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Nach dem Erdbeben auf HaitiÜberholte Hilfsreflexe

Kommentar von Katja Maurer

Das neuerliche Erdbeben hat Haiti hart getroffen. Das Land braucht jetzt keine humanitäre Hilfe, sondern Unterstützung für einen politischen Prozess.

Haiti am Sonntag: Ein Feuerwehrmann sucht in den Trümmern eines Hauses nach Überlebenden Foto: Joseph Odelyn/dpa

D ass auf Haiti weitere Erdbeben zukommen werden, war spätestens 2010 klar. Schon das erste, katastrophale Erdbeben war von Wis­sen­schaft­le­r:in­nen vorhergesagt worden. Aber es fehlte dem, was man den haitianischen Staat nennt, jede institutionelle Möglichkeit für vorbeugende Maßnahmen wie den Ausbau des Katastrophenschutzes, die Aufklärung über Verhaltensregeln bei Erdbeben wie die Errichtung erdbebensicherer Gebäude.

Nun hat ein erneutes Erdbeben den Süden des Landes getroffen. Die weit über Tausend Toten und Hunderttausenden Obdachlosen rufen traumatische Erinnerungen hervor. Das Erdbeben von 2010 tötete nicht nur etwa 300.000 Menschen, sondern zerstörte auch die institutionelle und materielle Infrastruktur in der Hauptstadt, auf die sich alles konzentrierte.

Der Wiederaufbau damals geschah unter Ägide der USA und westlicher Mächte, militärisch unterstützt vom längsten UN-Militäreinsatz, der täglich eine Million Dollar kostete. Das Ergebnis dieser humanitären Intervention ist ein noch dysfunktionalerer Staat, in dem sich bereichert, wer Zugang zu meist ausländischen Geldmitteln hat. Dafür wird auch gemordet, wie der noch immer unaufgeklärte Tod des Präsidenten Jovenel Moïse zeigt.

Das neue Erdbeben ruft nun wieder globale Hilfsreflexe auf. Während Bilder zeigen, wie die einheimische Bevölkerung Menschen rettet und in nachbarschaftlicher Solidarität die Lage versucht unter Kontrolle zu bringen, setzt sich eine internationale Hilfsmaschinerie in Gang, die auf der Rede von der vorgeblichen Hilflosigkeit der Opfer basiert. Dieses Denken greift auf Vorurteile zurück: dass im Land nichts vorliege, das zur Rettung beitragen könne. Die in Hilfe verpackte alte koloniale Idee, die lokale Kapazitäten missachtet, steht für ein veraltetes Überlegenheitsdenken.

Haiti braucht jetzt Unterstützung für einen politischen Prozess, der gemeinwohlorientierten Wiederaufbau ermöglicht. Nötig wäre eine nachhaltige internationale Hilfe, die sich selbst abschaffen und lokale wie nationale Strukturen stärken will.

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2 Kommentare

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  • "eine internationale Hilfsmaschinerie, die auf der Rede von der vorgeblichen Hilflosigkeit der Opfer basiert. Dieses Denken greift auf Vorurteile zurück: dass im Land nichts vorliege, das zur Rettung beitragen könne. Die in Hilfe verpackte alte koloniale Idee, die lokale Kapazitäten missachtet, steht für ein veraltetes Überlegenheitsdenken."

    Eine wunderbare Ausrede, um schlicht nichts zu tun. Herrlich. Was man da an Geld sparen kann...

  • Toller Artikel. Das sollte man mal über die Flut in Westdeutschland schreiben. Da gäbe es noch genug Reserven, und der politische Prozess müssse geändert werden. Die Situation ist die gleiche. Nach dem Oderhochwasser und dem Elbehochwasser ist ja auch in D nichts passiert, und auch hier bedienen sich einige an öffentlichen Geldern.