: Projekt 18
Die Union landet in ersten Umfragen bei unter 20 Prozent, am Boden.Um wieder aufzustehen, braucht sie festes Schuhwerk. Wir hätten da eine Idee
Von Kersten Augustin
Wir schreiben das Jahr 2002: Der Euro wird als Zahlungsmittel eingeführt, Lance Armstrong gewinnt die Tour de France, die USA eröffnen das Gefangenenlager Guantánamo. Der Kanzlerkandidat der FDP heißt Guido Westerwelle, und die politische Talkshow am Sonntagabend wird von einer gewissen Sabine Christiansen moderiert.
Moment, die FDP hatte einen Kanzlerkandidaten? So war es. Die Liberalen hatten sich nach einigen Wahlniederlagen bei vorhergehenden Landtagswahlen das Ziel gesetzt, nicht mehr Anhängsel der Union zu sein, sondern mit einem eigenständigen politischen Profil aufzutreten.
Teil dieser Neuerfindung der FDP war auch das Selbstverständnis der FDP als „Spaßpartei“. Und so kam es, dass ihr Kanzlerkandidat an einem Sonntagabend im Studio von Sabine Christiansen auftrat und demonstrativ seine Schuhsohle in die Fernsehkameras hielt. Darauf prangte eine große 18, für das Wahlziel, das sich die FDP für die Bundestagswahl gesetzt hatte.
Knapp 20 Jahre später kann sich nun Armin Laschet an dem alten Ziel der FDP ein Vorbild nehmen. Eine erste Umfrage sieht seine Union erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik unter 20 Prozent. Für zusätzliche Motivation könnten die Ergebnisse einer anderen Umfrage sorgen, in der die CSU in Bayern und die CDU in Restdeutschland getrennt voneinander ausgewiesen werden. In dieser steht die Partei von Laschet nur bei 15,5 Prozent. Für 18 Prozent muss der Kanzlerkandidat sich also noch ein bisschen strecken.
Die Schuhe von Westerwelle stehen heute übrigens im deutschen Schuhmuseum in Hauenstein. Dort kann man nachlesen, dass Westerwelle bei Sabine Christiansen Schuhe der Marke Hugo Boss in der Größe 8 ½ trug. Ob Armin Laschet sie passen würden, ist unklar. Seine Schuhgröße blieb bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe unbekannt.
Die Zahl 18 war übrigens nicht einfach billig aufgeklebt, sondern 3 Millimeter tief in die Sohle gefräst. Sie ist also deutlich langlebiger als die großspurigen Ambitionen der FDP, die bei der Bundestagswahl 2002 trotz oder wegen dieser Strategie nur auf 7,4 Prozent der Stimmen kam.
Westerwelle wurde später in anderen Schuhen noch Vizekanzler. Vielleicht ist das ja eine beruhigende Aussicht für Armin Laschet. Wenn ihm diese Fußstapfen nicht zu groß sind.
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