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Gratisaktion des ÖPNVLasst das doch so

Heike Holdinghausen
Kommentar von Heike Holdinghausen

Zwei Wochen umsonst mit der U-Bahn durchs Land: ein pandemiegeschuldeter Plan, der in die richtige Richtung weist.

ÖPNV-Abonnenten haben für zwei Wochen freie Fahrt quer durchs Land Foto: Tobias Steinmaurer/imago

D er Versuch der Verkehrsunternehmen, mit einer Art ÖPNV-Flatrate Kunden zurückzugewinnen, eröffnet ganz neue Perspektiven. Zwar ist sie ein Akt der Verzweiflung, weil Bussen und Bahnen pandemiebedingt ein Viertel der Fahrgäste abhandengekommen sind. Doch auch vor der Pandemie war klar, dass sich der öffentliche Verkehr in Deutschland neu erfinden muss, um eine gerechtere, freudvollere und klimaneutrale Mobilität zu ermöglichen. Also, vergesst die Zweiwochenfrist, lasst das so!

Bis heute setzen in den meisten Städten, Regionen und im Bund Ver­kehrs­po­li­ti­ke­r:in­nen aufs Auto. Das mindert die Lebensqualität in den Metropolen, verdrängt Kinder aus dem Stadtbild und macht Straßen für Mensch und Tier zu einem gefährlichen Ort. Auf dem Land hat der Fokus aufs Auto Alternativen vernichtet oder nie entstehen lassen. Wer im Siegerland oder im Bayerischen Wald wohnt, der braucht ein Auto. Das wird sich ändern, wenn Verkehrspolitiker aller Ebenen den derzeitigen Einbruch zum Aufbruch in eine neue Mobilität nutzen. Die Kun­d:in­nen können ÖPNV-Tickets einfach und bundesweit kaufen. Die Verkehrsbetriebe erkennen ihre Abon­nen­t:in­nen gegenseitig an – mit finanzieller Unterstützung vom Bund. Der gibt deutlich mehr Geld an Kommunen und Kreise und hilft – mit einer Stabsstelle im Verkehrsministerium? – den rechtlichen Rahmen zu schaffen, um Infrastrukturprojekte wie neue Tramgleise oder kreisübergreifende Busverbindungen leichter zu ermöglichen.

Bislang startet ja Elon Musk schneller eine Marsmission, als die Stadt Potsdam Straßenbahngleise in einen Vorort verlegt. Gleichzeitig entstehen überall konkurrierende Privatunternehmen mit ganz neuen Mobilitätsangeboten, so wie Uber, nur ohne Monopol und besser. Leicht und bequem können die Fahrgäste deren Dienstleistungen mit denen der öffentlichen Verkehrsbetriebe und ihren Fahrrädern vernetzen.

Bis zum 26. September läuft die Aktion der Verkehrsbetriebe. So lange dürfen wir noch träumen von einer Bundesregierung, die eine solche Verkehrswende möglich macht.

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Heike Holdinghausen
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
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6 Kommentare

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  • "Bislang startet ja Elon Musk schneller eine Marsmission, als die Stadt Potsdam Straßenbahngleise in einen Vorort verlegt."

    Soll das ein Scherz sein? Den Elon Musk's Hyperloop or autonome Autos machen noch weniger Fortschritte als neue Straßenbahnstrecke. Auf der Erde ist es halt schwierig und Musk kann schwierig nicht.

    "Gleichzeitig entstehen überall konkurrierende Privatunternehmen mit ganz neuen Mobilitätsangeboten, so wie Uber, nur ohne Monopol und besser."

    Sie wissen das Uber nichts als ein Schneeballsystem-betrug ist? Uber hat nie einen Cent gewinn gemacht und wird das auch nie tun können (denn die Kosten sind Fahrer und Fahrzeug, nicht der Bestelldienst der durch Apps optimiert werden kann). Die Erstinvestoren hoffen viel Geld damit zu verdienen dass Zweitinvestoren die Uber-Lügen glauben und Aktien kaufen bevor das ganze Kartenhaus zusammenbricht.

    • @Christian Schmidt:

      Aber ein Taxi-System, bei dem die Fahrer (bzw. Wagen) die meiste Zeit rumstehen und auf Fahrgäste warten ist sinnvoller ?

      Und Winter wie Sommer mit laufendem Motor !

      Das wirkt doch wie aus der Zeit gefallen.

      Zu einer Zeit als man Telefon noch mit ph und e am Ende schrieb, und niemand eines dabei hatte, war das vielleicht noch sinnvoll.

      Aber heute ?

      Da hat man dann eine völlig sinnlose und unglaublich umweltschädliche "Rückkehrpflicht zur Basis" herbeilobbiiert - aber natürlich nur füe die anternativen Anbietern.

      Wohlwissend, dass am Strassenrand nach einem Taxi winken so zeitgemäß ist, wie ein Tier mit einer Steinkeule zu erschlagen.

  • " Gratisaktion des ÖPNV: Lasst das doch so. Zwei Wochen umsonst mit der U-Bahn durchs Land"

    Eine Überschrift, die so nicht zu verstehen ist.



    Per U-Bahn durch das Land?



    Nein, es geht darum, dass ÖPNV-Abonnenten (genderfrei) in anderen Verkehrverbünden den ÖPNV kostenlos nutzen dürfen.

    Also nur um eine vermutlich sehr kleine Gruppe von Nutzern. Denn wer kommt schon mit seinem Abo in einen anderen Verkehrverbund? Nur, wenn zufällig an diesem WE ein entsprechender Ausflug geplant ist. Das wird auch so gut wie nicht zur Verkehrswende beitragen.

  • Also daß man in der Stadt ÖPNV braucht finde ich verständlich, aber auf dem Land ist das weder realistisch noch wirklich notwendig. Da kann man doch wunderbar mit dem Auto fahren ohne Staus. In meinem Heimatdorf sind die Busse immer komplett leer. Nicht ein einziger Fahrgast. Was sinnvoll ist, sind Radewege zwischen den Orten.

    • @Nobodys Hero:

      Ja, die Busse sind wirklich schlecht besucht auf dem Land, doch das liegt hauptsächlich daran, dass kaum Busse unterwegs sind. So ist es natürlich logisch, dass jede/r, sobald es möglich ist, nach dem Führerschein und dem ersten Auto strebt und weil die Landbewohner/innen dabei klaglos mitspielen, wird sich auch nichts daran ändern. Ich lebe knapp vierzig Kilometer außerhalb Hamburgs und nach 21 Uhr komm ich aus Hamburg nicht mehr nach Hause. Zwei Busse bringen mich vom Land über Umwege nach Hamburg, krieg ich die nicht, heißt es mehr als vier Kilometer spazieren gehn, oft mit Einkaufstasche. Ach ja, für die vierzig Kilometer bin ich knapp zwei (mindestens) Stunden unterwegs. Jede/r Landbewohner/in schüttelt den Kopf, wenn ich erzähle, dass ich kein Auto habe und dies auch nicht möchte. Den ÖPNV (im Alten Land) scheint jedoch ein attraktiveres Angebot nicht zu interessieren, denn verändert hat sich in den letzten zehn Jahren nichts, außer vielleicht, dass mal plötzlich eine Buslinie wegfällt. Klimabewußtsein erlebe ich, was dieses Thema angeht, eher selten.

    • @Nobodys Hero:

      > Also daß man in der Stadt ÖPNV braucht finde ich verständlich, aber auf dem Land ist das weder realistisch noch wirklich notwendig. [ ... ] In meinem Heimatdorf sind die Busse immer komplett leer.

      Aber eben vor allem deswegen, weil sie kein attraktives Verkehrsmittel sind. Außerdem führt die Orientierung am Ist-Zustand gerade wegen der jahrzehntelangen Dominanz des Automobils leicht zu falschen Schlüssen. In den USA gibt es viele Orte, wo es überhaupt keinen praktikablen ÖPNV gibt, und auch nicht mal Gehwege, um zum nächsten Laden zu kommen. Daraus kann man ja nicht schließen, dass Gehwege und ÖPNV nicht nötig sind.

      > Was sinnvoll ist, sind Radewege zwischen den Orten.

      Und ein Tempo 60 Limit auf allen Landstraßen, wo sich Radfahrer und Autos die Fahrbahn teilen. Gerade weil auf Landstraßen das Unfallrisiko für alle Verkehrsmittel sehr hoch ist und das auch Leute davon abschreckt, mit dem Fahrrad zu fahren.