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Streit um die CSD-Parade in BremenWie explizit darf's sein?

Bremens CSD-Verein bittet darum, auf der Parade auf die Darstellung sexueller Handlung zu verzichten. Vor allem die schwule Fetisch-Szene ist empört.

Geht sogar in Bayern: Fetisch-Freunde beim CSD 2019 in München Foto: dpa / Peter Kneffel

Bremen taz | „Mit dem CSD Bremen reiht sich nun eine angeblich an Emanzipation interessierte Organisation an Putins und Orbáns Seite ein“, hieß es am Samstag in einer Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Queer der Linkspartei (BAG). Ja, richtig gelesen, der Bremer CSD-Verein, also die Leute, die jedes Jahr ehrenamtlich daran arbeiten, dass es in Bremen einen Christopher Street Day gibt, kurz CSD, sollen auf einer Linie liegen mit homophoben, rassistischen Despoten.

Der CSD erinnert seit den 70er-Jahren weltweit an die Kämpfe um die Rechte und die Sichtbarkeit zunächst von trans- und homosexuellen Menschen. Mittlerweile wird häufig der Begriff „queer“ genutzt, was deutlich machen soll, dass alle gemeint sind, die von einer heterosexuellen, zweigeschlechtlichen Norm abweichen. In Bremen gibt es ihn erst wieder seit 2017 und dieser Bremer CSD verstand sich stets als politische Demonstration – und nicht als Karnevalsveranstaltung mit Humpftata-Techno wie andernorts.

Dieses Selbstverständnis hat der Verein im November noch einmal als „Vision und Grundsätze“ aufgeschrieben und auf seiner Homepage veröffentlicht. Darin steht viel darüber, wie das Team die eigene Vorgehensweise reflektiert, und auch, dass es nicht für sich gepachtet hat, auf der richtigen Seite der Macht zu stehen. „Wir sind selbst in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der Diskriminierung jeden Tag stattfindet“, steht dort, „deshalb ist uns bewusst, dass auch wir diskriminieren“.

Stimmt, sagen jetzt BAG und zahlreiche Personen, die sich in sozialen Medien aufregen – acht Monate nach Veröffentlichung des Textes und in der heißen Vorbereitungsphase des CSD-Wochenendes Ende August. Auslöser: Ein Abschnitt der mit „Keine Fetischdarstellung“ überschrieben ist. „Das Darstellen von Fetischen in der Öffentlichkeit finden wir nicht hilfreich, wenn wir bei der gleichen Demonstration und Kundgebung über Themen wie Asylrecht, Trans*­Recht oder queere Krankenversorgung sprechen möchten“, hieß es darin. Schließlich könne das Publikum nicht einwilligen, ob es so etwas sehen möchte.

Vergleich mit Putin und Orbán

Dieses „Fetisch-Verbot“ wird jetzt so interpretiert, dass die CSD-Organisator*innen sich bei der „heternormativen“ oder der „bürgerlichen“ Mehrheit anbiedern wollen, den CSD „entsexualisieren“ und damit weichspülen. Dies würde – so der Kern der Vorwürfe – die Idee des Gedenktags verraten, der alle sichtbar machen soll, die aufgrund ihrer als abweichend bewerteten Sexualität diskriminiert werden. Dabei seien gerade diese „Kinks und Fetische“ Ausdruck von „Community, Selbstbestimmung und Befreiung“.

Was dort allerdings nicht steht: Dass der CSD und seine Selbstinszenierung jahrzehntelang von schwulen Männern dominiert wurde. Daran stört sich auch Maja Tegeler, queerpolitische Sprecherin der Links-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft. Den BAG-Vergleich der CSD-Organisator*innen mit dem russischen Präsidenten Putin und Orbán hält sie zwar für „mehrere Nummern drüber“. Im Kern aber teilt sie die Kritik: „Niemand darf ausgeschlossen werden.“

Das gelte aber auch für diejenigen, die mitlaufen und sich nicht wohl fühlen, wenn sehr harte Spielarten von Sexualität dargestellt werden. Anders sieht es Kai Wargalla, Tegelers Pendant in der Grünen Bürgerschaftsfraktion. „Der CSD ist kein bürgerlicher Protest“, sagt sie. „Es ging immer um das Recht, so sein zu dürfen, wie man ist und lieben zu dürfen, wen man will.“ Daher müsse die Aussage der Demonstration immer sein: „Ihr habt uns in unserer Vielfalt zu akzeptieren.“

Es wäre fatal, „im vorauseilenden Gehorsam Schlips und Krawatte anzuziehen“. Dass die Formulierung auf der Homepage inzwischen geändert wurde, reicht ihr nicht. Dort steht jetzt, dass Fetische natürlich Platz hätten auf dem Bremer CSD, aber die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen nach wie vor darum bitten, auf „die Darstellung von Sex, sexuellen Handlungen, wie zum Beispiel symbolische Penetration“ zu verzichten.

Das Problem bleibe, dass der CSD-Verein seinen Aufruf zur Enthaltsamkeit damit begründe, so bessere Chancen zu haben, akzeptiert und gehört zu werden. „Das geht nicht“, sagt Wargalla, „damit machen wir uns klein“. Dass Medien gern Fotos mit viel nackter Männerhaut für die Berichterstattung nutzen, sei diesen anzulasten. „Wenn der CSD-Verein zeigen möchte, dass es mehr queere Menschen als schwule weiße Männer gibt, muss er dafür sorgen, dass der CSD diverser wird.“

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11 Kommentare

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  • Wenn ich da zum Beispiel in Latex oder Leder gekleidet hin gehe, ist das zu allererst mal nur ein weiteres Kleidungsmaterial. Alles Andere passiert nur in Ihrem Kopf, lieber Zuschauer. Dafür kann ich aber nichts.

  • Abgesehen von der Außenwirkung könnte auch auf Bedürfnisse innerhalb der Community geschaut werden. Der CSD soll und möchte die sehr sehr vielfältige queere Community vertreten. Queer sein heißt nicht automatisch, sich gerne explizite sexuelle Darstellungen in der Öffentlichkeit anzuschauen. Vermutlich sind Probleme mit der Krankenversicherung da tatsächlich drängender.

    Die eigene Freiheit hört immer bei der Freiheit des:der Anderen auf. Das Bestehen auf expliziten Darstellungen kann auch als intolerant anderer Menschen der eigenen Community gesehen werden. Bitte mal einen Schritt zurück treten vom "war schon immer so" und die umgebenden Menschen und die gemeinsamen Ziele reflektieren.

  • Kann mensch sich zumindest drauf einigen, dass es überhaupt Grenzen gibt dessen, was in der Öffentlichkeit (auch auf dem CSD) gezeigt werden kann?



    (Ich kann mir keinen Konsens vorstellen, bei dem jegliche sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit aktzeptiert werden könnten.



    Der Aushandlungsprozess kann sich doch nicht darum drehen, ob es Grenzen gibt, sondern nur darin, wo diese Grenzen liegen.



    Ich muss zugeben, dass meine Grenzen wahrscheinlich deutlich niedriger liegen als die des_der durchschnittlichen CSD-Teilnehmer_in.

  • empörung, empörung ... !

    worüber ?



    darüber, daß aufgerufen wird, sich maßvoll zu verhalten !



    ich denke, die empörung ist maßlos und unangemessen.



    vor allem zeigt sie eines:



    eine rücksichtslose erwartungshaltung bei der inanspruchnahme des öffentlichen raumes.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    "Schließlich könne das Publikum nicht einwilligen, ob es so etwas sehen möchte."

    Vermutlich geht es hier aber nicht um das anbiedern an das konservative Milieu. Die junge queere Szene wird einfach spießiger und sexfeindlicher. So wie ihre heterosexuellen Altersgenossen.

  • Liebe queere Comminity,

    in Hinblick auf die Aussage in ihren Grundsätzen des CSD-Bremen e.V. von 2020



    "Wir wollen nicht bewerten, wessen Probleme größer oder kleiner sind. Aber das Darstellen von Fetischen in der Öffentlichkeit finden wir nicht hilfreich, wenn wir bei der gleichen Demonstration und Kundgebung über Themen wie Asylrecht, Trans*Recht oder queere Krankenversorgung sprechen möchten. Gerade bei Fetischen, die für Zuschauende sexuell gelesen werden, stellt sich zusätzlich das Problem, dass das Publikum nicht einwilligen kann (fehlender Konsens im Sinne von Safe, sane, consensual)."

    möchte ich mich als ehemaliger Vorsitzender des LCNW (Leder Club Nord West e.v.) auf das schärfst beschweren.

    Die komplette Protestnote findest du auf meinem Blog unter: udo-schmidt-hb.blo...von-fetischen.html

    • @Udo Schmidt:

      Das ist doch nun bereits hinreichend im Selbstverständnispapier des Vereins korrigiert worden:

      Es wird darüber geschrieben, dass erniedrigenden und/oder sexuelle Handlungen als nicht hilfreich betrachtet werden.

      Hier geht es um einen Punkt im Papier des Selbstverständnis des Vereins, welchen offen zur Diskussion gestellt wurde.

      Die ganze Diskussion ist müßig, da niemals ein Verbot der Teilnahme von Fetischgruppen oder in Fetischkleidung geplant, diskutiert und/oder angeordnet war, wurde oder in Absicht war.

      Skandalisiert wurde hier ein Diskussionspapier - nirgendo gab es jemals ein Verbot von irgendetwas

  • Ein CSD ohne Fetisch - wie langweilig.

    Gerade die liebeswert-verrückten Menschen auf einem CSD sind doch die besten Sympathieträger für eine offene Gesellschaft mit ihren verschiedensten Spielarten.

    • @Black & White:

      Da widerspreche ich. Auf der Gay Parade in Oslo sieht man keine Penetrationsdarstellungen oder besondere Fetische. Klar gibt's Drag und viel nackte Haut, aber man führt nicht gerade den Dogslave an der Leine über die Carl-Johans-Gata.

      Dafür laufen diverse Schulen, Behörden, Ministerien, die Feuerwehr, etc. pp. mit und die Menschen hängen überall Regenbogenfahnen in die Fenster. Die ganze Stadt scheint fröhlich mitzufeiern, es ist fast wie am Nationalfeiertag am 17. Mai. Die Sympathie entsteht dadurch, dass die Heterosexuellen sehen, dass die allermeisten LGBT eben auch nicht anders sind als sie. Es herrscht ein festliches Wir-Gefühl.

  • Bitte seid genau! In der Stellungnahme heißt es: "Hier geht es (...) um Handlungen, die stark auf den Sexualakt reduzieren. Auch Handlungen, wo das Publikum nicht erkennen kann, dass sie auf der absoluten Freiwilligkeit und der Möglichkeit jederzeitiger Beendigung durch alle Beteiligten basieren, können problematisch sein. Wenn diese Wahrnehmung zum Beispiel zu einem Zielkonflikt mit der Forderung nach sexueller Selbstbestimmung führt, verlieren Forderungen in den Augen von Zuschauern an Kraft." – Solche Regeln mit der Homophobie von Orban oder Putin zu vergleichen, ist mindestens dämlich.

    • @Franny Berenfänger:

      Aber das ist doch in den für alle geltenden Gesetzen festgelegt, was in der Öffentlichkeit erlaubt ist. Da benötigt man doch keine selbst installierte Sittenpolizei eines Vereins der die gesamte Bandbreite der LGBTIQ* - Community darstellen sollte. Oder soll Fetisch und Kink jetzt einen eigenen Pride veranstalten. Das wäre für die Emanzipation ja völlig kontraproduktiv.