgarantien dienen dazu, Investitionen deutscher Unternehmen gegen Ausfälle abzusichern; viele Projekte werden erst dadurch wirtschaftlich vertretbar.
Der Großteil der Bürgschaften entfiel auf Gasinfrastruktur. Diese ist umstritten, weil beim Verbrennen des Gases nicht nur CO2 freigesetzt wird, sondern weil bei der Förderung und dem Transport zudem oft Methan entweicht, das eine vielfach höhere Klimawirkung hat.
Die Frage, wie lange die von Deutschland unterstützten Projekte genutzt werden, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium, dazu lägen „keine Informationen vor“. Damit ist nicht bekannt, ob die Nutzungsdauer über den Zeitpunkt hinausgeht, für den Deutschland bzw. die EU Klimaneutralität zugesagt haben. Aus Sicht von Urgewald und Umwelthilfe stellt die öffentliche Förderung damit „eine klare Verletzung des Pariser Abkommens“ dar. Zudem stehe sie im Widerspruch zum Urteil des Bundesverfassungsgericht, das das Ziel des Paris-Abkommens für verbindlich erklärt und die Regierung zu schärferen Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet hatte.
Zu den Projekten, die von staatlichen Kreditgarantien profitieren, gehört den Angaben zufolge unter anderem die umstrittenen Nord-Stream-Pipeline und das russische Vorhaben Yamal LNG, bei dem Erdgas gefördert, verflüssigt und per Schiff transportiert wird. Möglicherweise wird noch ein weiteres großes Flüssiggasterminal in Russland gefördert werden; ein Antrag für das Projekt Arctic LNG II liegt seit über einem Jahr vor.
„Es wäre ein Unding, wenn die Bundesregierung ein Gasprojekt in der Arktis mit einer Bürgschaft unterstützen würde, bei dem Gas noch bis 2100 gefördert werden soll.“
Entschieden wurde darüber noch nicht, teilte das Wirtschaftsministerium der taz mit. „Die Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung im interministeriellen Austausch zu Arctic LNG 2 dauern noch an“, hieß es. Berücksichtigt würden dabei neben der Unterstützung der Exportwirtschaft und dem Erhalt von Arbeitsplätzen auch „Umwelt- und Klimaauswirkungen der Exportvorhaben“.
Frankreich wird eine Bürgschaft Medienberichten zufolge dagegen wohl ablehnen, obwohl mit der Firma Total der größte europäische Projektpartner von dort stammt. Auch für Deutschland sei es „höchste Zeit, das Projekt abzulehnen“, sagte Urgewald-Expertin Regine Richter der taz. „Es wäre ein Unding, wenn die Bundesregierung ein Gasprojekt in der Arktis mit einer Bürgschaft unterstützen würde, bei dem Gas noch bis 2100 gefördert werden soll.“
Leser*innenkommentare
DiMa
Bei den Kreditgarantien handelt es sich um ausländische Unternehmungen. Diese sind Deutschland nicht zurechenbar.
tomás zerolo
Wie hirnrissig können diese Leute nur sein. Bei vollem Wissen, möglichst wenn niemand zuguckt, noch schnell die Hand in den Topf stecken.
Erinnert ja an Andi Scheuer mit seiner Maut: schnell noch durchdrücken (warum eigentlich), bei vollem Wissen, dass es schiefgeht.
Was haben die davon? Cui bono?