piwik no script img

Kaserne in Schleswig-Holstein umbenanntEhrung für NS-Offizier

Die Rettberg-Kaserne in Eutin trägt jetzt nicht mehr den Namen eines Kriegsverbrechers aus dem Ersten Weltkrieg. Sondern den eines Wehrmachtoffiziers.

Nicht mehr Rettberg- sondern jetzt Oberst-Herrmann-Kaserne: Die Namensgebung in Eutin ist trotzdem fragwürdig Foto: Wikipedia

Osnabrück taz | Die Bundeswehr hat die Rettberg-Kaserne im schleswig-holsteinischen Eutin umbenannt. Oberst Karl von Rettberg, belastet durch deutsche Kriegsverbrechen gegen Zivilisten im Ersten Weltkrieg, ist als Namensgeber mit den Werten der Bundeswehr nicht mehr vereinbar. Ihm werden Brandschatzungen und Erschießungen in Belgien vorgeworfen. Doch der neue Name sorgt ebenfalls für Kritik: Seit August heißt die Liegenschaft Oberst-Herrmann-Kaserne. Und eben jener Werner Herrmann war zwar Bundeswehrbefehlshaber, zuvor aber Wehrmachtsoffizier und bei der Sturmabteilung (SA).

Kri­ti­ke­r*in­nen bemängeln, die Bundeswehr habe ein Übel gegen das nächste ausgetauscht: „Das ist ein Entlastungsnarrativ“, sagt Jakob Knab, der mit seiner „Initiative gegen falsche Glorie“ bundesweit viele Umbenennungen vorantreibt. Eine wichtige Frage in Bezug auf Herrmann lautet für ihn: „Hat Herrmann als Mitglied der SA 1934 am Boykott jüdischer Geschäfte teilgenommen?“

Die Bundeswehr zeichnet in einem Brief an die Initiative Ende Juni ein positives Bild ihres Kameraden: Herrmann gelte in Eutin als „integre Persönlichkeit“, schreibt ein Oberst aus dem Verteidigungsministerium. Anhaltspunkte dafür, dass er „schuldhaft in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen sein könnte“, gebe es nicht.

Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der Linken, irritiert das Vorgehen: Dass die Rettberg-Kaserne nicht mehr nach einem kaiserlichen Militaristen und Kriegsverbrecher benannt ist, sei erst mal zu begrüßen. Dass jedoch „ein Offizier aus Hitlers Wehrmacht zum Namenspatron gemacht wird, zeigt dass die Bundeswehr nicht zu einem wirklichen Neuanfang bereit ist“.

Einwandfreie „nationalsozialistische Haltung“

Noch Anfang 1944 sei Herrmann eine einwandfreie „nationalsozialistische Haltung“ attestiert worden. Von ihm seien „keinerlei kritische Positionen gegen das NS-Regime bekannt“. Ihn mache „fassungslos“, dass man schon völlig zufrieden sei, wenn man bei den Namensgebern keine Belege für Kriegsverbrechen finde, sagt Korte. „Für eine demokratische Traditionsbildung kann das doch nicht ernsthaft reichen.“ Es gebe „jede Menge Alternativen“, etwa Namen aus dem Widerstand. „Aber offensichtlich war das nicht gewollt.“

34 Umbenennungen umfasst die Liste von Knabs Initiative seit 1995: Kasernen, Lehrsaalgebäude, Straßen. Sieben weitere folgen 2022, gleich drei davon in Kiel: Tirpitzhafen, Tirpitzmole und Scheermole.

Leicht tut sich die Bundeswehr dabei nicht. „Da wird meist eine ziemliche Hinhaltetaktik betrieben“, sagt Klaus Dieter Hartwig, Marinehistoriker in Kiel. Vor zwei Jahren hat er beim Landeskommando Holstein einen Vortrag gehalten. In der Diskussion habe ein Stabsbootsmann gesagt: „Dann können wir ja eigentlich niemanden nehmen, der in der Wehrmacht gedient hat.“ Hartwigs Meinung dazu ist klar: „Der Mann hatte Recht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • warum muss eine "kaserne" oder ein gebäude überhaupt nach einer person benannt werden? geht es nicht ohne so irgendwelche "helden"?

  • Ja und was ist daran so schlimm wenn man niemanden aus der Wehrmacht nehmen kann?

  • Niemanden, der in der Wehrmacht gedient hat?



    Bitte mal nachlesen, warum die Major-Karl-Plagge-Kaserne und die Feldwebel-Anton-Schmid-Kaserne ihre Namen haben.



    Im vorliegenden Fall haetten sich bestimmt noch passende Namen finden lassen.