CDU-Spitzenkandidat über den Wahlkampf: „Der Wind kommt halt von vorn“
Auch für Berlins CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner ist Klimaschutz eines der großen Themen. Er stellt die Glaubwürdigkeit der SPD in Frage.
taz: Herr Wegner, wie gut verstehen Sie sich eigentlich mit Franziska Giffey?
Kai Wegner: Wenn man im Bundestag gemeinsam arbeitet, sieht man sich und spricht auch das eine oder andere Mal miteinander. Und wir haben ja jetzt auch viele Begegnungen im Wahlkampf – ich sehe die anderen Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten derzeit ja gefühlt häufiger als meine Familie. Ich glaube, dass wir menschlich gut miteinander klarkommen.
Die Frage drängt sich ja auf, da Berlin auf ein rot-schwarz-gelbes Bündnis hin zu steuern scheint, das erst die zweite Deutschland-Koalition nach Sachsen-Anhalt wäre.
Darüber entscheiden die Wähler. Ich bin aber überrascht über die eine oder andere Forderung, die die SPD in ihrem Wahlprogramm aufstellt. Das hat ja mit den letzten 20 Jahren, in denen die SPD in Berlin den Regierenden Bürgermeister gestellt hat, nichts mehr zu tun. Man entdeckt eine neue Liebe zur U-Bahn oder zur Vorschule – alles langjährige Forderungen von mir. Deswegen bin ich erstaunt über diese neue inhaltliche Ausrichtung der SPD. Die Frage ist nur, wie glaubwürdig das ist.
Je glaubwürdiger die SPD wird, umso schlechter für die CDU, oder? Denn es nutzt Ihnen ja nichts, sich an Rot-Rot-Grün abzuarbeiten, wenn sich Frau Giffey selbst davon distanziert.
Das stimmt, das macht sie. Aber am 26. September stehen erst mal Parteien zur Wahl. Und wenn ich mir die Verantwortlichen innerhalb der SPD anschaue, dann waren die allermeisten die letzten fünf, zehn oder auch fünfzehn Jahre dabei. Und all das, was man jetzt verspricht, hätte man ehrlicherweise in all diesen Jahren machen können – hat man aber nicht.
Und doch scheint sich Franziska Giffey bislang erfolgreich davon abkoppeln zu können. Die Grünen halten ihr schon vor, die CDU zu kopieren. Der Vorwurf kam zuletzt auch aus der CDU selbst. Und Giffeys Slogan „Ganz sicher Berlin“ zielt ja tatsächlich aufs CDU-Kernthema Sicherheit.
Im Rahmen der taz Talks zur Berlin-Wahl kommt CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner an diesem Mittwoch, 8. September, 19.30 Uhr, in die taz Kantine. Das Gespräch findet vor Publikum statt und wird zudem live gestreamt.
Am Donnerstag, 9. September, 19 Uhr, folgt dann der taz Talk mit Franziska Giffey, SPD. Alle Infos und Termine sind hier zu finden. (taz)
Wenn die SPD das jetzt auch so sieht, freut mich das. Aber wer will, dass sich wirklich etwas verändert in dieser Stadt – bei der inneren Sicherheit, bei der U-Bahn, bei der Bildung, beim Mobilitätsgesetz und vielen anderen Dingen – der sollte das Original wählen, und das Original ist die CDU.
Bei der U-Bahn ist die SPD allerdings schon länger auf dem Kurs, auf dem Sie auch sind, nämlich Ausbau und Erweiterung.
Mag sein – aber wie viele Kilometer wurden denn tatsächlich ausgebaut? Ich kann es Ihnen sagen: In den letzten fünf Jahren von Rot-Rot-Grün ist kein einziger Kilometer neu geplant worden. Und ich kann mich auch noch gut erinnern, als wir von 2011 bis 2016 mit der SPD regiert haben: Da wollte die SPD unsere Initiativen zur U-Bahn erst im Juni 2016 mittragen. Im Herbst 2016 haben SPD, Linke und Grüne den Parlamentsbeschluss im Senat aber wieder kassiert. Das waren fünf verlorene Jahre des Stillstands.
Da gucken Sie jetzt aber gerade ganz weit zurück, wenn wir über die rot-schwarze Koalition von 2011 bis 2016 reden.
Das ist ja der Punkt: Wir reden über vieles schon so lange, aber es passiert zu wenig. Wissen Sie, ich glaube, wir haben in Berlin in vielen Politikbereichen doch gar kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem.
Das ist ja nicht neu, das hat schon eine vom rot-rot-grünen Senat eingesetzte Kommission festgestellt – und das auch nicht zum ersten Mal.
Es geht darum, nicht so viel reden, sondern zu machen, ein Problem zu erkennen, eine Lösung anzubieten und die dann im Senat umzusetzen. Das muss der neue Politikansatz in der Stadt sein. Und dann werden wir auch viele Berlinerinnen und Berliner davon überzeugen, dass Politik doch etwas verändern kann.
Da ist schon wieder das Problem der Abgrenzung zu Frau Giffey, die seit Jahren als anpackende Macherin auftritt und als Ministerin Dinge mit so griffigen Namen wie Gute-Kita-Gesetz oder Starke-Familien-Gesetz auf den Weg brachte.
48, ist seit Mai 2019 Landesvorsitzender der Berliner CDU und hat dort Monika Grütters im Amt abgelöst. Er gehört seit 2005 dem Bundestag an, wo er baupolitischer Sprecher der Unionsfraktion ist. Zuvor war er sechs Jahre Mitglied des Abgeordnetenhauses, für das er nun als CDU-Spitzenkandidat erneut antritt. Die AfD bezeichnet er als politischen Feind.
Man kann sich ja viele Gedanken über Namen machen, das stört mich auch nicht, aber Gesetze müssen vor allem tatsächlich gut sein, also auch funktionieren. Und wenn ich mir die Situation in den Kitas in Berlin anschaue, dann stelle ich fest, dass dort 26.000 Plätze fehlen. Wenn so viele von Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen, dann passt es nicht zusammen, wenn man keinen Betreuungsplatz für sein Kind findet.
Giffey hin oder her – die Berliner SPD profitiert aktuell merklich vom Aufschwung der Sozialdemokraten auf Bundesebene. Wie deprimierend ist es für Sie, dass das bei der CDU umgekehrt ist?
Man wünscht sich natürlich immer Rückenwind, und zurzeit kommt der Wind halt von vorn. Das Entscheidende ist, dass man trotzdem gerade steht. Bei meinen Gesprächen vor Ort mit den Berlinerinnen und Berlinern erfahre ich viel Zuspruch. Außerdem sind es noch drei Wochen bis zur Wahl, da kann sich der Wind auch wieder drehen.
Doch gerade das könnte ein Problem für Sie sein: Dann würde die Berliner CDU am 26. September zwar stärkste Partei, bliebe aber ziemlich sicher in der Opposition, weil mutmaßlich weder SPD noch Grüne Ihre Juniorpartner sein wollen.
Ich möchte Rot-Rot-Grün in dieser Stadt beenden und die CDU zur stärksten Kraft machen. Ich setze nicht auf Platz, sondern auf Sieg.
Sie waren im Frühjahr einer der wenigen CDU-Landesvorsitzenden, die sich offen für Markus Söder und nicht für Armin Laschet ausgesprochen haben. Fühlen Sie sich jetzt durch das Umfragetief bestätigt?
Darum geht es gar nicht. Ich habe immer gesagt, dass wir zwei starke Ministerpräsidenten haben, die beide das Zeug zum Kanzler haben, und dazu stehe ich auch noch heute. Ja, ich war für Markus Söder, ich kenne ihn unheimlich lange, und ich schätze sehr, was er in Bayern macht, wie er dort anpackt, wie er Probleme angeht. Jetzt ist die Entscheidung getroffen, Armin Laschet ist unser Kanzlerkandidat, und ich kämpfe dafür, dass er Bundeskanzler wird. Und wenn die CDU die nächste Bundesregierung anführt, wird Markus Söder ein gewichtiges Wort mitsprechen.
Es hat den Eindruck, dass sich dieser Wahlkampf auf Bundesebene nur durch Fehler oder ein Lachen an falscher Stelle entscheidet, nicht aber durch Inhalte. Wie sehen Sie das?
Auch wenn es derzeit nicht einfach aussieht, bleibe ich unerschütterlicher Optimist. Wir haben jetzt noch knapp drei Wochen Zeit, und vor acht Wochen hatten wir eine ganz andere Situation in den Umfragen. Das hat sich so schnell gedreht und genauso schnell kann sich das wieder zurückdrehen.
Aber was sollte denn noch passieren? Es wirkt so, als könnten Olaf Scholz und Franziska Giffey sich jetzt am besten drei Wochen einschließen und die Dinge weiter ihren Lauf nehmen lassen.
Wissen Sie, wir haben in diesem Wahlkampf ganz viel gesprochen über Plagiate, über Bücher, die abgeschrieben wurden, über das Lachen an einer falschen Stelle. Angesichts der großen Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, sind das Nebensächlichkeiten, die am Ende des Tages nicht wahlentscheidend sein dürfen und es auch nicht sein werden. Am Ende des Tages wird es um Themen gehen.
Das passiert doch aber gerade nicht. Eine Umweltkatastrophe folgt auf die andere, und die Werte der Partei, die am meisten auf Klimaschutz setzt, die Grünen, gehen ähnlich stark runter wie die der CDU.
Auf der Straße im Wahlkampf erlebe ich das anders. Da ist Klimaschutz ein großes Thema, die Bürger sprechen mich oft darauf an. Es ist ja auch die Frage, wie ich mit dem Thema umgehe: Setze ich auf Angebote, um die Klimawende hinzubekommen, oder setze ich auf Verbote? Ich will Klimaschutz mit Turbo statt mit Veto.
Jetzt ist mit Blick auf eine mögliche Deutschland-Koalition schon zu hören, ein solches Bündnis würde Berlin auf die Außenbezirke und Kleingärten reduzieren und stehe nicht für die eigentlich alternative, links-bunte Hauptstadt.
Berlin ist nicht nur der innere S-Bahn-Ring: Berlin ist der Kollwitzplatz genauso wie Frohnau oder wie die tollen Gegenden am Müggelsee. Ich glaube, diese Stadt hat endlich eine Politik verdient, die die ganze Stadt in den Blick nimmt. Die letzten fünf Jahre waren auch hier geprägt von einem Gegeneinander, nämlich Innenstadt gegen Außenbezirke. Mit mir wird es keine solche Politik geben: Ich werde Lösungen entwickeln, die für alle funktionieren.
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