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Fahrgastverband zum Lokführerstreik„Die Bahn muss mehr liefern“

Der Staat muss mehr in die Bahn investieren, sagt Andreas Schröder vom Fahrgastverband Pro Bahn. Und die sollte höhere Löhne zahlen.

Grenzenlos fahren: Die Bahn sollte internationaler denken, sagt Andreas Schröder Foto: Rüdiger Wölk/imago
Sunny Riedel
Interview von Sunny Riedel

taz: Herr Schröder, die Gewerkschaft der Lokführer hat Bahnstreiks angekündigt. Haben Sie dafür Verständnis?

Andreas Schröder: Für die Forderungen haben wir natürlich Verständnis. Auch wir wollen, dass die Lokführer besser bezahlt werden. Aber dass es nur mit Streik gehen soll, ist traurig. Die Tarifpartner sollten sich schnellstmöglich einigen und ihren Streit nicht auf dem Rücken der Fahrgäste – ausgerechnet in der Urlaubssaison – austragen. Hier würde ein Streikplan helfen, wie es ihn in anderen Ländern gibt. Da können sich Fahrgäste auf einen Notplan verlassen. Das hat die GDL mit ihrem rabiaten Auftreten nicht geliefert.

Was bringt ein früh angekündigter Streik, der nicht wehtut?

Jeder Streik tut weh. Die Deutsche Bahn hat ja trotzdem Verluste. Man kann mit einem Streik auch dem Arbeitgeber schaden, ohne die Fahrgäste in Mitleidenschaft zu ziehen.

Im Interview: Andreas Schröder

36, ist Vizevorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn e. V. Er ist unter anderem zuständig für internationale Kooperation und Europa.

Was werfen Sie der Bahn vor?

Sie haben es seit dem großen Streikjahr 2015 nicht geschafft, Ruhe in den Konflikt zu bringen. Die Lokführer werden nach wie vor nicht gut bezahlt. Auch die Ausbildungsbedingungen müssen angesichts des Fachkräftemangels verbessert werden. Die Bahn muss mehr liefern …

… und ist ja selbst in finanziellen Schwierigkeiten. Liegt es am schlechten Management?

Hinter den Kürzungen steht ja der Eigentümer, der Bund, der mehr investieren müsste: in die Infrastruktur und in die Netze, und genau das geschieht eben nicht in ausreichendem Maße. Deutschland gibt nach wie vor deutlich weniger Geld pro Kopf für den Schienenverkehr aus als andere Länder.

Im Nahverkehr sind Pend­le­r*in­nen weniger vom Streik betroffen, weil es dort mehr Konkurrenz gibt. Braucht es auch auf den Fernstrecken der Bahn mehr Öffnung?

Es gibt bereits interessante Konzepte für eine Bahnreform. Wir schlagen beispielsweise ein Modell vor, in dem das Netz in öffentlicher Hand bleibt, aber der Betrieb von der Sparte mehr getrennt ist. Das würde auch mehr Wettbewerb zulassen. Ob das dann staatliche oder private Betreiber sind, ist sekundär. Aber es fehlt definitiv an Wettbewerb. Die Konkurrenz sind derzeit noch Flugzeuge und Busse.

Was müsste passieren, damit eine Bahnreform aus Ihrer Sicht gelingt?

Langfristig wünschen wir uns eine radikale Bahnreform 2.0, aber kurzfristig braucht es Schritte dahin: eine stärkere Trennung von Netz und Betrieb und eine bessere Finanzierung. Die internationale Kooperation läuft ja schon, wir wollen da aber mehr Tempo. Und wir wollen, dass die Staatsbahnen aufhören nur bis zu den Landesgrenzen zu denken. Der österreichische Bahnkonzern etwa ist auch ein Staatskonzern, der aber europaweit denkt.

Der Streik soll Passagiere nur knapp 48 Stunden treffen. Haben Sie trotzdem Sorge, dass der Arbeitskampf dazu führt, dass die Schiene als Verkehrsmittel langfristig gegen das Auto verliert?

Definitiv. Das sehen wir als große Gefahr. Viele Menschen sind durch Corona ohnehin schon aufs Auto umgestiegen. Und wenn jetzt, wo sich gerade alles wieder normalisiert, die Streiks in den nächsten Ausnahmezustand führen, dann ist das nicht zuträglich und wird auch langfristige Folgen haben.

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1 Kommentar

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  • Deutschland ist ein Autoland. In der Vergangenheit wurde das Straßennetz kräftig ausgebaut und die Bahnlinien, ja die waren auch irgendwie da. Doch wer fuhr schon Bahn? Die, die sich kein Auto leisten konnten, Rentner die es mit dem Autofahren nicht mehr so hatten, naja und noch ein paar andere. Also kein Klientel, welches durch Kaufkraft, strahlend blitzendes Lächeln und modernen Lifestyle hervorstach, die haben ihre SUV's. Alles so ein bisschen Dröge in den Waggons.



    Entsprechend wurde der Ausbau der Bahn recht lieblos betrieben. Doch nun da es um das Klima und dem CO2 Ausstoß geht, da fällt es vielen zu Recht auf, was für eine elegante Lösung der Schienenverkehr darstellt. Und wie wichtig dieser für die Infrastruktur Deutschlands wäre. Meiner Ansicht nach vergleichbar im Stellenwert, mit der Wasser und Abwasser Versorgung.



    Und da kommt dieser Herr Schröder und erzählt uns was von Privatisierung. Für einen strukturell sehr wichtigen Transportbetrieb wie die Bahn. So wie der unsägliche Herr Mehdorn vor vielen Jahren, der überall wo er war nur verbrannte Erde hinterließ. Die begehrten Linien, z.B. Frankfurt-Stuttgart-München, ja die wären mit Sicherheit gut bedient von den Privaten. Doch welcher Zug oder Bus würde noch nach Oberwinden fahren? Von den Privaten mit Sicherheit keiner. Da müsste dann wieder der Staat her, der das Tafelsilber bereits verhökert hat. Privatisierung hat, in für ein Land so wichtigen strukturellen Bereichen, nichts zu suchen. Ich habe es selber in England erlebt zu was so etwas führt. Ganze Landesteile sind praktisch nicht mehr erreichbar, außer mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuss.



    Wir haben über Jahrzehnte den Solidaritätszuschlag bezahlt, mir sehr gemischten Ergebnissen. Jetzt wäre es an der Zeit einen Solidaritätszuschlag für den Ausbau der Bahn zu bezahlen. Davon würden die Bürger aber auch das Klima profitieren.