piwik no script img

Evangelikale in der AfD OsnabrückFromm und rechtsextrem

In der Osnabrücker AfD mischen Evangelikale kräftig mit. Ein Ziel ist es, Allianzen mit anderen rechtsextremen Evangelikalen zu bilden.

Neuer Kreisvorsitzender nach dubioser Wahl: Bodo Suhren (links), hier bei einem Parteitag 2015 Foto: Julian Stratenschulte/dpa

D ass Evangelikale mit Rechten und Rechtsextremen zusammenarbeiten, zeigt sich vielerorts. Gerade erst wurden globale Allianzen aufgedeckt, die bis nach Brasilien reichen. Doch auch im Lokalen ist das Zusammenspiel sichtbar – zum Beispiel in Osnabrück.

In der niedersächsischen Großstadt ist die AfD nicht besonders gut aufgestellt. Interne Streitereien führten schon 2020 zum Rücktritt des Kreisvorstandes, doch erst im April dieses Jahres wurde ein neuer Kreisvorsitzender gewählt. Beim Parteitag der AfD Osnabrück in Fürstenau setzte sich der Vorsitzende der Kreistagsfraktion, Bodo Suhren, durch. Ein Erfolg, der offenbar dem Einfluss von russlanddeutschen Evangelikalen geschuldet ist. Ihr Einfluss hält an.

Die Informationen dazu kommen von einem AfD-Mitglied, das namentlich nicht genannt werden möchte, weil es Anfeindungen innerhalb der Partei befürchtet. Vor der Wahl seien gezielt Mitglieder der „Evangelischen Freikirche Lebensquelle“ zum Parteieintritt ermutigt worden, um Mehrheiten zu schaffen. Der Parteitag habe erst so spät stattgefunden, weil der Notvorstand vorgeschlagene Räumlichkeiten in Osnabrück ignoriert habe und die Veranstaltung stattdessen weit entfernt abhalten wollte.

Die Verzögerung sei kein Zufall, sagt das anonyme Mitglied – ebenso wenig wie die Umstände, dass der AfD-Bundestagsabgeordnete Waldemar Herdt in der Nähe des Veranstaltungsorts in Neuenkirchen wohnt und dass ein Russlanddeutscher die Gaststätte betreibt.

Im Herbst vergangenen Jahres sei es zu einer Flut von Aufnahmeanträgen durch Russlanddeutsche, die der Freikirche angehören, gekommen. Allein 21 Neuanträge habe es im Oktober gegeben, die nach einem Formfehler aber vom AfD-Bundesvorstand abgelehnt worden seien. Nach erneuten Anträgen seien 18 Personen neue Parteimitglieder geworden. In einem Kreisverband ist das schon eine Hausmacht.

Aufnahmegespräche im Zehn-Minuten-Takt

Es ist kein Geheimnis, dass Waldemar Herdt sich stark in der evangelikalen Kirche engagiert. Er gehört zu denen, die weltweit agieren, und will offenbar eine evangelikale Allianz mit Akteuren aus Russland und Brasilien ausweiten.

In Fürstenau soll Bodo Suhren auf dem Parteitag während seiner Vorstellung bei fast jedem Satz beklatscht und bejubelt worden sein. Die neuen Mitglieder hätten stets geschlossen abgestimmt: Einer hob die Hand, sofort folgten die anderen Hände.

Inwieweit die Neuen mangels Sprachkenntnis und fehlender Parteierfahrung selbstbestimmt handelten, bezweifelt das Mitglied, das anonym bleiben möchte. Die erforderlichen Aufnahmegespräche seien im Zehn-Minuten-Takt binnen fünf Stunden in Neukirchen verlaufen und der AfD-Bundestagsabgeordnete und -Landesvorsitzende Jens Kestner habe sie geführt.

Kestner dürften die Ergebnisse des Parteitags gefallen haben. Alles sei so gelaufen, wie er es eingefädelt habe, sagt das anonyme Mitglied. Im Kreisverband sei die Freikirche weiter präsent.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Die Leute wissen, wie man Politik macht, aber leider nicht, wie man Jesus nachfolgt ...

  • es ist der 28. AUgust 2021. Der 80. Jahrestag der Deportation der Russlanddeutschen, weil Nazideutschland Russland angegriffen hat. Und die TAZ schreibt nichts über diesen Teil deutscher Geschichte und Verantwortung. Stattdessen werden russlanddeutsche pauschal und undifferenziert rassifiziert und in das rechet Lager gestellt. Die AfD hätte ihre Wähler:innen auch ohne Russlanddeutsche. Jannis Panagiotidis hat in einer seiner Studien dieses rassistische Stereotyp der AfD Wählenden Russlanddeutschen schon längst widerlegt.