Amri-Untersuchungsausschuss Berlin: Auf den Spuren des Attentäters
Der Untersuchungsausschuss zu Anis Amri stellt seinen Abschlussbericht vor. Es geht um Pannen und Fehleinschätzungen. Und es bleiben Fragen.
S echs Stunden lang wird Anis Amri am 7. März 2016 von Polizisten observiert. Er besucht in dieser Zeit die als Salafisten-Treffpunkt bekannte Fussilet-Moschee in Moabit, eine Wohnung in der Großbeerenstraße in Kreuzberg, eine Wohnung in der Lychener Straße in Prenzlauer Berg und später das Gesundbrunnencenter in Wedding, an dessen nahen S-Bahnhof ihn die Beamten des Landeskriminalamtes (LKA) schließlich aus den Augen verlieren. Dazu gibt es Informationen, wen Amri in dieser Zeit getroffen hat.
Wer viel Zeit und Muße hat, kann im Abschlussbericht des Armi-Unterschungsausschusses auf viele weitere Details stoßen – zu Amri, zu den ermittelnden Behörden, zu Pannen, zu Fehleinschätzungen. Und manche Schilderungen werfen die Frage auf, wie nah einem Amri, der spätere Attentäter vom Breitscheidplatz, in seiner Zeit in Berlin gekommen ist.
Der am Montag vorgestellte 1.200 Seiten starke Abschlussbericht ist Beweis einer beeindruckenden Arbeit der Parlamentarier*innen. Vier Jahre wurde getagt, fast 100 Zeug*innen befragt. Nicht alle Fragen konnten geklärt werden: So bleibt zum Beispiel weiterhin offen, warum die Observation von Amri im Juni 2016 plötzlich von der Berliner Polizei abgebrochen und bis zu dem Anschlag am 19. Dezember 2016 mit zwölf Toten nicht mehr aufgenommen wurde. Und auch das Umfeld von Anis Amri hätte nach Einschätzung von Grünen und Linken noch deutlicher untersucht werden können und müssen.
Dennoch ist der einstimmig von den Fraktionen beschlossene Bericht ein Beleg, dass das demokratische System und die Kontrolle der Sicherheitsorgane funktioniert: Die Abgeordneten haben herausgearbeitet, welche teils gravierenden Fehler bei den Ermittlungen gegen Amri vor dem Attentat passiert sind. Andere demokratische Kontrollinstanzen, etwa die Medien, sind zu einer so kleinteiligen und aufwändigen Arbeit inzwischen kaum mehr in der Lage. Schon die Berichterstattung über die Arbeit des Untersuchungsausschusses hatte deutliche Lücken.
Aufgabe der Parlamentarier ist es nun zu kontrollieren, ob die teils deutlich kritisierten Sicherheitsorgane wie der Verfassungsschutz und das LKA Lehren aus ihren Fehlern ziehen, diese umsetzen und zum Beispiel ineffiziente Strukturen ändern sowie die Zusammenarbeit untereinander verstärken. Dass dies passiert, ist trotz der Pannenserie im Fall Amri nicht selbstverständlich. Das hat der Skandal um die lange unentdeckt gebliebene rechtsextreme Terrorzelle NSU gezeigt.
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