Wichtige Zahl der Klimapolitik: Im Zweifel für die magische Zwei
Unter zwei Grad Erwärmung bleiben, zwei Prozent Fläche für Windanlagen: Die 2 ist die Zahl in der Klimapolitik. Einige treiben damit aber Schindluder.
Berlin taz | Klingt ein bisschen seltsam, aber für mich gibt es sympathische und unsympathische Ziffern. Die Eins zum Beispiel war mir immer zu mager, die Neun zu fett. Gerade Zahlen sind mir lieber als ungerade. Die Sieben finde ich irgendwie heimtückisch. Am schönsten: die Fünf. Sie ist zwar ungerade, aber gleichzeitig eckig und rund, das hat was.
In der Klimapolitik dagegen ist die magische Zahl eindeutig die Zwei. Wir müssen global unter zwei Grad Erwärmung bleiben, haben wir in Paris beschlossen. Wir brauchen zwei Prozent der Landesfläche für Windanlagen. Die weltweiten Emissionen müssen bis 2030 um den Faktor zwei fallen. Und allgemein befällt mich schon lange in der nationalen und internationalen Klimapolitik vor allem der Zwei-fel.
Und jetzt kommt die große Zwei mit einem uralten Trick wieder ins Spiel: Deutschlands Anteil an den globalen Emissionen ist – genau – etwa zwei Prozent. Das sagen CDU-Kanzlerhoffnung Armin Laschet oder der Wirtschaftsflügel der Union; viele, die lange nicht durch Klimaaktionismus aufgefallen sind. Was sie sagen, stimmt. Was sie meinen, ist etwas anderes: Was wir tun, ist ohnehin egal. Sollen sich mal die anderen anstrengen.
Folgen wir diesem faszinierenden Argument. Dann könnten sich folgende Länder auch noch ausruhen: Iran, Südkorea, Saudi-Arabien, Kanada, Indonesien, Brasilien, Mexiko, Südafrika, die Türkei, Australien, Großbritannien, Italien, Polen, Frankreich, Kasachstan, Taiwan. Thailand, Spanien, Vietnam, Malaysia, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Argentinien, die Ukraine.
Viele unter zwei Prozent
Und das sind nur die Plätze 7 bis 30 auf der Liste der Klimasünder. Danach kommen weitere etwa 170 Staaten. Alle können sagen: Wir? Unser Anteil liegt weit unter zwei Prozent!
Noch schöner: Sämtliche Auto-, Chemie- und Stahlkonzerne sind so aus dem Schneider. Thyssenkrupp macht nur zwei Prozent von Deutschlands zwei Prozent aus! Praktisch nichts! Ölgiganten wie SaudiAramco oder ExxonMobil stoßen nicht mal ein Achtel von Deutschland aus. Fast unter der Nachweisgrenze.
Ganz zu schweigen von einzelnen Regionen: Hebei, Chinas Kohle- und Industrieprovinz? Mit etwa 900 Millionen Tonnen kaum mehr als die Zwei-Prozent-Deutschen. Texas? 700 Millionen Tonnen, much less than those green german weirdos! Kohleland NRW? Ach nö, da wohnen ja eh nur KlimaschützerInnen.
Wer muss nach dieser Logik etwas tun? China, die USA, Indien, Russland, Japan. Ihnen kann man ordentliche Anteile an den Emissionen zurechnen. Wir anderen sind eben: Nicht zurechnungsfähig.
Leser*innenkommentare
Günter
Sory Herr Pötter, weiß nicht mehr ob ich Ihnen das zukommen lies...hier vielleicht ein zweites mal.
Schauen wir uns die Wärmebilanz der Erde an, müssen wir Phänomene der Absorption und Reflexion beachten. Die lokale Strahlungsbilanz hängt von der IR Abstrahlung von H2O und CO2 ab. Um solche Zusammenhänge zu verstehen, müssen wir die physikalischen Zusammenhänge genauer kennen. Rekapitulieren wir das Strahlungsgesetz:
tu-dresden.de/mn/m...esetze.pdf?lang=de
Wenn nun Greta, Luisa, Annalena und Herr Ulrich, der ja jüngst Luisa getroffen hat, darüber referieren könnten wäre ich dankbar.
Es bleibt freilich eine destruktive Bitten, sich mal mit dem Kern der Materie zu befassen, als den modernen Zeiten, in denen wir dem impulsiven Vergnügen nachgehen, irgendetwas zu mutmaßen anstatt zugegeben mit höchster Anstrengung verbunden, die Materie mal tatsächlich zu verstehen suchen.
What would The Doctor do?
Zunächst: reine Zahlenmystik. Dann doch ein Thema:
Einige denken offenbar, Deutschlands Beitrag zur CO2-Reduktion falle nicht ins Gewicht, die Anstrengung lohne sich nicht.
1. Deutschland hat sich im Rahmen internationaler Vereinbarungen zu Reduktionszielen verpflichtet. Erweist es sich als nicht verlässlich, werden sich auch andere zu fortgesetzter Untätigkeit ermutigt sehen. Umgekehrt sollte man die Erwartungen noch übertreffen, wie dies auch andere tun, um die trägen globalen Systeme in Schwung zu versetzen und unser Ansehen in der Welt zu steigern.
2. Wenn es gelänge, erneut EE-technologische Führerschaft zu erreichen (wo man 2005 schon einmal war), oder zumindest vorne mitzumischen, wären erneut hunderttausende Arbeitsplätze und gewaltige Umsätze für deutsche Unternehmen "drin".
Sonnenhaus
Es ist eben immer eine Frage der Perspektive!
Danke für diesen erhellenden Beitrag.