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Keine Festlegung zu VolksentscheidEin bisschen blutleer

Senat stellt vage Stellungnahme zu Enteignung vor – Bausenator Scheel (Linke) wirkt dabei nicht so, als hätte er sich zwingend ein „Ja“ gewünscht.

Ziele des Volksentscheid ist es, die Deutsche Wohnen und andere große Unternehmen zu enteignen Foto: dpa

Berlin taz | Ganz ruhig saß Sebastian Scheel in der Pressekonferenz, fast leidenschaftslos. Unterschiedliche Ansichten und Einschätzungen habe es gegeben, aber ein „klar geregeltes Verfahren“ für die Stellungnahme des Senats zum Enteignungs-Volksentscheid am 26. September. Wer den Stadtentwicklungssenator nicht kennt, wüsste in diesem Moment nicht, ob er wirklich der Pro-Enteignung-Linkspartei oder der in diesem Punkt oppositionellen SPD angehört. Mit leichten Nachbesserungen hat die Regierung statt einer klaren Abstimmungsempfehlung einen schon am Montag bekannt gewordenen Kompromisstext beschlossen (taz berichtete). Der Senat ducke sich weg, tönte prompt die CDU.

Zur Abstimmung steht Ende September die Forderung der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen, große Immobilieneigentümer zu enteignen: Mehr als 3.000 Wohnungen soll in Berlin niemand besitzen dürfen – außer dem Staat. Anders als beim bislang letzten und erfolgreichen Volksentscheid – 2014 zum Tempelhofer Feld – ist es keine Abstimmung über einen Gesetzestext: Den soll der Senat im Erfolgsfall erst erarbeiten, am Abgeordnetenhaus wäre es, ihn zu beschließen.

Mit den Abstimmungsunterlagen gehen normalerweise Empfehlungen von Senat und Abgeordnetenhaus an die knapp 2,5 Millionen Berliner Wahlberechtigten. Das war auch vor dem Tempelhofer-Feld-Entscheid so, als die damalige rot-schwarze Koalition jeweils ein „Nein“ zum geforderten Bebauungsverbot empfahl. Dieses Mal aber gibt es vom Senat weder „Nein“ noch „Ja“: Zu sehr liegen in der rot-rot-grünen Koalition vor allem SPD und Linkspartei auseinander. Vom Abgeordnetenhaus wird es, wenn es nicht noch eine Sondersitzung gibt, gar kein Begleitschreiben geben: Abgabeschluss dafür wäre, bevor das Parlament erstmals nach den Ferien wieder am 19. August tagt.

Hürde für Umwandlung

Der Senat will es Eigentümern erschweren, ihre Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Nur wenn sie nachweisen können, dass zwei Drittel der Mieter selbst ihre Wohnungen kaufen wollen, soll das möglich sein. Das hat der Senat jetzt diskutiert: Nach einer Beratung der Bezirksbürgermeister will er das schnellstmöglich festzurren, damit nicht weitere Mietwohnungen verloren gehen. Bisher brauchten Eigentümer laut Bausenator Scheel (Linke) nur ihre Bereitschaft zu erklären, an ihre Mieter zu verkaufen – wollten die nicht, konnten auch andere kaufen.

In der gegenüber Montag noch veränderten Stellungnahme sticht hervor, dass nicht mehr von möglichen Entschädigungskosten von mindestens 29 Milliarden Euro die Rede ist, sondern nun von 29 bis 39 Milliarden. Bislang galten nach einer Kostenschätzung von Scheels Senatsverwaltung 36 Milliarden als Obergrenze. Die nun um 3 Milliarden höhere Zahl soll Folge einer Wertsteigerung gegenüber der Kostenschätzung im Frühjahr 2019 sein. Die Enteignungsinitiative geht von weit geringerem Aufwand aus.

Scheel sprach von einem „breiten Spektrum“ an Ansichten, die von einem dauerhaften Zuschuss durch den Landeshaushalt bis zu einem Überschuss für die Landeskasse reichen würden. Einige andere Zahlen stehen nicht mehr in der Stellungnahme, was der Verständlichkeit dienen soll – „das war nicht so lesbar, wie man sich das vorstellt“, sagte Scheel zur Begründung. Zu einem Gesetz bei einem erfolgreichen Volksentscheid hieß es von ihm, niemand könne sagen, wie ein solches Gesetz aussehen werde.

Der Text enthält zudem die Aussage, das von der Initiative geforderte Gesetz sei „juristisches Neuland“ – so wurde auch das letztlich gescheitere Gesetz zum Mietendeckel eingeordnet.

Die CDU-Fraktion legte die nun beschlossene Stellungnahme dem Regierungschef Michael Müller und seiner SPD als eine „mietenpolitische Niederlage“ aus, weil Müller sich in dieser „richtungsweisenden Entscheidung“ nicht durchgesetzt habe. Wie das bei zwei klar bis tendenziell pro Enteignung eingestellten Koalitionspartnern möglich sein sollte, ließ die CDU bei ihrer Kritik offen.

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