Baustart für neuen Hamburger Stadtteil: Hafencity bekommt Nachwuchs
Mit dem Abriss der Lagerhallen des Überseezentrums an den Elbbrücken wird der Weg frei gemacht für einen neuen Stadtteil auf dem Hamburger Grasbrook.
Mit dem Vorhaben rund um den Moldauhafen wandeln Senat und Bürgerschaft zum zweiten Mal im großen Stil ehemalige Hafenflächen in einen Wohn- und Geschäftsstadtteil um. Dabei drehen sich beim Vorläufer Hafencity ganz plangemäß im östlichen Teil noch immer die Kräne.
Geistig frei wurden die Köpfe für diesen Plan durch die Bewerbung für die Olympischen Spiele, die das Olympische Dorf auf dem Kleinen Grasbrook vorsahen. Dass der Hafen hier im Osten Flächen frei macht, ergibt aber so oder so Sinn, denn mit der zunehmenden Containerisierung und den wachsenden Schiffsgrößen werden Flächen dort gebraucht, wo das Wasser tief ist, also stromabwärts.
Stadtentwicklungspolitisch ist der zukünftige Stadtteil ein Trittstein und Verbindungsglied zwischen der Hafencity, Wilhelmsburg und der Veddel. Er wird ergänzt um die Pläne am nördlichen Ende der Elbbrücke, wo ein riesiges Hochhaus, der 235 Meter hohe Elbtower, errichtet werden soll.
Der Clou am neuen Stadtteil Grasbrook werden zwei große Plätze sein: ein Wasserplatz knapp ein Drittel so groß wie die Binnenalster und ein „Central Park“, der sich über die Länge der Halbinsel ziehen wird. Der Park wird zwei Reihen Wohnhäuser im Norden am Elbufer von einem 180 Meter langen Dach am Moldauhafen trennen.
Auf dem Grasbrook sollen 3.000 frei finanzierte und geförderte Wohnungen entstehen sowie umbauter Raum für 16.000 Arbeitsplätze.
Hochwassersicher soll der Stadtteil werden, indem das gesamte Gelände nach dem Muster der Hafencity um fünf Meter auf 9,70 Meter über Normalnull aufgeschüttet wird. Vorher müssen noch etwaige Kampfmittel gesucht und entschärft werden.
Die mit dem Projekt beaufragten Elbphilharmonie-Architekten Herzog & de Meuron sowie das Landschaftsplanungsbüro Vogt sollen die Funktions- und Freiraumplanung in diesem Sommer abschließen. Ab 2023 könnte dann gebaut werden.
Dieses Dach ist eine Reminiszenz an das breite Hallenvordach des Überseezentrums. Nach Angaben der Projektentwicklerin Hafencity steht es ungünstig. Es ist nicht denkmalgeschützt, schadstoffbelastet und baufällig, aber eine Landmarke. „So ein Dach kenne ich auf dem ganzen Kontinent nicht“, sagte Oberbaudirektor Franz-Josef Höing bei der Vorstellung des städtebaulichen und landschaftsplanerischen Siegerentwurfs vor gut einem Jahr.
Das Dach an der Kante des Moldauhafens soll mit Solarzellen bestückt werden. Es wird eine Promenade schützen sowie Orte, an denen man sich aufhalten kann und nicht näher spezifizierte öffentliche Nutzungen. Von hier aus wird man auf das Moldauhafenbecken blicken können, dessen schlickige Ufer naturnahe Parks im Übergang zum Wasser werden sollen. Diagonal über den Wasserplatz wird die U-Bahnlinie 4 Richtung Wilhelmsburg verlaufen, mit einem Bahnhof in der Mitte. Heute endet die Linie am östlichen Ende der Hafencity an den Elbbrücken.
Nicht ganz einfach dürfte es werden, einen „positiven Bezug“ zur Veddel herzustellen, wie ihn die Linke schon früh gefordert hatte. Der zwischen Verkehrsadern eingeklemmte Stadtteil ist arm, hat wenig Infrastruktur und würde gerne von der neuen Nachbarin profitieren.
Städtebaulich soll das durch eine ausgefuchste breite Brücke über mehrere Straßen, die S- und die Fernbahn gelöst werden. Auf der steilen Ostseite könnte sie eine Treppe für Fußgänger und eine Spindel für Radfahrer erhalten, auf der flacheren Westseite ein System aus Treppen und breiten Rampen.
Die Veddeler Stadtteildiakonin Uschi Hoffmann vermutet, dass das nicht reichen wird. „Neben den Wegeverbindungen brauchen wir einen Ort, von dem die Veddel einen Nutzen hat und zu dem sich auch der Grasbrook hinbewegt“, sagt sie. Dabei könnte es darauf ankommen, was im Nordteil der Veddel neu gebaut wird. „Die Herausforderung ist nicht die Entwicklung dieses neuen Stadtteils, sondern die Verbindung zu schaffen zur Veddel“, sagte Hafencity-Geschäftsführer Jürgen Bruns-Berentelg dem NDR.
Diakonin Hoffmann weiß aber auch, dass der Grat zur Gentrifizierung schmal ist. „Es gibt kein Interesse daran, dass die Mieten hier steigen“, sagt sie mit leicht sorgenvollem Blick auf Wilhelmsburg. „Es müsste doch auch ein Zwischending geben.“
Offen ist, wie viel die künftigen Bürogebäude am östlichen Ufer des Saalehafens und wohl ein Studentenwohnheim am Ufer des Moldauhafens zur Verbindung beitragen werden. Sie liegen zwar auf der Veddel, sind von ihr aber durch Straße und Bahn abgeschnitten. Vornehmlich bieten sie einen Lärmschutz für den Grasbrook. Auch die südwestlichen Ufer des Moldau- und Saalehafens sind Gewerbebauten vorbehalten.
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