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Bürgermeister Onay ohne Mehrheit

Im Hannöverschen Stadtrat ist das Ampelbündnis aus Grünen, SPD und FDP endgültig geplatzt

Von Nadine Conti

Plötzlich fehlten drei Stimmen. Eigentlich hätte Anja Ritschel mit den 34 Stimmen von Oberbürgermeister, Grünen, SPD und FDP zur neuen Wirtschafts- und Umweltdezernentin im Rathaus von Hannover gewählt werden sollen. Doch mindestens drei Personen spielten nicht mit.

Ein herber Schlag und eine öffentliche Demütigung für Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne). Der Verdacht fiel zunächst auf die FDP, weil die eine geheime Wahl beantragt hatte. Nachdem aber einzelne Abgeordnete aus den Reihen der Opposition bekannten, auch für Ritschel gestimmt zu haben, sieht es danach aus, als wären auch aus der SPD-Fraktion Heckenschützen gekommen.

Entzündet hatte sich der Streit nicht wirklich an der Personalie, sondern zuletzt vor allem an einer Reihe von Straßensperrungen in der Innenstadt, die Onay kurzfristig durchgedrückt hatte. Eine Verkehrswende hatte immerhin zu den zentralen Wahlversprechen des grünen OBs gehört. FDP und SPD fühlten sich aber nicht hinreichend gefragt und einbezogen, verwiesen auf Rückstaus, Verkehrschaos und klagende Händler.

Auch das ist allerdings nicht der erste Konflikt – es hat ja seinen Grund, dass diese Ampel „Bündnis“ und nicht „Koalition“ heißt. Für einen Koalitionsvertrag hat es von Anfang an nicht gereicht – bei der FDP nicht, weil man Angst vor der Basis hatte und bei der SPD nicht, weil die zu sehr mit ihren Phantomschmerzen beschäftigt war. Über 70 Jahre lang hatten die Sozialdemokraten das Rathaus als ihren Erbhof betrachtet – dann stolperten sie über die Rathausaffäre ihres OB Stefan Schostok und nun sitzt zum ersten Mal ein grüner OB mit türkischen Wurzeln auf dem Chefsessel einer Landeshauptstadt.

Dessen Amtszeit steht unter keinem guten Stern: Die Bewältigung der Coronakrise dominiert alles andere. Die sorgte etwa dafür, dass ihm der vorher schon überlastete Bürgerservice um die Ohren flog. Zur Zeit ist es nicht einmal mehr möglich, einen vorläufigen Ausweis zu bekommen oder ein Auto umzumelden, ohne wochenlang warten zu müssen. Das Ende des Bündnisses ist erst einmal reine Symbolik: Der Rat geht jetzt in die Sommerpause. Danach wird am 12. September neu gewählt. Die große Frage ist, mit wem Onay es dann zu tun bekommt.

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