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Parlament zurück aus der SommerpauseAuch die CDU nun radikal

Die Verkehrswende sorgt für eine heftige Debatte im Abgeordnetenhaus. Die Union hält Rot-Rot-Grün dabei „Autohasserwahn“ vor.

Im Abgeordnetenhaus arbeitete sich die CDU am Donnerstag an der rot-rot-grünen Verkehrspolitik ab Foto: dpa

Berlin taz | War das nun ein Blinken Richtung SPD? Ein Sichanbieten für eine rot-schwarz-gelbe Koalition? Als die CDU-Fraktion am Donnerstag die rot-rot-grüne Verkehrspolitik verdammt, richtet ihr Sprecher Oliver Friederici sich fast durchweg an die Grünen und billigt der SPD zu, bei dem von ihm so empfundenen „Autohasserwahn“ nicht immer mitzumachen. Friederici fordert zwar im Extinction-Rebellion-Duktus, die Verkehrspolitik müsse sich „radikal ändern“. Für ihn heißt das aber: „Weg vom Zwang des Umerziehens zur Freiheit der besten Angebote“.

In der ersten Sitzung nach der Sommerpause, der drittletzten vor der Wahl am 26. September, haut die CDU gleich tüchtig drauf: Rot-Rot-Grün mache Vorgaben statt Angebote, gängele, erzeuge Stau und habe sich – die SPD ausgenommen – lange gegen U-Bahn-Bau gesträubt.

Wie würde für die SPD deren verkehrspolitische Sprecher, Tino Schopf, auf die CDU-Avancen reagieren? Der lässt die Union trotz Übereinstimmung beim U-Bahn-Ausbau und einem 365-Euro-Ticket erst mal abbblitzen: „Glauben Sie allen Ernstes, dass Sie es besser könnten?“ Dann aber setzt er sich mit Blick auf das Mobilitätsgesetz doch vom grünen Koalitionspartner ab: „Dank der SPD-Fraktion reden wir nicht nur über ein Radgesetz.“ Er kritisiert – ohne Adressaten zu nennen – die grüne Senatsverwaltung, Fördermittel nicht genutzt zu haben, und bilanziert: Der Radausbau sei trotz mehr Personal nicht beschleunigt worden.

„Bullerbü des Stillstands“

Dass es bei den Radwegen nicht schnell genug vorangehe, räumt auch die Linksfraktion ein. Ihr Verkehrsexperte, Kristian Ronneburg, kritisiert aber in gleicher Weise die SPD-Forderungen bei der U-Bahn: „Das ist eine Wünsch-dir-was-Liste.“ Ronneburg verweist als rot-rot-grüne Erfolge auf vergünstigte oder sogar Umsonst-Tickets und auf 1.500 bestellte neue U-Bahn-Wagen, derzeit würden nur 1.300 fahren.

Dem FDP-Mann Henner Schmidt schließlich ist die ganze grün verantwortete Verkehrspolitik zu wenig großstädtisch: „Es geht entweder um eine Stadt, die sich bewegt, oder um ein Bullerbü des Stillstands.“ Grüne City-Visionen mit Parks, Fußgängerzonen, stets entspannten Menschen und Lastenrädern unter Dauersonne empfindet er „als so piefig, so spießig, dass mich da manchmal der leichte Brechreiz packt“.

Die grüne Verkehrssenatorin Regine Günther sieht das erwartungsgemäß anders, spricht davon, man habe „unübersehbare Erfolge erzielt“. Die Verkehrswende verortet sie trotzdem noch in der Anfangsphase: Die sei ein Marathonlauf (42,195 km, d. taz), sagt sie, „ich glaube, wir sind bei Kilometer zehn.“

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3 Kommentare

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  • Autowasserhahn 🚰?

  • Die von den Grünen geplante Verkehrswende sehe sehr kritisch. Die Grünen machen Politik für Junge gesunde und gut verdienende Menschen.



    In deren Planung werden behinderte, kranke und ältere Menschen, die auf ein Auto zur Versorgung des Lebensunterhaltes, medizinischen Versorgung und Teilhabe am allgemeinen öffentlichen Leben unabdingbar benötigen, nicht berücksichtigt.



    Offensichtlich sind diese Menschen den Grünen gleichgültig.

    • @Wahrheitsliebender:

      Genauso ist es.

      Ich kenne genug Menschen, die ohne eigenes Auto komplett von der Mobilität abgeschnitten wären.

      Dies liegt nicht daran, dass die Bushaltestelle für einen gesunden Menschen zu weit weg ist. Es liegt daran, dass sie es einfach nicht (mehr) schaffen.

      Man sollte immer daran denken, dass man selbst nicht immer jung und gesund sein wird, sondern auch einmal älter und vielleicht auch kränker wird.

      Denkt man dann immer noch so wie mit 20 oder 30?