: CDU schmiert ab
In Hamburg können sich die Grünen bei der Bundestagswahl zwei Direktmandate sichern, der Rest geht an die SPD. Die CDU verliert fast zwölf Prozentpunkte. Hamburgs CDU-Chef Ploß macht dafür die Bundespartei verantwortlich
Von Finn Walter
Bei der Bundestagswahl verliert die CDU in Hamburg noch mehr Stimmen als im Bund. Sie kommt hier auf nur 15,5 Prozent – das sind fast zwölf Prozentpunkte weniger als bei der Bundestagswahl 2017.
Der Hamburger CDU-Vorsitzende Christoph Ploß wirkt am Telefon trotz erneutem Einzug in den Bundestag nicht gerade bestens gelaunt. „Das Wahlergebnis kann uns nicht zufriedenstellen, da brauchen wir auch nichts zu beschönigen“, sagt er. Eine Verantwortung der Hamburger CDU für die Misere sieht er nicht, obwohl die Partei hier sogar noch drei Prozentpunkte mehr verliert als im Bundesdurchschnitt.
„Olaf Scholz als ehemaliger Bürgermeister hatte in Hamburg einen Vorteil“, glaubt er. Außerdem hätte die CDU im Norden und in großen Städten sowieso schlechter abgeschnitten als überall sonst. Auch die Negativkampagne gegen Rot-Grün-Rot werte er als Erfolg. Mit der Rote-Socken-Kampagne habe man noch einmal mobilisiert in den letzten Wochen vor der Wahl.
Konsequenzen für die Hamburger CDU gebe es deshalb erst einmal nicht. Er wüsste auch gar nicht welche. Viel mehr sehe er die Bundespartei in der Pflicht. „Das war keine Bürgerschaftswahl sondern eine Bundestagswahl“, sagt Ploß. Allerdings hatte die CDU Hamburg auch schon bei der Bürgerschaftswahl mit 11,2 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Ploß, der bekennender Merz-Unterstützer ist, hatte im Wahlkampf auf sich aufmerksam gemacht, als er dem NDR das Gendern verbieten wollte. Das halte er auch heute noch für ein wichtiges Problem.
Auch in Hamburg-Mitte verliert die CDU mit ihrem Kandidaten Christoph de Vries. Bei den Zweitstimmen holt die Partei hier mehr als zwölf Prozentpunkte weniger als bei der letzten Bundestagswahl. Im Wahlkreis Mitte gewinnt Falko Droßmann (SPD) deutlich. Er wird Hamburg-Mitte nun nicht mehr als Bezirksamtsleiter, sondern im Bundestag vertreten.
Für Droßmann ein klares Zeichen dafür, dass die Negativkampagne der CDU nicht gut ankam bei den Wähler:innen. „Hamburg-Mitte ist wahrscheinlich der durchmischteste Wahlkreis Deutschlands“, sagt er. Er sei stolz, kein negative campaigning gemacht zu haben. „Als Sozialpolitiker konnten meine Themen gerade in ärmeren Stadtteilen verfangen.“ Für seine Wahlparty benannten er und sein Team die Minus Bar an den Messehallen einfach in Drossibar um. „Man kann ja eine Wahlparty nicht in einer Bar abhalten, die Minus heißt“, findet der Luftwaffenoffizier.
Währenddessen gewinnen die Grünen gegen zwei etablierte SPD-Bundestagsabgeordnete. Niels Annen (SPD), Staatssekretär im Außenministerium, unterliegt in Eimsbüttel um 0,3 Prozentpunkte dem ehemaligem Justizsenator Till Steffen (Grüne). Die bis dahin eher unbekannte Linda Heitmann (Grüne) schlägt den SPD-Abgeordneten Matthias Bartke in Altona. „Dieses Ergebnis hat die guten Grünen-Ergebnisse in Altona bei Bezirks- und Bürgerschaftswahl einmal mehr bestätigt“, sagt die Sozialpolitikerin der taz, „da war einfach ein Wunsch nach Veränderung.“ Für Bartke ist nach acht Jahren im Bundestag damit Schluss. Niels Annen kann über die Landesliste trotz verlorenem Wahlkreis in den Bundestag einziehen. Die anderen vier Hamburger Wahlkreise gewinnt die SPD.
Bürgerschaftsvizepräsident Deniz Çelik von der Linkspartei verpasst als Zweiter der Landesliste den Einzug in den Bundestag. Deshalb wird Hamburg durch die Linke in der nächsten Wahlperiode nur noch durch Żaklin Nastić vertreten werden. „Ich bin sehr enttäuscht, weil ich einfach nicht damit gerechnet habe“, sagt Çelik. Für ihn persönlich sei der Frust allerdings überschaubar, er mache seinen Job in der Bürgerschaft gerne, sorge sich aber um die Partei. „Wir müssen jetzt analysieren woran es lag, unser Wahlprogramm war nämlich, glaube ich, sehr gut“, sagt er. „Ich glaube, dass wir auch durch die personelle Polarisierung zwischen Laschet und Scholz verloren haben.“ Auch innerparteiliche Konflikte hätten nicht gerade positiv gewirkt. Sowohl bei einer „Ampel“ als auch „Jamaika“ habe die Linke nun eine wichtige Aufgabe als Opposition.
Am Dienstag haben die neuen Abgeordneten den ersten Termin im Bundestag zur Ausgabe der Abgeordnetenausweise. Für Heitmann und Droßmann geht es dann erst einmal auf Wohnungssuche in Berlin.
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